18. Dezember 2011

Musik auf historischen Tasteninstrumenten.
Museum für Kunst und Gewerbe.

16:00 Uhr, freie Platzwahl


Claviermusik zum Advent (Susanne von Laun)

Werke von Bach, Haydn, Mozart, Clementi, Beethoven, Mendelssohn, Chopin, gespielt an sechs verschiedenen Instrumenten



Eine Frage: Was treibt Menschen dazu, eine solche Veranstaltung zu besuchen, nur um dort im Minutentakt jeden Funken Atmosphäre gnadenlos niederzuschneuzen? Es ist Winter, gewiß, aber die heimische Schellack-Sammlung will doch sicher auch entstaubt werden und im Zweifel sollte man nicht nur seine Bazillen, sondern sein ganzes ignorantes Wesen bei sich und in diesem Falle weit, weit von morschen Instrumenten und Zuhörernerven entfernt halten.

17. Dezember 2011

Der Vampyr – Fabian Dobler.
Hamburger Kammeroper.

20:00 Uhr, Parkett, Reihe 3, Platz 35


Das Allee-Theater erinnert mich in vielen Details an die alte Ohnsorg-Wirkungsstätte: Die kleine Kasse (ein Lebkuchenteller lädt zum Zugreifen ein), die Galerie mit Szenenfotos, das angeschlossene Café, die winzige Bühne, das alles verströmt den gleichen liebevollen, familiären Charakter. Dabei fällt gleich das Gastronomiekonzept auf, das offenbar Anklang findet und dem akustischen und visuellen Erlebnis ein kulinarisches zur Seite stellen möchte. Wohl bekomm’s.

Meine Allee-Theater-Premiere weckte ehrlicherweise im Vorfeld den ein oder anderen Vorbehalt in mir. Was ist von solch einer Semiprofi-Truppe zu erwarten? Verleiden die reinen Limitationen – eine winzige Bühne, ein eher rudimentär vorhandener Klangkörper usw. – nicht zwangsläufig ein noch so ambitioniertes, engagiertes Wollen der Beteiligten? Dieses hohe, auf Staatsopernweiden genährte Ross, konnte ich gedanklich glücklicherweise mit dem Eintritt in das Theater draußen anleinen und habe in den folgenden Stunden nicht ein einziges pikiertes Wiehern vernommen.

Dabei lösten die ersten Minuten der Aufführung durchaus noch Befremden bei mir aus, sowohl bezogen auf das Musikalische als auch das Szenische. Ein Hexenchor ohne Chor (gefühlt waren es vielleicht drei Hexen) schallt neben den Verlautbarungen eines Häufleins Musiker aus der Orchestermulde, und was zuerst wie das Skelett der Marschner-Partitur daherkommt, füllt sich auf wundersame Weise rasch mit Leben. Das (Kammer-)Konzept funktioniert. Irgendwann nimmt man beispielsweise einfach nicht mehr wahr, daß es kein Blech gibt, sondern nur das eine Horn (oder waren es doch zwei?) – völlig unerheblich, die Musik, ihr Gehalt, ihre Botschaften, ihre Finessen werden von dieser reduziertesten Besetzung in aller Leidenschaft übertragen. Respekt gebührt demzufolge der Einrichtung und Darbietung durch Herrn Dobler.

Wie gesagt, auch szenisch warf mich das Ganze anfangs in Irritation. Der Hauptdarsteller als wandelndes Bela Lugosi-Zitat, dazu ein fast scherenschnittartig gehaltenes Bühnenbild. Erste Lacher entfahren dem Publikum und mir die Frage, in welche Richtung das Ganze hier beabsichtigt ist. Aber schnell wird klar, die Inszenierung arbeitet bewußt mit den tradierten Stereotypen der Dracula-Umsetzungen und setzt, um das Stück unter der Last der von den heutigen Zuschauern im Rezeptions-Gepäck mitgebrachten Altlasten nicht niederzudrücken, auf Humor. Selbiger kommt nicht immer fein geschliffen daher, mag sein, aber alles in allem bereitet er die Fallhöhe für die vielen beseelten, innigen Momente, die insbesondere von den kontemplativen Arien ausgehen. Mir persönlich hat diese Herangehensweise den Eintritt in die Welt Marschners jedenfalls nahtlos ermöglicht, ohne in Klischees zu verharren und doch die romantisch-unschuldige Tiefe des Stückes seine Wirkung entfalten zu lassen.

Die Sänger ihrerseits trugen durch ihre Leidenschaft und Präsenz zum Gelingen des Abends bei. Dabei ist es unerheblich, ob jede einzelne Leistung staatsoperntauglich gewesen ist, oder sein konnte – an diesem Abend in diesem Raum besaß dieses Ensemble alles, um zumindest mich (und offenbar weite Teile des Publikums) in seinen Bann zu schlagen. Namentlich Frau Bitter traf in ihren mal wehmütigen, mal hoffnungsvollen Äußerungen der weiblichen Hauptpartien ein ums andere mal das Romantik-umflorte Herz. Und auch wenn der Tenor von Herrn Adrados vielleicht nicht den Schmelz der Auserwählten bereithält, so hat mich seine Arie des Aubry „Wie ein schöner Frühlingsmorgen ...“ doch, emporgehoben auf den Schwingen dieser wunderschönen Musik, die machtlos machtvolle Verzweiflung des Liebenden spüren lassen, der sein Glück in den Fängen des Dämons weiß. Für Momente wie diese besuche ich das Theater, egal, ob es den Zusatz Staats-, Hof-, oder Hinterhof im Briefkopf führt.

Zurück aus den lanzebrechenden Sphären hin zu den Betrachtungen nüchternerer Art. Der Bariton des Herrn Pohnert ist aller Ehren Wert und in der Lage, den kleinen Saal klangschön in Grund und Boden zu dröhnen. Die nuancenreichste Stimme des Abends nennt ohne Zweifel Frau Bitter ihr Eigen, insbesondere im lyrischen Bereich sehe ich ihre Stärken. Bei Herrn Adrados sorgt die starke Akzentfärbung hier und da für leichte Irritation. Die übrigen Teilnehmer runden den guten Gesamteindruck ab, wobei Herr Wiedl durch seine überbordende Spielfreude – gespeist aus einer herzhaften Volkstheater-Körperlichkeit – zum heimlichen Liebling des Publikums avanciert.

Ensemblebedingt rasche Rollenwechsel stören in keiner Weise, sondern unterstreichen wie die einfachen, aber liebevollen szenischen Einfälle, daß hier im besten Sinne (Theater-)Handwerk gelebt wird. Dabei geht es weniger um die platte Vorstellung „Not macht erfinderisch“, als vielmehr um die bestmögliche Ausnutzung der vorhandenen Gegebenheiten. Dies fängt bei der sinnvollen Einbeziehung des Zuschauerraumes als Ausweitung der Spielfläche an – konsequent weitergetragen in der „Erweiterung“ des Saales hin zum Restaurantbereich des Hauses in der Hochzeitsfestszene – und findet im Auferstehungseffekt des Dämons seine bühnentechnische Raffinesse.

Es bleibt festzuhalten: Die Hamburger Kammeroper bietet ein Theaterkonzept, das fernab des üblichen Strebens nach stimmlichen und szenischen Superlativen eine kleine, feine Welt aufmacht, die es zu bestaunen, für meinen Teil zu bewundern, doch keinesfalls zu belächeln gilt. Ich freue mich auf die nächste Produktion.


Heinrich August Marschner – Der Vampyr
Musikalische Leitung und Bearbeitung – Fabian Dobler
Regie – Andreas Franz
Bühne – Kathrin Kegler
Textfassung und Kostüme – Barbara Hass

Lord Ruthven – Daniel Pohnert
Janthe, Malwina, Emmy – Joo-Anne Bitter
Edgar Aubry, George Didbin – Enrique Adrados
Sir Berkley, Laird von Davenaut – Michael Doumas
Suse Blunt, schwarze Braut – Gritt Gnauck
Toms Blunt, Vampirmeister – Richard Wiedl

Das Alleetheater Ensemble

5. Dezember 2011

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen –
Christian Tetzlaff.
Laeiszhalle Hamburg.

20:00 Uhr, 1. Rang links, Loge 7, Reihe 2, Platz 4


Wolfgang Amadeus Mozart – Violinkonzert
Arnold Schönberg – Verklärte Nacht

(Pause)

Joseph Haydn – Sinfonie Nr. 80

Felix Mendelssohn Bartholdy – Violinkonzert



Schöne Einführung mit Herrn Wacker. Informativ, ausgewogen, da sitzt jedes Wort – auch wenn bei Haydn aus Zeitmangel ein, zwei unausgesprochen blieben.

Die Kombination Kammerphilharmonie / Tetzlaff gefällt mir ausgesprochen gut. Der seidige, transparente aber auch leicht herbe Klang des Orchesters harmoniert wunderbar mit dem zupackenden, etwas spröden, aber immer feinen Ton des Solisten. Im Mozart agiert Tetzlaff für mein Empfinden mit deutlichem – nennen wir es mal Spiel – im Tempo. Nicht immer ist er exakt mit dem Orchester zusammen, immer wieder eilt er für einen Bruchteil seinen Mitstreitern davon, ohne daß dabei das Gesamtgefüge leiden würde. Dennoch habe ich mit dieser Herangehensweise teilweise Probleme.

Auch im Mendelssohn geht Tetzlaff mitunter frei zu Werke. Diese Freiheit hat auf der einen Seite ihren Reiz, weil sich aus ihr auch der Elan, der Schwung abzuleiten scheint, der ihn auszeichnet. Auf der anderen Seite steht sie im Gegensatz zu jener „linearen“ Art im Stile einer gut geölten Maschine, wie ich sie in Interpretationen häufig so liebe. Ist Tetzlaff ein Freund des Rubato – und ich etwa nicht? Nun ja, unter dem Strich sprechen wir hier von Nuancen. Genau um diesen Maßstab geht es dann auch, wenn ich Tetzlaff eine nicht immer ganz lupenreine Intonation ankreide. Wenn es darauf ankommt, ist diese absolut gegeben, nur „zwischendurch“ scheint er auch damit etwas freier umzugehen.

Ich möchte noch einmal betonen, wie sehr mich seine kraftvolle, energische Interpretation anspricht und ich denke die Gesamtheit der Eigenarten bildet den individuellen Charakter, auch wenn sie mir für sich betrachtet nicht komplett zusagen. Das einzige, was ich bei Tetzlaff tatsächlich vermisse, ist Kristall – insbesondere in der Höhe. Seine lyrischen, zarten Momente sind rein und fein, aber eher samtig als schneidend. Und daß schneidend nicht unbedingt mit hart gleichzusetzen ist, wurde mir spätestens seit Anne-Sophie Mutter zur wohligen Gewissheit.

Der Star des Abends war dem zufolge für mich das phantastische Orchester. In der Mozart–Interpretation zupackend, im Schönberg äußerst differenziert und feinsinnig, hat mich die Darbietung der Haydn-Sinfonie vollends in Verzückung gebracht. So kontrastreich, vielfarbig, spannungsvoll und gewitzt lasse ich mir selbst diese Zöpfe gefallen. Viel mehr, es hat einfach Spaß gemacht, der Haken schlagenden Partitur zu folgen. Daß hier explizit hervorgehoben wurde, man finde als Kammermusikensemble auch ohne Dirigent gemeinsam zu einer Lesart, scheint mir angesichts dieses Ergebnisses eindrucksvoll bestätigt. Im Mendelssohn-Konzert lag der gemeinsame Schwerpunkt von Solist und Orchester auf hohem Tempo und Elan. Eine wunderbare Interpretation, die allerdings hinter der kürzlich vorgelegten mit Frau Mutter zurücksteht. Als Zugabe gab es einen hinreißenden Beethoven, der Järvis Handschrift trägt.

Man kann nur wiederholen: Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist ein erstklassiges Orchester, das Virtuosität und Klangschönheit in intensivster Form verbindet. Leider hatte an diesem Abend eine Vielzahl unsensibler Hust-Proleten den Weg in die Laeiszhalle gefunden, die sich insbesondere dazu auserkoren sahen, „unerträgliche“ Pausen mit ihrem Gebell zu stopfen. Sehr schade.