27. August 2011

Pittsburgh Symphony Orchestra – Manfred Honeck.
Laeiszhalle Hamburg.

20:00 Uhr, 1. Rang links, Loge 6, Platz 1


Wolfgang Rihm – Lichtes Spiel (Anne-Sophie Mutter)
Felix Mendelssohn Bartholdy – Violinkonzert (Anne-Sophie Mutter)

(Pause)

Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 5



Die Akustik des ersten Rangs ist nicht schlecht, angesichts der heute gebotenen Ausnahmequalität aller Beteiligten vermißt man jedoch eine feinere akustische Bühne, wie sie die vielfach von mir bemühte Kölner Philharmonie bereitstellt.

Rihm: interessantes, recht zugängliches Stück, das Assoziationen an einen lauen Sommerabend weckt. Sehr abwechslungsreich. Auch in der hierfür erforderlichen kleinen Besetzung läßt das Orchester seine außerordentliche Qualität aufblitzen. Streicher, die dem lapidare Wörtchen „schön“ wieder Gewicht verleihen. Samtig, homogen, klangvollendet. Dazu gesellen sich perfekte, zarteste Holzbläser und liebliche Hörner. Und Frau Mutter? Bin ich diesmal mit so gut wie keinem Erwartungsdruck an das Konzert herangegangen, macht ihr Spiel doch vom ersten Moment klar, warum sie seit Jahrzehnten diese Ausnahmestellung in der medialen Wahrnehmung genießt.

Ein Vergleich drängt sich mir auf: die Sokolov der Geige. Natürlich etwas windschief angesichts des Bekanntheitsgefälle, aber für mich absolut passend. Beide Künstler verstehen es, ihren Instrumenten „unerhörte“ Klänge zu entlocken, die verblüffen, ins Mark treffen, Atem rauben. Gleich nach den ersten Bogenstrichen besteht kein Zweifel: man ist gut aufgehoben, es ist alles richtig, wird alles gut. Eine selbstverständliche, organische Extremvirtuosität. Der Ton ist lupenrein, ohne kalt oder hart zu sein. Alle denkbaren Facetten werden präsentiert. Zupackende Energie, die mitreißt wechselt mit zartestem Saitenhauch. Samtig. Warm. Agil. Versonnen.

Mendelssohn gehört zu jenen Komponisten, deren Erscheinen auf einem Konzertprogramm mich nicht unbedingt innerlich in die Hände klatschen lassen. Sein Violinkonzert hörte ich bereits mehrere Male, ohne besonders Anteil daran genommen zu haben. Dieser Umstand erfuhr heute zumindest eine Ausnahme. Die Kombination Pittsburgh/Honeck/Mutter läßt das Werk für mich gewissermaßen neu entstehen – so bin ich dabei! Und wie: Honecks Interpretation ist genau nach meinem Geschmack. Flottes Grundtempo, energische Herangehensweise, dennoch sensibelste Klang-Oasen schaffend. Eigentlich so, wie ich auch Beethoven am liebsten höre. Die perfekte Balance zwischen knackig und elegisch. Alles bleibt jederzeit im Fluss. Das Hauptthema des zweiten Satzes schlägt, obwohl wie gesagt nur allzu bekannt, von Mutter dargeboten, ein wie eine Bombe. Oder vielmehr: schneidet wie ein heißes Messer durch mein Butterherz. Nicht auszudenken, hätte Beethoven oder Sibelius auf dem Programm gestanden ... Über das Orchester braucht es nicht viele Worte. Perfekt trifft es ganz gut. Der letzte Satz gerät zum Musterbeispiel dafür, daß atemberaubende Virtuosität sehr wohl mit Wärme und Emotionalität vereinbar ist. Leider keine Zugabe der Solistin.

Mahler: schon in der Pause läßt das sich einspielende Blech keinen Zweifel daran, daß man gleich einiges im Angebot hat. Eine Mahler-Sturmfront zum Beispiel. Ist schon eine Weile her, daß mir der erste Satz derart vor den sprichwörtlichen Latz geknallt wurde. Es bleibt dabei, Streicher und Holz agieren von erster Güte, hinzu kommt nun eine Blechabteilung, die schlicht Weltklasse ist. Hier braucht man sich nicht lange mit irgendwelchen Kieksern oder Wacklern (ja, gab's auch mal) aufzuhalten, sondern kann sich bedingungslos an der schieren Spielfreude und Klangpracht laben. Und es geht hier nicht etwa um bloße Kraftmeierei, man hat einfach alles im Portfolio: wahlweise stählern schneidende oder fast holzbläserhaft agierende Trompeten, schwarzschmetternde oder satt grundierende Posaunen, eine profunde Tuba und zu guter Letzt eine wahnwitzig gute Hornclique, deren Solist im Scherzo eine Präsentation zum Thema „warum ein Horn einfach alles kann“ hält. Kein Zweifel, das Blech ist der Star des (Mahler-)Abends. Auch weil es die wunderbaren Streicher als einzigen Mini-Wermutstropfen in der absoluten Höhe ein wenig an Schärfe vermissen lassen (Adagietto), wie ich es so gern mag.

Nun ja, der eigentliche „Star“ des Abends ist natürlich Manfred Honeck. Gestatten, Honeck, Mahlerfuchs, den niemand auf dem Zettel hat (ich zumindest bis heute nicht). Was sich im Mendelssohn andeutet, wird hier Gewißheit: der Mann kann es einfach. Sein Konzept: einfach Mahler ernst nehmen und Ernst machen. Bretthart und bedingungslos, wo es sich gehört, an anderen Stellen bereit, das Zartestmögliche mit diesem Riesenorchester zu realisieren. Auf die einzelnen Sätze möchte ich gar nicht im Detail eingehen, es fühlt sich einfach richtig an. Die Kontraste (insbesondere der Dynamik) stimmen, der Gehalt erschließt sich. Ich hoffe inständig, daß sich diese Lesart auch auf die gerade im Werden befindliche Gesamtaufnahme überträgt, um ihren Finessen auch „am stillen Herd“ nachspüren zu können.

Hatte ich mein Autogrammjägerdasein weitgehend an den Nagel gehängt, nötigte mir dieser Abend doch einen Rückfall ab, um mich bei Solistin und Dirigent persönlich zu bedanken.