26. März 2013

Hamburger Symphoniker – Jeffrey Tate.
Laeiszhalle Hamburg.

19:30 Uhr, 1. Rang rechts, Loge 2, Reihe 1, Platz 2

 

Aron Kitzig – Spiegel (Videoinstallation)
Richard Wagner – Vorspiel und Karfreitagszauber aus „Parsifal“

(Pause)

Edward Elgar – Sinfonie Nr. 2



Ich bleibe dabei: Momentan stellen die Hamburger Symphoniker einfach das interessanteste Angebot für den geneigten Konzertgänger in der Hansestadt dar. Die Vorzüge liegen für mich auf der Hand:

Abwechslung.
Kein Abonnement in Hamburg bietet eine derart wohltuende Programmgestaltung abseits der ausgetretenen Pfade mit den üblichen Verdächtigen des Klassikbetriebs. Was spricht gegen Brahms, Beethoven oder Tschaikowsky? – Nichts! Ich verehre die Werke dieser und anderer Dauergäste der Konzertprogramme und höre sie gern und oft, aber ich bin den Hamburger Symphonikern dankbar dafür, daß sie offen für „Neues“ sind und über den Abo-Tellerrand hinausschauen. Und mal im Ernst: Wir reden hier ja schließlich nicht von irgendwelchen Ausgrabungen drittklassiger Komponisten, mit denen man sich vielleicht profilieren möchte, sondern schlicht und einfach von der reichhaltigen Erweiterung des Kernrepertoires um gewichtige Stücke von Komponistengrößen wie z.B. Sibelius, Britten oder Elgar – oder auch Haydn, Schumann oder Strauss, um nicht nur die „Exoten“ ins Feld zu führen. Eigentlich ist es ja ganz einfach, bzw. könnte auch andernorts so einfach sein – es ist immer eine Frage der Ausgewogenheit. Auch bei den Hamburger Symphonikern ist ja alles da: Die Neuner-Straßenfeger von Beethoven und Dvořák, Mozart-Konzerte, Brahms, Bruckner, Mahler ... Aber eben fast immer verbunden mit dem Angebot, seinen (musikalischen) Horizont zu erweitern. Ich finde, das verdient Respekt, und falls es tatsächlich – wie heute – dazu führen sollte, mal nicht die Hütte auf Alt-Abonnent komm raus voll zu bekommen, erst recht Hochachtung ob dieses Engagements.

Innovationsfreude.
Ich mag den Gedanken, das Konzertwesen nicht als unabänderliches, ewig wiederkäuendes Konstrukt, sondern auch als Spielwiese für Experimente zu begreifen. Mit Ideen wie dem als Konzert-Theaterstück (oder doch Theater-Konzert?) aufgeführten Shakespeareschen „Sturm“ aus Sibelius’ Feder oder der mit großem Einsatz unter Hinzuziehung neuer Wege (Stichwort Crowdfunding) realisierten DVD-Produktion „Divine“ (Link) beweist man auch hier den Willen zur Innovation. Das heutige Unterfangen, dem eigentlichen Konzert eine visuelle Ouvertüre in Form einer Videoinstallation voranzustellen, zeugt einerseits allein durch den betriebenen Aufwand von großer Ambition, brachte darüber hinaus jedoch ganz konkret eine äußerst ungewohnte Form der Poesie, der Kontemplation in die Laeiszhalle.

Qualität.
Ich habe es bereits viele Male thematisiert, aber ich werde nicht müde es zu wiederholen: Die Hamburger Symphoniker sind ein wunderbares Orchester mit einem Chefdirigenten, unter dessen Händen sich die Gestaltung von Klang und Struktur bei jedem Konzert auf das Eindringlichste manifestiert. Diesen Gestaltungsprozess hautnah miterleben zu können, erleichtert wiederum gerade den Zugang in Bezug auf musikalische Erstbegegnungen. Zumindest geht es mir persönlich so, weil sich dadurch mein Fokus auf die Entwicklung der Musik noch weiter schärft und einfach mehr schon beim ersten Hören hängenbleibt. Auch die heutige Darbietung der Elgar-Sinfonie bestätigte diesen Effekt. Sei es die Vermittlung des Aufbaus der Sinfonie im Ganzen oder ein Detail wie die Gänsehaut bringende Präsentation des verwunschen aufblühenden Seitenthemas aus dem ersten Satz – zunächst in pulsierend marschähnlicher Anmutung auf Trommelgrund intensiviert, schließlich bei seiner Wiederkehr zum Höhepunkt des Rondos mit pochendem Schlagwerk noch gesteigert – Eindrücke wie diese sind ideale Fürsprecher einer großen Musik, die offenbar viel zu selten im hiesigen Konzertbetrieb erklingt. Daß ich dabei besonders gern auf den klanglichen Charakter dieses Orchesters vertraue, ist auch kein Geheimnis und wurde schon im ersten Teil des Programmes beim Ausspinnen der Wagner-Wonnen wieder mal mit soghafter Wirkung und fein abgestuftem Klangfarbenfächer belohnt.

Man könnte noch viele Worte verlieren, aber der Fall liegt denkbar einfach: Sollten Sie Gelegenheit haben, die Hamburger Symphoniker, vor allem mit seinem Chefdirigenten, einmal zu erleben – tun Sie sich und Ihren Ohren einen Gefallen und schlagen – oder vielmehr hören – Sie zu!