22. Oktober 2013

Soiré & Salon. Mahler becomes Art.
Kunsthalle Hamburg.

18:30 Uhr, freie Platzwahl


Gustav Mahler – Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“
Scheiden und Meiden, Rheinlegendchen, Ablösung im Sommer, Urlicht

(Pause)

Gustav Mahler – Kindertotenlieder

(Pause)

Gustav Mahler – Rückert-Lieder

(Nadja Stefanoff – Mezzosopran, Karen Schulze-Koops – Klavier)



Ein Liederabend in der Galerie der Gegenwart. Sektempfang, das Konzert selbst in einem relativ kleinen Durchgangsraum. In den Pausen Vorträge über die Auseinandersetzung des Malers R.B. Kitaj mit Gustav Mahler in seinen Bildern.

Der Abend gehört ganz Nadja Stefanoff, die ich bereits in Bremen beim „Rosenkavalier“ (Link) und in „Mahagonny“ (Link) als Teil jeweils großartiger Besetzungen bewundern durfte. Hier in Hamburg nun volle Konzentration auf ihre wundervolle Mezzo-Stimme, ideal für Mahler in Klangfarbe(n) und Ausdruck. Besonders das „Urlicht“, die Kindertotenlieder und das äußerste Sensibilität fordernde „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ werden durch Frau Stefanoffs Ausnahmetalent zu tief empfundenen Höhepunkten.

Mahler fasziniert, ob Künstlerkollegen oder Musikliebhaber – heute Abend wurde diese Faszination aufs Neue lebendig.

13. Oktober 2013

Liederabend – Daniel Behle.
Laeiszhalle Hamburg, Kl. Saal.

11:00 Uhr, Mittelparkett links, Reihe 1, Platz 1 (nach der Pause: Platz 2)



Ludwig van Beethoven – An die ferne Geliebte, op. 98
Benjamin Britten – Hölderlin-Fragmente, op. 61
Daniel Behle – 5 Lieder nach Ringelnatz (Uraufführung)

(Pause)

Richard Strauss – 8 Lieder: „Ständchen“ op. 17, Nr. 2, „Herr Lenz“ op. 37, Nr. 5, „Ich liebe Dich“ op. 37, Nr. 2, „Freundliche Vision“ op. 48, Nr. 1, „Ruhe meine Seele“ op. 27, Nr. 1, „Caecilie“ op. 27, Nr. 2, „Heimliche Aufforderung“, op. 27, Nr. 3, „Morgen“ op. 27, Nr. 4

Zugaben:
Richard Strauss – „Breit über mein Haupt dein schwarzes Haar“ op. 19, Nr. 2, „Wie sollten wir geheim sie halten“ op. 19, Nr. 4, „Zueignung“ op. 10, Nr. 1

(Alexander Schmalcz – Klavier)



Einer eher seltenen Erscheinung – dem singenden Komponisten – bzw. komponierenden Sänger als Interpret eigener Werke, konnte man am Sonntag in der kleinen Laeiszhalle begegnen. Etwas verdutzt nehme ich zur Kenntnis, daß Herr Behle sich nicht nur dem vorzüglichen Vortrag der Gattung Lied, sondern auch dessen Erweiterung verschrieben zu haben scheint. Ein reflexhaftes, augengerolltes „Sänger, bleib bei Deinen Stimmbändern“ entkräfteten Komponist und Komposition auf dem Fuße.

Ich brauche kein Geheimnis daraus machen, daß die Lieder Brittens, Strauss’ oder Mahlers nach dem Ersteindruck der Behle’schen Kompositionen nicht um ihre vorderen Startpositionen in meinem persönlichen Songcontest bangen müssen, aber der kleine Ringelnatz-Zyklus wußte zu gefallen. Dabei ist Behle weder Schlagerbarde noch mikrotonaler Klangschrauber, der Musik in homöopathischen Spurenelementen verabreicht, seine Lieder sind Liedgut im besten Sinne, mit Melodie und harmonischer Raffinesse. „Es ist besser so“ beispielsweise berührt mit einer Mischung aus gespreiztem Ausdruck und zerbrechlicher Lyrik, am Schluss nimmt die Klavierbegleitung das „Lachen“ illustrativ auf, ohne in die Falle einer Plattheit zu tappen. Hinzu kommt der glückliche Umstand, daß Behle nun mal zweifellos einen Spitzentenor für die Uraufführung gewinnen konnte – dem Vortrag der Weisen seiner „Kollegen“ tat dies naturgemäß auch keinen Abbruch. Aber davon konnte man sich ja bereits bei früherer Gelegenheit überzeugen (Link).

Fazit: Ein weiterer gelungener Abend, dem Daniel Behle in mehr als gewohnter Weise seinen exquisiten Stempel aufgedrückt hat.

