5. November 2011

La damnation de Faust – Kwamé Ryan.
Staatsoper Stuttgart.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 5, Platz 137


Das Stuttgarter Staatstheater ist baulich eine Augenweide. Alles prangt in originalem (bzw. rekonstruiertem) Glanz. Wobei dieser Glanz von ganz anderer Sorte als gewöhnlich ist, die Farbgebung weicht doch sehr von allem mir Bekanntem ab. Im Saal dominieren nicht wie so häufig Rot und Gold, sondern eine Art Senfton an den Wänden und eine recht düstere Metalloptik, die mich an Blei erinnert. Diese Kombination hat was, ungewöhnlich, aber sehr interessant, weniger festlich als vielmehr ernst und erhaben. Mir gefällt’s.

Aber viel wichtiger: Die Akustik gefällt gleichermaßen. Die Sänger sind jederzeit von jeder Position aus sehr gut zu vernehmen, das Orchester ist vielleicht etwas zurückgenommen, der Klang ist aber sehr homogen, ausgesprochen warm und weich.

Das Orchester klingt sehr gut und wird von Kwamé Ryan mehr als ordentlich durch den Abend geführt. Es gibt durchaus Passagen von eindringlichster musikalischer Wirkung, die Gesamtleistung würde ich mit sehr gut benoten. Die drei Hauptrollen sind (stimmlich) stark besetzt, auch das Spiel überzeugt weitestgehend. Wobei das Pendel durchaus in beide Richtungen ausschlägt (Zum Teil overacting von Faust, durchweg starke Auftritte von Mephisto).

Die Inszenierung fußt auf der Anprangerung der aktuellen Lage in Ungarn, was anfangs irritiert bis abschreckt, im Gesamtbild jedoch durchaus seine Kraft entfaltet. Das „Böse“ im Menschlichen, im Alltäglichen, die Sehnsucht nach Abkehr von den inneren und äußeren Dämonen, all das wird als Teil des Faust-Stoffes sinnhaft behandelt. Phantasievolle Bühnenbilder, z.T. kombiniert mit Filmprojektionen, geben dem Ganzen einen wirkungsvollen Rahmen. Hervorheben möchte ich hier die wehmütige Idylle der Traumszene Fausts, in der ihm schließlich Gretchen erscheint – ein wunderbares Zusammenwirken der musikalischen sowie visuellen Stimmung.

Daß Dirigent, Regisseurin, Intendant und Sänger nach der Vorstellung für ein Publikumsgespräch zur Verfügung standen, um das – sicher von vielen als schwer verdaulich empfundene – Erlebte zu erörtern, ist ein weiterer Punkt, der für das Engagement und die Qualität des Hauses spricht. Ein perfekter Abend.


Hector Berlioz – La damnation de Faust
Musikalische Leitung – Kwamé Ryan
Regie – Andrea Moses
Bühne und Kostüme – Christian Wiehle
Licht – Reinhard Traub
Chor – Michael Alber
Dramaturgie – Thomas Wieck

Marguerite – Maria Riccarda Wesseling
Faust – Pavel Cernoch
Méphistophélès – Robert Hayward
Brander – Mark Munkittrick

Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart