29. Mai 2011

Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny – Dirk Kaftan.
Theater Augsburg.

19:00 Uhr, Parkett links, Reihe 3, Platz 60














Theater wird außen saniert, sieht gut aus. Im Inneren 50er-Muff mit seltsamen Eigenheiten (alle Fenster/Rahmen abgerundet). Sehr gute Akustik, zumindest für diese Orchestergröße – Wand des Grabens heruntergefahren (!?). Die Sänger werden bei den Sprechpassagen verstärkt. Fazit vorweg: Ganz großes Theater in Augsburg, aber die Augsburger merken’s nicht. Orchester wunderbar. Dirigat top, packend, differenziert. Chöre mitreißend. Klar, die Sänger lassen erkennen, daß wir hier nicht in München oder Berlin sind, aber sie machen ihre Sache sehr, sehr gut. Das Stück funktioniert – im besten Sinne. Die Inszenierung muß in meinem Kopf mit der genialen Version der Komischen Oper konkurrieren – und schlägt sich ausgesprochen gut. Für eine „Provinzbühne“ eine unglaublich vielschichtige, ausgefuchste Inszenierung. Bravo!

Die großen und kleinen Gedanken des Stücks werden visuell wunderbar umgesetzt. Mensch und Tier (Affenkostüme).Der kleine Junge als „Ansager“ und „Nummerngirl“. Die Bühne als fortgesetzter Zuschauerraum. Das Paar Jim/Jenny: Adam und Eva-Szene. Die Lustsuchenden mit Handy und Laptop. Die vier Regeln. Kalb: Raffen, bis das Affenkostüm platzt. Boxen: Die Zuschauer schlagen den Herausforderer selbst tot, da diese ihr Geld auf Moses gesetzt haben. Liebesakt: Das kleine Mädchen wird mit der Puppe über die Knie der Männer „geführt“. Jenny läßt Jim im Stich, hält ihm sein eigenes Lied vor, küßt ihn aber zum Schluß doch kurz, bevor sie sich abwendet. Beim Liebesabschied dann bleibt ein Kuss aus. „Gott-nach-Mahagonny“-Szene als Ensemble-„Tanz“ in grünem Licht. Und und und.

Und immer wieder: tolle Darsteller. Sicher gibt es bessere Sängerinnen als Jenny, aber wenn sie tanzt und sehnt und leidet, paßt es einfach. Und Jim ist der (volumenmäßig) stimmliche Fels der Aufführung, obwohl er wenig Schmelz besitzt. Egal, er spielt glaubhaft und mit Präsenz. So sollte Theater sein. Interessant: Englische Stücke im 3. Akt (?). Waren die auch in Berlin? Ich glaube nicht. Noch einmal: ein großes Werk mustergültig auf die Bühne gebracht. Nachtrag: Der Augsburger kann mit „seinem“ Brecht offenbar weniger als nicht viel anfangen. Beschämend: Lauer Applaus und KEIN weitere Vorhang. Traurig.


Kurt Weill – Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Musikalische Leitung – Dirk Kaftan
Choreinstudierung – Karl Andreas Mehling
Choreographie – Dimas M. Casinha
Dramaturgie – Juliane Votteler, Marlene Hahn

Leokadja Begbick – Kerstin Descher
Fatty – Christopher Busietta
Dreieinigkeitsmoses – Stephen Owen
Jenny Hill – Anna Maria Kaufmann
Jim Mahoney – Gerhard Siegel
Jack O’Brien – Seung-Hyun Kim
Bill – Jan Friedrich Eggers
Joe – Petar Naydenov
Tobby Higgins – Gerhard Werlitz

Chor und Statisterie des Theaters Augsburg
Philharmonisches Orchester Augsburg