5. Oktober 2013

Radio Filharmonisch Orkest – Jaap van Zweden.
Concertgebouw Amsterdam.

14:15 Uhr, Podium Nord, Reihe 13, Platz 14 (nach der Pause: Balkon Nord, Reihe 3, Platz 10)



Nikolai Rimski-Korsakow – Ouvertüre „Russische Ostern“, op. 36
Henri Dutilleux – Correspondances (Barbara Hannigan – Sopran)

(Pause)

Dmitri Schostakowitsch – Sinfonie Nr. 5



Ein Orchester klingt nur so gut wie sein Saal, so sagt man ja. Was in Hamburg gern als ein Argument für den Bau der Elbphilharmonie aufgegriffen wird, um sie der betagten Dame Laeiszhalle zwecks akustischer Stadtaufwertung an die Seite zu stellen, stellt die noch deutlich ältere holländische Schwester eindrucksvoll unter Beweis. Wohlgemerkt, ich bin ein großer Freund der Laeiszhalle, aber in puncto Hörerlebnis setzt die Amsterdamer Schuhschachtel wahrlich Maßstäbe. Dies wird selbst auf den hinterletzten Plätzen im sichtminimierenden Schatten der Orgel unmittelbar klar, obwohl man sich hier im Rücken des Orchesters einfindet. Transparenz, Klarheit, Fülle, eine angenehme Nachhallzeit – Eigenschaften, die nach dem strategischen Platzwechsel in der Pause zum rechten Balkon vollends ihre Wirkung entfalten. Woran liegt’s? Ich bin leider kein Akustik-Experte, aber es fällt auf, dass es angesichts eines Raumes dieser Größe (vergleichbares Platzangebot wie in der Laeiszhalle) nur einen Rang und somit enorme „Kopffreiheit“ gibt. Das Orchester wiederum drückt sich nicht in der hintersten Ecke herum, sondern ragt mitsamt des Podiums zu Füßen der Orgel relativ weit in den Saal hinein. Keine Ahnung, vielleicht entziehen sich diese Beobachtungen auch jeglicher Relevanz und der Kasten ist einfach mit Old Amsterdam gedämmt. Man – zumindest ich – weiß es nicht.

Aber ich weiß ganz sicher, daß ich wiederkommen werde, wiederkommen muß, um weitere vollendete Konzerte wie dieses zu erleben. Gleich das russische Osternest zu Beginn erweist sich als runde Sache der Güteklasse Fabergé. Bis zur finalen Steigerung entströmt dem Orchester allerlei Feines, Glanzvolles, Mitreißendes und weckt die Lust auf ein wiederholtes Hören. Der Dutilleux im Anschluß hat mich vor allem in seiner Zugänglichkeit überrascht. Subtil, mitunter spröde und fordernd – ganz gewiß. Aber sicher nicht kalt lassend, in seiner verwunschenen Zerbrechlichkeit mir Britten nicht unähnlich – und somit spontan sympathisch. Leider wurde der Nachteil eines Platzes hinter den Interpreten jetzt spätestens bei Frau Hannigan unüberhörbar: Von ihrer bekanntermaßen wunderbaren, irisierenden Stimme erreichte nur ein gedämpftes, indirektes und häufig vom Orchester überdecktes Maß das nördliche Podium. Im Nachhinein betrachtet aber wirklich der einzige Wermutstropfen des Konzerts. Und dann kam Schostakowitsch.

Und wie er kam. Natürlich hätte ich bei meinem Besuch im Concertgebouw gern auch sein weltberühmtes Namensvetterorchester auf der Bühne gewußt, aber ganz ehrlich: Viel besser als Jaap van Zweden mit dem Radio Filharmonisch Orkest kann man ein Pfund wie Schostakowitschs Fünfte nicht unters Volk bringen. Ein Energietransfer sondergleichen, ohne Abstriche auch zapffertig für die Abfüllung auf Tonkonserve geeignet – einfach Stecker rein und gut. Leider gab es an diesem Tag wohl keinen Mitschnitt. Auf ihm hätte sich Beeindruckendes befunden: Sagenhafte Streicher, die gleich ab den ersten Takten Gewissheit darüber herstellen, daß hier Großes auf die Hörerschaft zukommt, kompromisslos in Schönheit und Wucht gleichermaßen. Dazu sattes Blech und edles Holz, welches vor allem auch in den zarten Soli (dritter Satz!) das Herz zum Schmelzen bringt. Ach was ließe sich noch alles an Facetten besingen und Höhepunkten preisen, aber ich belasse es diesmal bei einem knappen, aber nicht minder in Begeisterung gezogenem Fazit: Die Hütte klingt bombig und die Herren und Damen auf dem Podium wußten diesem Umstand eindrucksvoll zu nutzen.