25. Oktober 2011

Le Cercle de l'Harmonie – Jérémie Rhorer.
Laeiszhalle Hamburg.

20:00 Uhr, Parkett links, Reihe 5, Platz 16


Wolfgang Amadeus Mozart – Vesperae solennes de confessore KV 339

(Pause)

Wolfgang Amadeus Mozart – Große Messe c-Moll KV 427


(Sylvia Schwartz – Sopran, Caitlin Hulcup – Mezzosopran, Rainer Trost – Tenor, Nahuel di Pierro – Bass, les éléments (Chor))



Nachdem ich mit den schwersten Bedenken in das Konzert gezaudert bin – das Programm mir gänzlich unbekannt und ausschließlich Mozart – war es ein wider Erwarten aushaltbarer Abend. Was weniger an Mozart, als an der beseelten Aufführung lag. Da läßt sich nicht meckern. Das Orchester agiert tadellos, der Streicherklang ist natürlich „altersbedingt“ etwas spröde, das Blech hingegen, insbesondere die Posaunen, klingt überraschend voll.

Weder an Dirigat, noch Chor, noch den Solisten ist etwas auszusetzen. Nun gut, die Solisten firmieren sicher nicht unter dem Prädikat Weltklasse, aber Frau Damrau und Kollegen können sich ja nun mal nicht ausschließlich nach meinem Konzertkalender richten.

Mozarts Vesper hält bis auf das Laudate dominum nichts für meine Ohren bereit. Die Messe beginnt verheißungsvoll mit dem Kyrie, um dann – weitestgehend – auf sicher höchstem kompositorischen Niveau an mir vorüber zu plätschern. Auch hier ist das Sopransolo nicht ohne Reiz, interessant auch die Wirkung des unmittelbar daran anschließenden Choreinsatzes. Unter dem Strich jedoch nichts, mit dem ich mich „freiwillig“, also losgelöst von meinen Abo-Fesseln, beschäftigen müßte.

Randnotiz: Als Solistin kann man durchaus unabsichtlich Applaus „provozieren“...

15. Oktober 2011

Hamburger Symphoniker – Andrew Litton.
Laeiszhalle Hamburg.

19:00 Uhr, Parkett rechts, Reihe 6, Platz 15, nach der Pause Reihe 12, Platz 15 links


Benjamin Britten – Klavierkonzert (Barry Douglas)

(Pause)

Sergei Prokofjew – Sinfonie Nr. 7



Ein schöner, recht kurzer Konzertabend mit einer starken ersten und einer geruhsamen zweiten Hälfte. Litton ist das Klavierkonzert schön straff und knackig angegangen. Barry Douglas Interpretation ging ebenfalls in diese, das perkussive, rhythmische Element betonende Richtung. Daß die ein oder andere Feinheit des Stückes in diesem Elan etwas unterging, ist leicht zu verschmerzen. Zu einem guten Teil hängt dieser Eindruck sicher auch mit der direkten, aber auch inhomogenen Akustik so weit vorn im Parkett zusammen.

Da ist das Klangbild beim Prokofjew in Reihe 12 deutlich ausgewogener – aber weit weniger „anfassend“. Angefasst hat mich die Sinfonie beim ersten Hören ohnehin nicht besonders. Einige Romeo und Julia-Reminiszenzen wecken wehmütige Erinnerungen an „das Original“. Der Schluß mit seinem Bläsersatz und „Herunterticken“ ist nicht uninteressant.

2. Oktober 2011

Palestrina – Simone Young.
Staatsoper Hamburg.

18:00 Uhr, Parkett links, Reihe 2, Platz 15


Vorspiel ausinszeniert, der gebrochene Palestrina. Nur Palestrina ohne Schminke. Weiße Möbel, Federkiele, Noten, zentralperspektivisches Bühnenbild, schwarz und weiß bis zur Erscheinung der Engel, dann grün. Bedrückende Stimmung, Palestrina trinkt, hat sich aufgegeben. Tonsetzer maskenhaft, scherenschnittartig, Gesten, fratzenhaftes Lachen (stumm), Darstellung der Epochen (stilisiert).

Lukretia-Maske alles andere als albern, sehr anrührend, Augenaufschlag, gütig. Einzelner Engel setzt sich auf die Wand, anrührend, beschützend, kindlich. Der Umgang mit dem Notenpapier: zerknüllen, reichen, drohen, am Ende sortieren (Messe).Erscheinen des Kommandos sehr passend zur bedrohlichen Musik, tolle Kostüme, gesichtslos.

