3. Januar 2013

Sängersalon – Franz Grundheber.
Staatsoper Hamburg.

20:00 Uhr, freie Platzwahl
Warum ich die Gesprächsreihe Sängersalon in meinen Planungen bisher nicht auf dem Schirm hatte, kann ich nicht sagen. Hat sich irgendwie nie ergeben. Umso dankbarer bin ich, nun gleich mit solch einem Abend eingestiegen zu sein. Franz Grundheber. Ich hatte mir natürlich Einiges von diesem Gast erhofft, mit einer derartigen Sternstunde aber nun auch wieder nicht gerechnet.

Ich habe selten einen Menschen erleben dürfen, der so herzlich und bewegend aus seinem ereignisreichen (Künstler-)Leben erzählt, und dabei nie die Aura des Weltstars bemüht, sondern selbst in der Ausführung seiner größten Triumphe Bescheidenheit und nicht zuletzt Dankbarkeit ausstrahlt. Ich hätte ihm problemlos bis tief in die Nacht zuhören können, wie er Geschichten und Anekdoten aus seiner Erinnerung lebendig werden läßt, seinen Werdegang umreißt und dabei eine Gelassenheit und Ruhe ausstrahlt, die einfach unglaublich sympathisch ist.

Herzlich ehrlich und uneitel, wie er beispielsweise den Moment schildert, in dem ihn seine Frau fragte, ob er denn immer noch die Rolle des (juvenilen) Figaro geben müsse. Erste Gesangserlebnisse in seiner Heimatstadt Trier, Vorbilder, Lehrer und Förderer, Erzählungen über den Umgang mit Kollegen und Weggefährten – das alles sagt mehr über den Künstler und vor allem auch den Menschen Franz Grundheber aus, als es die Lektüre einer dicken Biografie könnte. Hans-Jürgen Mende als Gesprächspartner hielt sich, im Wissen darum, daß der Abend „läuft“, angenehm zurück und beschränkte sich auf die grobe Einhaltung des angestrebten Rahmens – nur um Herrn Grundheber dann doch immer wieder mit Freuden davon abweichen zu lassen.

Mehrere Ton- und Videodokumente runden das Gespräch ab, beispielsweise ein seltener Audio-Mitschnitt als Hans Sachs bei einer Veranstaltung des Trierer Gesangvereins oder seine unglaublich fesselnde Verkörperung des Wozzecks an der Seite Waltraud Meiers. Besonders interessant auch, wenn das Thema auf den Gesang als solchen kommt. Grundheber betont, daß es ihm dabei immer darum ginge, über bloßes Singen hinaus eine Geschichte zu erzählen, etwas mitzuteilen. Er spricht davon, wie sehr es der Vermittlung diene, den Blick zu fokussieren oder steigt auch in die Technik ein, indem er erläutert, daß es z.B. weitaus wichtiger für die Textverständlichkeit sei, lange und kurze Silben – im Zweifel auch gegen Notenwerte – herauszubilden, als bloß Konsonanten zu forcieren.

Beneidenswert gelassen kommt er auch auf das Älterwerden zu sprechen. Für einen Mathis habe er zwar keine Kondition mehr, aber während er über neue, interessante Rollen für „das Alter“ sinniert, wie den Schigolch in Bergs Lulu, funkeln seine Augen und ein verschmitztes Lächeln der Vorfreude huscht über sein Gesicht. Grundheber beschließt den Sängersalon, wie er ihn eröffnet hatte – Singenderweise: Das vertonte Gespräch zweier Würmer, Ohrwurm und Bohrwurm, eine Humoreske, eine kleine Albernheit als Rausschmeißer – eine weitere, unerwartete Spielart, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Sehr sympathisch.

Zu meinen stärksten Eindrücken auf der Opernbühne gehört Grundhebers Gestaltung des Simon Boccanegra an der Staatsoper Hamburg vor einigen Jahren. Insbesondere die Sterbeszene des Dogen hat mich damals tief erschüttert, weil sie mir vor Augen geführt hat, wieviel sich allein durch einen Blick aussagen läßt. Diesen Ausdruck der Erschöpfung, eines melancholischen Abschiednehmens, jedoch ohne Bedauern, der dann im Moment des Sterbens für einen Wimpernschlag in einer aufgehellten, überraschten und gleichsam wissenden Mine gipfelt, werde ich nie vergessen. Der heutige Abend hat mir den Menschen hinter dieser Kunst auf angenehmste Art und Weise ein Stück näher gebracht.