6. Oktober 2014

Orgelkonzert – Gábor Szotyori Nagy.
St. Stephans-Basilika Budapest.

19:00 Uhr, freie Platzwahl



Tomaso Albinoni – Adagio
Wolfgang Amadeus Mozart – Ave verum (Lívia Scheer – Sopran)
Johann Sebastian Bach – Preludium und Fuge C-Dur
George Bizet – Agnus Dei (Lívia Scheer – Sopran)
Johann Sebastian Bach – Air
Franz Liszt – Choral
Charles Gounod – Ave Maria (Lívia Scheer – Sopran)
Johann Sebastian Bach – Toccata und Fuge in d-Moll


Beeindruckende Klänge erfüllen ein beeindruckendes Bauwerk – die Orgel der Budapester Stephans-Basilika kann sich mehr als hören lassen. In stimmungsvoll illuminiertem Ambiente fand sich eine bunte Schar auf knarziger Bestuhlung ein, um unter der majestätischen Kuppel einer Art Schlagerparade der Orgelliteratur beizuwohnen. Wobei ich grundsätzlich nichts gegen ein solch populäres Programm einzuwenden habe – manche Stücke sind eben einfach unkaputtbar. Außerdem sind wir hier ja nicht im Orgelseminar, sondern lösten mit dem Ticket gleichsam die Gewißheit auf eine knappe Stunde touristengerechter Erbauung.

Zum Eingrooven also das Werk, mit dem sich Albinoni – wohl ganz ohne sein eigenes Zutun – in der Musikwelt abseits der Katzendarmsaitenliebhaber einen Namen gemacht hat. Hat der Herr Giazotto schon ganz nett hinbekommen, nicht nur das mit dem lukrativen Etikettenschwindel, sondern auch rein musikalisch betrachtet. Im weiteren Verlauf des Konzerts wird der Klang des wunderbaren Instruments dann bei Mozart, Bizet und Gounod(/Bach) um die Stimme von Frau Scheer ergänzt – fein und lieblich, wenn auch nicht restlos intonationssicher.

Die Höhepunkte des Programms markieren für meinen Geschmack allerdings ohnehin die Werke Bachs und der Liszt-Choral. Obwohl der Organist das Air mit einem solch eigenwilligen Rubato versieht (ich unterstelle jetzt einfach mal Absicht), daß bei dem wechselseitigen Stocken und Eilen kein rechter Fluß aufkommen will. Wen kümmert’s, sorgt doch spätestens die gewaltige Klangfülle aus der Feder Liszts für Gänsehaut. Die dynamischen Kontraste, bekrönt von schichtend türmenden Harmonien, welche einen Dom im Dom entstehen lassen – das mag unter dem Strich vielleicht nicht gerade subtil daherkommen, aber meine Stimme hat der alte Tastenfuchs.

Den würdigen Abschluß bildet lustigerweise wiederum ein Stück – um den Bogen zum Anfang zu schlagen – dessen Urheberschaft Anlaß zu Diskussionen bietet. Wobei sich das bei Bachs Evergreen eigentlich verbietet – all die mutmaßlich falsch gedruckten Tonträger-Booklets, Nennungen in Filmabspannen und YouTube-E-Gitarren-Transskriptionen – wär doch schade. Aber eine knallharte Wikipedia-Recherche später sieht es nach Entwarnung aus: Mittlerweile scheint man den Reißer doch wieder dem Thomaskantor zuzurechnen. Bach oder nicht, das Opus fetzt und kann auch heute wieder seine volle Wirkung entfalten.

Köpfe drehn sich ehrfürchtigen Blickes gen Empore, braver Beifall, noch schnell ein paar Erinnerungsfotos, dann kann es weitergehen auf der Tour durch eine Stadt, die durchaus mit allen Sinnen zu gefallen weiß.