Insgesamt: Top Personenregie, Dialoge, Interaktion. Silla kommt gut als junger, aufsässiger Komponist rüber. Sänger: Palestrina wunderbar, lyrisch, deklamatorisch, heldisch, strahlend, Ausdruck. Borromeo: gute Stimme, schöne Klangfarbe, könnte mehr Volumen haben, darstellerisch gut. Silla gesanglich ok, etwas keifig, szenisch gut. Ighino Top, wunderbar lyrisch, zart, sensibel, im Zusammenspiel mit der sensiblen Orchesterführung phänomenal. Tonsetzer alle stark, ebenso Engel, Solisten, Lukretia, Chöre top.

Orchester bärenstark, perfekt geführt, unglaublich sensibel, nicht immer breit, aber mächtig, wo es sein muß. Und vor allem zart, lyrisch, differenziert. Leiseste Wucht, dunkelste Klangfarben, Young macht ernst, Akustik wunderbar. Grüblerisch, melancholisch, bittersüß. Trifft ins Mark, sehr tiefgehend, absolut Berlin oder München-Niveau. Streicher zartest, Blech satt und drohend, Klangfarben! Ausbruch des Kardinals!

2.Akt
Inszenierung beim Vorspiel etwas statisch, Leute stehen etwas unmotiviert rum ... Starke Inszenierung, dennoch schwächer als Frankfurt. An den Knackpunkten weniger zwingend: Lunas Lutheraner-Einladung, die Zusammenschießung der Parteien, die Wucht des Konzils, der Budoja-Scherz. Aber insgesamt alles auf sehr gutem Niveau. Schwarz, weiß, pink. Schikane von Sacher ggü. Borromeo schön deutlich, fehlender Stuhl, geleertes Weinglas. Stühlerücken in Ffm deutlicher. Schön: auftreten Morone von rechts, Sacher von links (Proszenium). Weihe Morones sehr eindrucksvoll.

Am Anfang sind Engel da, verschwinden aber vor dem Konzil. Aufwändige Kostüme, gute Interaktion der einzelnen, Tornisterfraktion urig, Fotoapparat, Touristen. Orchester nicht ganz so konzentriert, Dirigat hätte noch griffiger, schärfer sein können, aber insgesamt gut. manche Tempi ungewohnt. Ketzer werden vorgeführt - guter Einfall. Sänger: Sacher überraschend stark (stimmlich) darstellerisch eh sehr gut, alle Beteiligten gut, Luna aber deutlich zu schwach (Höhepunkt), Koch mit Abstand am besten, Wut, Eifer, Drohung, Autorität, Morone mit „kurzer“ Stretchlimo.

3.Akt
Vorspiel: inszenierte Rückkehr Palestrinas, wird von den Soldaten (unsanft) zurückgebracht. Ighino kümmert sich um ihn, Waschung, Christusbild.
Farbsynthese: grün und pink (mit schwarz). Sänger in Pink, gesichtslos, Jesusbild, Palestrina als Schmerzensmann der Musik (Lorbeerkranz von Ighino). Papstkarosse als Überstretchlimo. Papst als Puppe, Marionettenmund, Analogie zu Lukretia? Morones Kniefall. Ighinos Silla-Beichte. Saccas Schlußmonolog nicht so eindrucksvoll. Dann: Verdämmern des Retters der Musik, Tod.

Fazit: 1. Akt deutlich am stärksten, insgesamt ein sehr guter Abend.


Hans Pfitzner – Palestrina
Musikalische Leitung – Simone Young
Inszenierung – Christian Stückl
Bühnenbild und Kostüme – Stefan Hageneier
Licht – Michael Bauer
Chor – Florian Csizmadia
Spielleitung – Anja Krietsch

Papst Pius IV. – Tigran Martirossian
Giovanni Morone, Kardinallegat des Papstes – Wolfgang Koch
Bernardo Novagerio, Kardinallegat des Papstes – Jürgen Sacher
Kardinal Christoph Madruscht – Tigran Martirossian
Kardinal Carlo Borromeo – Antonio Yang
Kardinal von Lothringen – Wilhelm Schwinghammer
Abdisu, Patriarch von Assyrien – Jun-Sang Han
Anton Brus von Müglitz, Erzbischof von Prag – Moritz Gogg
Graf Luna, Orator des Königs von Spanien – Viktor Rud
Bischof von Budoja – Peter Galliard
Theophilus, Bischof von Imola – Dovlet Nurgeldiyev
Avosmediano, Bischof von Cadix – Jongmin Park
Giovanni Pierluigi Palestrina – Roberto Saccà
Ighino, sein Sohn – Mélissa Petit
Silla, sein Schüler – Marina Markina
Bischof Ercole Severolus – Jan Buchwald
Dandini von Grosseto – Paulo Paolillo
Bischof von Fiesole – Chris Lysack
Bischof von Feltre – Thomas Florio
Ein junger Doktor – Juhee Min
Fünf Kapellsänger von St. Maria Maggiore – Levente Páll, Chris Lysack, Paulo Paolillo, Dovlet Nurgeldiyev, Wilhelm Schwinghammer
Erscheinung der Lukrezia – Juhee Min
Erscheinungen neun verstorbener Meister der Tonkunst – Jun-Sang Han, Dovlet Nurgeldiyev, Chris Lysack, Paulo Paolillo, Moritz Gogg, Thomas Florio, Levente Páll, Wilhelm Schwinghammer, Tigran Martirossian
Drei Engelstimmen – Katharina Bergrath, Trine W. Lund, Gabriele Rossmanith
Spanischer Bischof – Eun-Seok Jang

