17. Dezember 2015

Hamburger Camerata – Gustav Frielinghaus. Laeiszhalle Hamburg.

20:00 Uhr, Parkett links, Reihe 11, Platz 1



Johan Sebastian Bach – Brandenburgisches Konzert Nr. 5 D-Dur BWV 1050
Géza Frid – Divertimento für Streichorchester op. 11
Johan Sebastian Bach – „Jauchzet Gott in allen Landen“ Kantate für Sopran, Trompete, Streicher und Basso continuo BWV 51

(Pause)

Antonín Dvorák – Romanze für Violine und Orchester f-Moll op. 11
Antonín Dvorák – Streicherserenade E-Dur op. 22
Zugabe: Franz Schubert – Salve Regina in A-Dur, D 676

(Gustav Frielinghaus – Violine und Leitung, Katharina Persicke – Sopran, Henrik Wiese – Flöte, Christoph Semmler – Trompete, Albrecht Schmid – Cembalo)



Was genau qualifiziert eigentlich ein Konzert zum „Festlichen Weihnachtskonzert“? Der Umstand, daß es kurz vor Weihnachten stattfindet? Ein besonders festliches Programm (wobei dann noch eine Definition für „festlich“ ausstünde)? Der beherzte Einsatz von Solotrompete, am besten in einem Stück von Bach – wenn sich schon aus kapazitären Gründen der Einsatz des beinahe obligatorischen Weihnachtsoratoriums verbietet? Ok, ok, blöde Frage, blöder Einstieg. War nur so eine Überlegung, ob es nicht vielleicht mal interessant wäre, ein solches Konzert derart programmatisch zu schnüren, daß es von einem roten Weihnachtsfaden ebenso ungewöhnlich wie zwingend – dabei gern auch festlich – zusammengehalten wird, wie man es von manch ambitionierten Konzeptionen der laufenden Saison kennt (vgl. „Song of Night“ (Link)).

Aber genug davon. Auf der Habenseite steht ein angenehmer Abend hoher musikalischer Güte, abwechslungsreich und stimmungsvoll. Die Hamburger Camerata zeigt sich einmal mehr als Klangkörper, dem man seine Ohren getrost anvertrauen darf. Einzig auf interpretatorische Feinheiten, wie sie mich noch im letzten Konzert begeisterten, musste heute in Ermangelung eines entsprechenden Gestalters am Pult verzichtet werden. Nicht, daß der Konzertmeister die Sache nicht zusammenzuhalten wußte, nur hätte die Ausführung insgesamt hier und da noch etwas nuancierter und somit spannender ausfallen können, gerade auch weil das Programm selbst eher konventionellen Charakters war.

Sämtliche Solisten zeigten eine tadellose Leistung, mir persönlich ist insbesondere das virtuose Spiel des Cembalisten während der Kadenz in soghafter Erinnerung geblieben. Frau Persicke besitzt eine schöne Stimme, deren Volumen und Timbre allerdings in einem Stück wie dem als krönende Zugabe gewählten Salve Regina mit seinen langen Bögen und innigen Momenten, der ganzen Anforderung an Phrasierung überhaupt, deutlich besser zur Geltung kommen, als im wendigen Koloraturgalopp der Kantate.

Fazit: Ende gut, alles gut. Auf ein musikalisches 2016!

6. Dezember 2015

Fidelio – Thomas Dorsch. Theater Lüneburg.

19:00 Uhr, Parkett rechts, Reihe 15, Platz 7



Nachdem sich die erste Irritation über eine, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftige Akustik gelegt hatte, die neben einigen Unsicherheiten die Wirkung der Ouvertüre doch arg minderte, sollte sich alles – dem Vorbild der Handlung gemäß – im Laufe des Abends doch noch zum Guten wenden.

Das Theater Lüneburg mag baulich nicht gerade das Opernhaus meiner Träume sein, die Beiträge der Mitwirkenden ließen diesen Abstecher in die Heide dennoch zu einer lohnenswerten Neuentdeckung im doppelten Sinne werden. Denn es galt nicht allein das Haus, sondern gleichermaßen das Werk kennenzulernen – stellte Fidelio doch bislang eine der prominentesten Bildungslücken in meinem Repertoire dar. Und ich muß es noch einmal betonen: Auf solche Weise ein Stück zum ersten Mal live präsentiert zu bekommen, ist schon ein erfreulicher Umstand (Ich denke mit Schaudern an den vermurksten Erst-Freischütz in Darmstadt zurück (Link)).

