6. November 2011

Staatsorchester Stuttgart – Hartmut Haenchen.
Liederhalle Stuttgart.

11:00 Uhr, Parkett Eingang B, Reihe 8, Platz 38


Richard Wagner – Tannhäuser-Ouvertüre (1845/61)
Bernd Alois Zimmermann – Sinfonie in einem Satz (1947–53, 2. Fassung)


(Pause)

Anton Bruckner – Sinfonie Nr. 3 d-Moll (1873/77/91, 3. Fassung)



So schmucklos der Empfang durch die angegraute, biedere Liederhallen-Architektur auch ausfällt, ziehen mich das Orchester und die sehr brauchbare Saalakustik doch gleich von den ersten Takten an in ihren Bann. Fällt in der Tannhäuser-Ouvertüre vor allem die butterweiche, feinst intonierende Hörnergruppe auf, zeigt sich spätestens in der Klang-Achterbahn der Zimmermann-Sinfonie, aus welchem Holz das Staatsorchester Stuttgart geschnitzt ist. Ein Klangkörper ersten Ranges, der sich in dieser Form mit den Spitzenvertretern im deutschen Opernwesen messen kann und manches große Rundfunkorchester bei Weitem überflügelt.

Hinzu kommt mit Hartmut Haenchen ein Dirigent, der die Möglichkeiten in punkto Differenzierung auszuloten weiß. In allen drei Werken wartet er mit einer nuancierten Dynamikregelung auf und läßt dabei weder Biss noch Schmelz vermissen. Das Ergebnis sind ausgesprochen feine, jedoch gleichermaßen knackige Interpretationen, die meinem Faible, sich an Aufbau und Struktur eines Werkes zu erfreuen, sehr entgegenkommen.

Bei der Tannhäuser-Ouvertüre möchte ich neben der Realisierung eines gleichsam transparenten wie reichhaltigen Klangbildes vor allem das äußerst breit angelegte finale Posaunenthema hervorheben, das eine sehr starke Wirkung erzielte. Die Interpretation der Zimmermann-Sinfonie möchte ich als ideal für den Erstkontakt bezeichnen – ein Werk, das mich auf Anhieb angesprochen hat. Zartes steht neben Schärfstem, über allem schwebt ein Drohen, das einnimmt. Bruckners Dritte gehört nicht zu meinen Lieblingen, die Darbietung läßt aber auch hier nichts zu wünschen übrig.

Noch einmal zum Orchester. Alle Instrumentengruppen sind wunderbar. Die Streicher warm, die Holzbläser allesamt zart, das Blech mit vollem Pfund, die Hörner phänomenal in ihrer Ansatzlosigkeit. Es hatte sich ja schon gestern in der Oper angedeutet, unter den heutigen, akustisch klareren Bedingungen bleibt kein Zweifel, daß man in Stuttgart erstklassig beschallt wird.

Leider scheint nur der Stuttgarter an sich es dabei nicht belassen zu können, er muß selbst akustisch wirken – man schwätzt. Offenbar gern und häufig, zudem ist mir seit diesem Besuch bewußt geworden, daß auch die Vortragsanweisung „Flüstern“ landläufigem Interpretationsspielraum unterworfen ist.