29. März 2014

Orgelkonzert. Sankt Kajetan Kirche Prag.

17:00 Uhr, Reihe 3 rechts, Platz 1



Léon Boëllmann – Suite gothique, op. 25
Wolfgang Amadeus Mozart – Fantasie KV 608
Johann Sebastian Bach – Passacaglia und Fuge c-Moll, BWV 582
Johannes Brahms – Choralvorspiele: „Schmücke dich o liebe Seele“, op. 122, Nr. 5; „Herzlich tut mich verlangen“, op. 122, Nr. 9
César Franck – Final B-Dur op. 21

Zugabe: Eigene Improvisation des Organisten



Und da soll noch jemand behaupten, Werbung wirke nicht – einfach beim Gang durch die Straße ein Plakat mit Konzertankündigung erblickt, schon war die Vorabendplanung abgeschlossen. Ein Orgelkonzert in einer kleinen aber feinen Prager Kirche, da fallen mir durchaus schlechtere Optionen der Urlaubsgestaltung ein. Vor allem bei solch einem Programm. Ok, Mozart war auch mit von der Partie – aber was ist heutzutage schon perfekt.

Das Wetter und der Cappuccino im Café schräg gegenüber waren es jedenfalls ohne Frage, danach ging es in die Tourie-Gewusel-freie Kühle des barocken Gotteshauses. Hier durften sich dann auch empfindliche Naturen umsorgt fühlen, schließlich warb man auf Plakat und Handzettel ausdrücklich damit, daß man auf „heated“ Plätzen der Gemütlichkeit freien Lauf lassen könne – Ob allerdings mit der vor allem klanglichen Kaminfeuersimulation durch mehrere um das Gestühl platzierte Heizstrahler die akustisch beste Lösung gefunden wurde, bleibt wahlweise dem sicher erwärmten Herz des Besuchers oder eben seinen beknisterten Ohren überlassen.

Aber genug der Unkerei, schließlich bot man ein mehr als hörenswertes Konzert auf hohem technischen Niveau mit einer sehr intelligenten, weil dramaturgisch perfekt ausgefeilten Programmabfolge. Natürlich kam die eher kleine Barockorgel bei den Kollegen Boëllmann und Franck, oder auch bei den Steigerungen in der Bach-Passacaglia an ihre Grenzen, aber das lebendige Balance-Spiel dynamischer Kontraste zog sich dennoch als eindringlicher roter Faden durch eine inspirierte Stunde Orgelmusik vom Feinsten. Zudem die Wahl der Werke eben nicht nach billiger Überwältigungstaktik erfolgte, sondern eindeutig die Stärken des zierlichen Instruments berücksichtigte, mehr noch, sie optimal zur Geltung brachte.

Sei es im dritten Satz der Boëllmann-Suite, in den ruhigen Passagen der Mozart-Fantasie oder den sich per se äußerst zurücknehmenden Brahms-Vorspielen – Der Herr an den Tasten fand immer wieder Gelegenheit, in zartem Singen und Klingen den feinen, edlen Charakter der Orgel ins beste Licht zu rücken. Teilweise fühlte man sich an Fernorchester, dann wieder an silbrig rauschendes Wasser erinnert. Und nicht, daß ich mißverstanden werde, da kam schon auch Einiges an Gewalt aus dem beschaulichen Kasten, gerade etwa in der Passacaglia, wo der Bassbereich verblüffte oder im triumphierenden Franck-Finale, das als nicht enden wollende Klimax regelrecht zelebriert wurde. Als Zugabe improvisierte der Organist noch eine Weile munter vor sich hin (auf Nachfrage über kein bestimmtes Thema, Zitat: „Jedenfalls nicht, daß ich wüßte ...“) und brachte das Konzert im Cluster-Fortissimo zu einem effektvollen Abschluß mit Augenzwinkern.

Fazit: Aushänge über Orgelkonzerte finden sich in Prag an fast jeder Kirchentür, Handzettel werden offensiv treppauf treppab auf den Straßen verteilt. Ist das Touristenfängerei? Aber sicher! Muß man um sein musikalisches Ethos fürchten, einer solchen auf den Leim gegangen zu sein? In der Neruda-Gasse sicher nicht!