Unvergängliche Musik ist das eine, eine vernünftige Inszenierung aber ebenso dringlich für einen Abend, der im Gedächtnis bleibt – positiv wohlgemerkt. Zum Gegenteil reicht meist schon ein verhunzter Faktor aus. Keine Spur davon in Lüneburg. Die musikalische Seite war mit einer ordentlichen Orchesterleistung und gutem Ensemble mehr als brauchbar aufgestellt, hinzu kam eine ebenso reduzierte wie schlüssige Inszenierung, die den Kern des Werkes in einfachen, gleichsam vorbildlich fasslichen Bildern transportierte.

Die Geschehnisse auf einer vorgelagerten, den Orchestergraben bedeckenden Bühne spielen zu lassen, umringt von den Choristen, die gleichzeitig als Mitwirkende wie Zuschauer in Erscheinung traten, sorgte für eine interessante Fokussierung angesichts eines ansonsten weitgehend auf Requisiten verzichtenden Bühnenbildes. An einer Stelle wurde gar eine Zuschauerin in die Handlung integriert, indem sie der schwärmerischen Marzelline beim Zusammenlegen der Laken half – ob einstudiert oder nicht, eine schöne Idee, um stellvertretend die Zuschauer insgesamt (emotional) zu involvieren.

Und auch sonst überzeugte der kammerspielartige Zugang. Große Oper entsteht eben nicht immer aus der Größe der eingesetzten Mittel. Ein Bügelbrett und ein Korb mit Wäsche lassen die heimische Stube erstehen, zwei Leitern markieren den Raum, der den Inhaftierten für ihren Gang im Gefängnishof bleibt. In der Kerkerszene braucht es nur ein, zwei aufgestemmte Bretter der Bühne und den Einsatz einer Schaufel durch Rocco, um das beklemmende Ausheben des Grabes darzustellen. Dazu einfache, nicht historisierende Kleidung.

Auch wenn mancher diese Inszenierung auf den ersten Blick vorschnell als konservativ oder (zu) unambitioniert abtun könnte – sie ist es nicht, zeigt sich der Einfallsreichtum hier nur eher in Details und kleinen Gesten. Die Todesmasken der Wärter, Don Pizarro mit geschwärzten Augenhöhlen daran anknüpfend. Der buchstäblich an allen Vieren gefesselte Florestan, dessen letzte Fessel auch nach seiner Freilassung nur Leonore selbst zu lösen vermag. Wie den eben noch grimmigen Wachen Blumen als Friedenszeichen in die Gewehrläufe gesteckt werden. Kleine Taten mit großer Wirkung.

Eigentlich ein prima Fazit, aber jetzt habe ich doch die Musik ein wenig zu kurz kommen lassen. Vielleicht mehr noch als der überbordende Jubel des Finales haben mich die leisen Töne des Werkes von seiner Schönheit überzeugt. Der samtig-zarte Einsatz der Streicher in Verbindung mit dem versonnenen Beginn des Quartetts im 1. Akt durch die verliebte Marzelline entfaltete hier und heute eine geradezu betörende Wirkung, wobei sich die Liste derartiger Beispiele problemlos fortsetzen ließe. Jene ruhigen Stellen scheinen auch die Stärke des Herrn Dorsch zu sein, zumindest trat hier immer wieder eine besondere Qualität zum Vorschein, wo sich im Übrigen ein eher unauffällig dienlicher Eindruck ergab.

Von den Sängern möchte ich die beiden Damen besonders hervorheben, da jede auf ihre Art gerade in den bereits angesprochenen innigen Momenten der Partitur für die Höhepunkte an Ausdruck und Klangschönheit sorgten. Herr Kratz gab nicht nur mit stimmlicher Schwärze und Härte, sondern auch darstellerisch einen glaubhaft dämonischen Don Pizarro. Insgesamt wies das gesamte Ensemble keine wirkliche Schwachstelle auf, eine sehr ansprechende Gesamtleistung, zumal für ein Haus dieser Größenordnung.

Somit das eigentliche Fazit: Ganz im Geiste des schmucken Städtchens präsentiert sich auch sein Theater – Klein aber fein. Wiederholungsbesuche wohl mehr als wahrscheinlich.


Ludwig van Beethoven – Fidelio
Musikalische Leitung – Thomas Dorsch
Inszenierung – Hajo Fouquet
Bühnen- und Kostümbild – Stefan Rieckhoff
Dramaturgie – Friedrich von Mansberg

Don Fernando – Volker Tancke
Don Pizarro – Ulrich Kratz
Florestan – Karl Schneider
Leonore – Sonja Gornik
Rocco – Dariusz Niemirowicz
Marzelline – Franka Kraneis
Jaquino – Timo Rößner
Erster Gefangener – Alexander Panitsch
Zweiter Gefangener – Steffen Neutze

Haus- und Extrachor
Mitglieder des Jugendchores der Musikschule
Statisterie
Lüneburger Symphoniker