31. März 2013

Frau Luna – Thomas Wicklein.
Landestheater Altenburg.

14:30 Uhr, Parkett links, Reihe 5, Platz 14


Das tut auch mal ganz gut: Eine Inszenierung ohne Tiefenpsychologie, ein Werk, das nichts will als unterhalten. Sind der Kopf erst mal ausschaltet und die Sinne auf Kurzweil eingestellt, kommt man in den Genuß eines abendfüllenden Knallbonbons mit Berliner Schnauze. Auch die Auslastung und Reaktionen des Publikums zeigen: Es muß nicht immer das hohe Lied der Kunst sein – manchmal reichen schon ein paar nett verpackte Gassenhauer.

Und die Verpackung stimmt in dieser Produktion. Eine überbordende Ausstattung mit aufwändig gemalten Postkarten-Bühnenprospekten und zum Teil aberwitzigen Kostümen, dazu Balletteinlagen und Auftritte von der Showtreppe – all das erinnert mehr an eine bunte Samstagabend-Revue als an Musiktheater. Aber der Reihe nach. Die Handlung ist schnell erzählt: Ein einfacher Berliner Mechaniker träumt zu Kaisers Zeiten von einer Karriere als Luftschiffer und verliert mit seiner hitzköpfigen Art Anstellung und somit Kreditwürdigkeit bei seiner Vermieterin, dem Hausdrachen des Stückes. Als Ausweg bleibt nur die Flucht mit Entourage zum Mond – Ein Unterfangen, das sich am Ende als (Alb-)Traum des Protagonisten herausstellen wird, für den sich natürlich schließlich doch Traumberuf und Liebesglück in wundersamer Fügung ergeben. So weit, so belanglos.

Der eigentliche Charme des Stückes liegt jedoch nicht in den mehr oder minder flachen Witzchen und Sprüchen, sondern in der wirklich urkomischen Erkenntnis, daß der Mond auch nur eine andere Erde ist. Dies gelingt durch den Kunstgriff, das irdische Geschehen nahezu deckungsgleich auf unserem Trabanten mit jeweils den selben Darstellern in gespiegelten Rollen zu doppeln, nur eben gewissermaßen durch die lunare Brille betrachtet. Im Grunde geht es hüben wie drüben zu:

Für Ordnung sorgt ein preußisch strenger Schutzmann, hier wie dort mit leichtem Hang zur Schürzenjägerei. Fährt im Berlin des Kaiserreiches der möchtegern-schneidige Leutnant als Repräsentant der elitär-militären Kaste selbstverliebt im Automobil vor, um der Chansonette Avancen zu machen, so hat auch dieser in Prinz Sternschnuppe ein ins Groteske gesteigertes, lamettabehangenes Gegenstück. Es sind gerade diese nonverbalen Seitenhiebe auf die Konventionen und Moden der Gesellschaft, wie das stolz präsentierte Einkaufswagen-Mondmobil des Prinzen, sein lächerlicher Mond-Stechschritt oder das affektierte Balzen um die Gunst der Frau Luna (das Pendant zum aufreizenden Berliner Sternchen), die zu den lustigsten Momenten der Regiearbeit gehören.

Zurück zu den Kostümen: Da dürfte die entsprechende Abteilung großen Spaß – oder auch großen Stress – gehabt haben. Wahrscheinlich beides. Solch eine Detailversessenheit und phantasievolle Fülle an Entwürfen ist alles andere als selbstverständlich und verdient größte Anerkennung. Zumal die prachtvollen, zum Teil unglaublich skurrilen Roben (und auch Frisuren!) einen nicht zu unterschätzenden Anteil am Gelingen des spaßigen Getümmels für sich beanspruchen dürfen – das Auge hört in dieser Produktion mit. Besonders gelungen dabei ist der Bogen, der von den historischen bzw. historisierenden Kostümen der wilhelminischen Zeit zu deren Variationen auf dem Mond gespannt wird. Pickelhauben gibt es beispielsweise auf beiden Himmelskörpern, wobei der Trend auf dem Erdenbruder eindeutig zu modischem Silber geht, angereichert durch allerlei Glitter und Flitter. Die Hut- bzw. Helmmode der lunaren Bevölkerung treibt darüber hinaus die tollsten Blüten. Ob Glühbirne, Fischkopf oder Teekanne – bei Mondens weiß man im wahrsten Sinne zu glänzen.

Weitere lustige Einfälle der Regie runden das Gesamtpaket ab. Der Flug zu den Sternen erfolgt im mit Ballons zum Luftschiff aufgemotzten Bett, die zeternde Haushälterin nimmt die Verfolgung gar in einer überdimensionalen Kaffeedose auf. Natürlich wird die Mondlandung durch eine obligatorische Berlinflagge besiegelt, man merkt es dem Stück ohnehin an, für welche Spielstätte es dereinst verfasst wurde – Berliner Lokalpatriotismus ist eine der Triebfedern des Geschehens. So hält man es trotz Sternenfunkel und Becirzung durch die Mondkönigin persönlich dann doch nur eine gewisse Weile von der Hauptstadt getrennt aus. In Berlin ist es schließlich immer noch am schönsten – so die Moral von der Geschicht.

Am Ende klatscht das Publikum selig im Takt zur berühmten Berliner Luft. Berlin in Altenburg – eine gelungene Kombination, eine Produktion mit dem Prädikat Knorke.


Paul Lincke – Frau Luna
Musikalische Leitung – Thomas Wicklein
Regie – Steffen Piontek
Bühne, Kostüme – Mike Hahne
Choreografie – Winfried Schneider
Choreinstudierung – Ueli Häsler
Dramaturgie – Felx Eckerle

Mathilde Pusebach – Rosemarie Dittmann-Bennert a.G.
Marie, ihre Nichte – Mona Deibele a.G.
Fritz Steppke, Mechaniker – Alexander Voigt
Wilhelm Pannecke, Portier – Günter Matthes a.G.
August Lämmermeier, Schneider – Kai Wefer
Flora Huschke, Chansonette / Frau Luna – Jule Rosalie Vortisch a.G.
Egon von Schlettow, Leutnant / Prinz Sternschnuppe – Bernardo Kim
Theophil Finke, Schutzmann / Theophil – Günter Markwarth a.G.
Ella, Dienstmädchen / Stella – Iris Eberle
Lieschen, Panneckes Tochter / Jungfrau – Victoria Valo a.G.
Briefträger / Mondbote – Andreas Veit
Wirt / Merkur – Eberhard Dunkel
Anna / Venus – Cosima Schulenburg
Leierkastenmann – Winfried Roscher
Mars – Michael Rieger

Tänzerinnen und Tänzer des ThüringenBalletts
Opernchor von Theater & Philharmonie Thüringen
Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera