22. Juni 2012

Die Csárdásfürstin – Sierd Quarré.
Landestheater Eisenach.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 2, Platz 9












Die Operette – unendliche Weisen. Wir schreiben das Jahr 2012. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Lautsplitter, das mit seiner 1 Mann starken Besatzung einen Tag lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Oper entfernt, dringt die Lautsplitter dabei in Galaxien vor, die nie ein Wagnerianer zuvor gehört hat.

Zugegeben – ein platter, zudem geklauter Einstieg. Aber liebenswerte Plattheiten, die am Ende vielleicht doch mehr Tiefe und Wahrheit besitzen, als manches hehre Gegrübel, sind zufällig heute das Thema. Wobei man Sätze wie den vorigen auch häufig antrifft, wenn es darum geht, ganz besonders platten Fällen den Nimbus des künstlerisch Hochstehenden überzustülpen. Dazu besteht – Stand heute – bei der Operette kein Anlaß, zumindest bei dieser nicht.

Was ist die Csárdásfürstin? Eine Ansammlung von sehr bekannten Melodien, die jede Schlagerparade in Grund und Boden schunkeln könnte? Sicherlich. Eine Handlung, die mit ihrem konstruierten Beziehungsgeflecht jeder Telenovela zur Ehre gereichte? Auch (ein Umstand, der jedoch auf nicht wenige Opern gleichermaßen zutrifft). Doch inmitten all der Plattheiten, Witzchen und Lebensweisheiten aus der Kugler-Bonbondose wird auf leichten Schwingen scheinbar beiläufig Tiefsinniges vermittelt. KuK-Schmäh hin, Zuckermelodei her, das Stück trifft ein ums andere Mal ins Herz, zumindest in solch sentimentale Exemplare, wie ich eines in meinen Diensten weiß.

Letztendlich ist hier jede Figur trotz aller Tingeltangelei und Wechselspielchen doch auf der Suche nach der großen Liebe. Sehnsucht, Wehmut, Liebesschmerz – die Zutaten für großes Gefühlskino. Insbesondere durch die Kontrastierung mit den scheinbar unbeschwert heiteren, übermütig sorglosen Momenten ergibt sich eine nicht zu unterschätzende Fallhöhe.

Im dritten Akt wird das Bühnenleben als Tröster für Sylvas Liebesleid beschworen. Wohnt nicht jedem Theaterbesuch ein Fünkchen Streben nach Tröstung inne? In Bezug auf den Alltag, auf Sorgen, bei manchem unter Umständen tatsächlich auf mehr? Das Theater als kathartischer Ort. Zu hochtrabend? Aber wie sonst sollte man über ein Phänomen sprechen, das, wenn vielleicht auch nicht immer Reinigung, jedoch zumindest Linderung verspricht?

Ach ja, musiziert wurde auch noch. Und das ebenfalls alles andere als gehaltlos. Die Meininger Hofkapelle im Eisenacher Außendienst läßt ihrem klangvollen Namen entsprechende Taten folgen. Die Tänzer des ansässigen Balletts sind als Bühnenvolk stimmig in die Handlung integriert. Aus der Sängerriege sticht Camila Ribero-Souza für meine Ohren hervor. Eine schöne, weiche Stimme, sehr tragfähig und dabei äußerst geschmeidig. Ihre Kollegen können da nicht ganz mithalten, dennoch gibt es genug Gelegenheit, sich an geborenen Sympathieträgern wie Francis Bouyer als Graf Boni oder Stan Meus als Feri bacsi zu erfreuen.

Gemessen am Schlagerfaktor des Stücks war das Haus eher passabel besucht, an der Inszenierung mit seiner aufwändigen Ausstattung dürfte es nicht gelegen haben. Einige Details der Regie konnte ich zwar nicht zweifelsfrei deuten, dies hatte jedoch keinen Einfluß auf die positive Gesamtwirkung. Welche Absicht stand beispielsweise in den sporadischen Hust- und Schwächeanfällen der Diva? Zeigten die Choristen Flagge auf ihren Mündern? Und was hatte es mit der Fotowand zu Beginn des dritten Aktes auf sich? Ging es einfach um Erinnerungen? Der „bedrohliche“ Schluß hingegen scheint mir als Vorbote für das Ende der Habsburger-Herrlichkeit zu fungieren, wohl auch in Hinblick auf die „gute alte Operettenzeit“.

Nach dem flachen Ein- nun ein entsprechender Ausstieg: Wie wurde die Csárdásfürstin eigentlich zu DDR-Zeiten angenommen – begegnet einem die Stasi hier doch auf Schritt und Tritt? In diesem Sinne: Kugler-Bonbon mit Soljanka gefällig?


Emmerich Kálmán – Die Csárdásfürstin
Musikalische Leitung – Sierd Quarré
Regie – Rudolf Frey
Choreographie – Andris Plucis
Bühnenbild – Christian Rinke
Kostüme – Elke Gattinger
Dramaturgie – Gerda Binder
Chor – Sierd Quarré

Leopold Maria, Fürst von und zu Lippert-Weylersheim – Ernst Volker Schwarz
Anhilte, seine Frau – Uta Müller
Edwin Ronald – Erwin Belakowitsch
Komtesse Stasi – Sonja Freitag
Graf Boni Kancsianu – Francis Bouyer
Sylva Varescu – Camila Ribero-Souza
Feri von Kerekes – Stan Meus
Eugen von Rohnsdorff — Steffen Köllner
Notar Kiss – Lars Kretzer

Ballett Eisenach
Chor des Meininger Theaters
Meininger Hofkapelle