1. Oktober 2011

Robert le Diable – Samuel Bächli.
Theater Erfurt.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 4, Platz 15















Der schmucklose Neubau befindet sich auf einem großzügigen Platz unterhalb der Zitadelle und bietet in der Tat einen interessanten Kontrast zum ansonsten weitgehend historischen Gepräge der Stadt. Auf den einzelnen Foyer-Ebenen dominiert die äußere Form des Saales, die in der Decke der Bar im Untergeschoß ihren güldenen Abschluß findet. Der Saal selbst bietet eine vorzügliche Akustik.

Das Sängerensemble hat ein gutes, Teilweise sehr gutes Niveau. Das Timing ist nicht immer glücklich, das Dirigat könnte deutlich präziser, ausgefeilter sein. Das würde den Sängern, die z.T. über enormes stimmliches Potenzial verfügen, sicher helfen, eben dieses Potenzial besser zur Geltung zu bringen. Ein Beispiel dafür ist der erste Auftritt der Alice, bei dem die Lyrik eindeutig zu kurz kommt. Überhaupt wird häufig über schöne Stellen achtlos hinweggaloppiert. Dabei steht dem Dirigenten ein gutes Orchester zur Verfügung, insbesondere das Blech ist sehr schön.

Die Inszenierung ist ambitioniert, tut Meyerbeer aber keinen Gefallen. Zumindest nicht in Erfurt. Der Saal ist mäßig besetzt, das Geschehen stößt offenbar nicht auf Verständnis oder gar Anteilnahme beim Publikum. Schade, ist die Inszenierung doch durchaus plausibel und wartet mit einer sehr individuellen Personenregie auf. Aber ein Irrenhaus als Spielort ist dem Erz-Erfurter offenbar schon zuviel. Tröstlich bleibt allein, daß Meyerbeer zumindest die Liebhaber anlockt, wie ich einigen kurzen Gesprächen entnehmen konnte (Bielefeld, Aachen, Berlin ... und eben Hamburg).

Für mich als Meyerbeer-Neuling interessant: an manchen Stellen wird offenbar aus Rücksichtnahme auf die Sänger „gemogelt“ – den ein oder anderen Spitzenton aus meiner Pariser Aufnahme habe ich vermißt. Darüber hinaus erscheint es mir etwas befremdlich, mitten im dritten Akt die Pause zu setzen, sofern ich da keinen Aussetzer hatte. Das Ballett im Leichenschauhaus mit Zombie-Nonnen ist insgesamt gelungen, krankt jedoch in der Choreografie an einigen allzu deutlichen „Thriller“-Reminiszenzen.

Fazit: Stell Dir vor es ist Robert in Erfurt und keiner geht hin. Schade, schade, schade, an der musikalischen Qualität hat es jedenfalls nicht gelegen. Könnte mir im Prinzip egal sein, wenn mich nicht die Befürchtung beschleichen würde, daß angesichts solcher (Nicht-)Reaktion „Ausgrabungen“ dieser Art womöglich in Zukunft weniger unternommen werden könnten.


Giacomo Meyerbeer – Robert le Diable
Musikalische Leitung – Samuel Bächli
Inszenierung – Jean-Louis Grinda
Bühnenbild – Hank Irwin Kittel
Kostüme – Carola Volles
Choreografie – Eugénie Andrin
Chor – Andreas Ketelhut
Dramaturgie – Dr. Berthold Warnecke

Robert – Erik Fenton
Bertram – Vazgen Ghazaryan
Raimbaut – Richard Carlucci
Alberti – Gonzalo Simonetti
Isabelle – Claudia Sorokina
Alice – Ilia Papandreou
Ein Herold – Dirk Biedritzky
Zeremonienmeister des Königs – Ralf Lindner
Ehrendame – Susann Ventil
Tänzerinnen – Nadia Dagis, Corinna Horvath, Sandra Lommerzheim