3. April 2016

Hamburger Symphoniker – John Axelrod.
Laeiszhalle Hamburg.

19:00 Uhr, Parkett rechts, Reihe 12, Platz 5/6



Kurt Weill – Suite aus der Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“
Aaron Copland – Konzert für Klarinette, Streicher, Harfe und Klavier
(Sebastian Manz – Klarinette)
Zugabe: George Gershwin – Walking the Dog
(Sebastian Manz – Klarinette)

(Pause)

Antonin Dvořák – Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 „Aus der neuen Welt“



Es geht durchaus auch mal ohne den Chef – das ist die Erkenntnis des heutigen, großartigen Konzertabends mit den Hamburger Symphonikern. Diesmal oblag es John Axelrod als energisch zu Werke gehendem Gast, die bewährten Vorzüge meines Hamburger Lieblingsorchesters zur Geltung zu bringen. Dem Amerikaner gelang es, Kraft seiner federnd-straffen, dabei jederzeit umsichtig-differenzierten Herangehensweise, sowohl die eher selten in Konzertgefilden anzutreffenden Stücke vor der Pause, als auch das altbekannte Dvořáksche Dickschiff frisch und mitreißend zu präsentieren.

So unumstößlich die Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ zu meinen Favoriten gehört, hatte ich mir von der daraus entnommenen Suite im Vorwege doch mehr erhofft. Die unverbundene Abfolge zweifellos prägnanter, allerdings jeweils sehr knapp behandelter Episoden ermöglicht allenfalls einen schlaglichtartigen Einblick in diese großartige, reichhaltige Partitur, deren Heterogenität in solcher Darreichungsform weniger für Abwechslung, sondern eher für eine gewisse kurzatmige Zusammenhanglosigkeit sorgt. Erst die Umsetzung des Finales im letzten Satz nimmt sich die nötige Zeit, um die Energie musikalischer Entwicklung auch in Miniaturform auszuleben. Interessant aber die Bearbeitung an sich, in der die Gesangs- und damit in der Regel auch Melodiestimmen den Bläsern übertragen wurden – mit Ausnahme des Alabama-Song-Themas, welches die Violinen intonieren. Die Darbietung selbst ließ, ungeachtet der für mich gewöhnungsbedürftigen Form, keine Wünsche offen.

Das gleiche gilt für das, allerdings in jeder Hinsicht formvollendete, Klarinettenkonzert Coplands, bei dem sich zum bestens aufgelegten Klangkörper Herr Manz mit seinem überragenden Spiel gesellte. Jenes sollte gleichermaßen für den gesanglichen, nachdenklich-ruhigen Fluss des ersten, mit seinem ein wenig an Mahler erinnernden Seufzermotiv, als auch für die vertrackte, von Jazz-Elementen durchzogene Hatz des zweiten Satzes die ideale Sprache anführen. Schade, daß Coplands Werke, seine Sinfonik wie auch seine Kammermusik, hierzulande in den Programmen rar gesät sind – zählen sie für mich doch zum Schönsten, das die klassische Musik des 20. Jahrhunderts zu bieten hat. Die ebenso schelmisch durch den sympathischen Hannoveraner angekündigte wie umgesetzte Gershwin-Zugabe bestätigte den wahrlich aufhorchen lassenden Eindruck des Solisten.

Alles andere als gewöhnlich gestaltete Axelrod dann in der zweiten Konzerthälfte das Gewohnte. Durchweg flotte Tempi, die auch das Largo nicht der Gefahr einer schwulstigen Verkitschung aussetzten, sondern edel und erhaben zu fließen gestatteten, kamen einer erfreulich knackigen, forsch drängenden Interpretation zugute. Genau die Herangehensweise, die Dvořáks rhythmische Vitalität und melodischen Erfindungsreichtum am besten zur Geltung bringt. Süße Melodien brauchen keinen Zuckerguss, Romantik keinen Schmalz. Was nicht heißen soll, dass man das Largo nicht auch weitaus langsamer dirigieren kann – es braucht halt, wie immer, ein entsprechendes Gesamtkonzept. Die Konzeption Axelrods jedenfalls brachte diesen Klassiker regelrecht zum Strahlen. Wucht gepaart mit Präzision, ausgekostete Spannungsbögen, schließlich eine fulminante Entladung im Finale, welche buchstäblich mitriss.

Das beste Konzept am Pult trägt ohne engagierte Musiker keine Früchte. Natürlich bin ich immer wieder in freudiger Erwartung, wenn interessante Gastspiele namhafter Orchester in der Hansestadt anstehen, an Abenden wie diesen verlasse ich die Laeiszhalle allerdings in der wohligen Gewissheit, meine musikalische Versorgung durchaus auch allein mit den Hamburger Symphonikern bestreiten zu können. Was die Elbphilharmonie ab dem nächsten Jahr zu meinem Seelenheil beitragen wird, steht, bei aller Vorfreude, noch in den Sternen – auf das Residenzorchester der Laeiszhalle ist heute Verlass und wird es bleiben.