9. April 2018

Gustav Mahler Jugendorchester – Vladimir Jurowski.
Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 3, Platz 13



Béla Bartók – Konzert für zwei Klaviere, Schlagzeug und Orchester Sz. 115
(Tamara Stefanovich – Klavier, Pierre-Laurent Aimard – Klavier)

(Pause)

Dmitri Schostakowitsch – Sinfonie Nr. 8 c-Moll op. 65



Ich kann mich nicht erinnern, mit dem Bartók-Konzert zuvor jemals in Berührung gekommen zu sein, weder ausschnittsweise und ganz sicher nicht zur Gänze. Auch wenn ich kein ausgemachter Bartók-Fan bin, schaffen es seine Werke doch immer wieder, mich von der fraglosen Meisterschaft zu überzeugen, die ihnen in Sachen Konzeption oder Instrumentation innewohnt. Die persönliche Premiere heute war dann aber schon eine ungewohnt harte Nuss, zumal meine Konzentrationswilligkeit durch einen notorischen Nasenschnaubling arg auf die Probe gestellt wurde. Nichts desto trotz vermute ich, dass sich das Stück bei wiederholtem Studium sehr wohl, von einigen überaus interessanten Stellen – insbesondere im dramatischen ersten und ruhigen zweiten Satz – ausgehend, zu einem spannenden Ganzen für mich entwickeln kann. Auch gerade aufgrund der klanglichen Nähe zur sehr geschätzten Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta.

Nach der Pause tritt Herr Jurowski dann tatsächlich den unrühmlichen Beweis an, dass Schostakowitsch auf 13 E kein Garant für akustische Wonnen sein muss. Wenn das Konzert ein Gutes hatte, dann in der Vergewisserung, wie sehr mich diese Musik doch gleichermaßen fasziniert wie bewegt– nur leider nicht heute mit diesem Orchester unter dieser Leitung. Vielleicht lag es mit an der über das vorgeschriebene Maß angewachsenen Besetzung (unter anderem 10 Kontrabässe, jeweils vier Trompeten und Posaunen statt der notierten drei; fünf (?) statt vier Hörner etc.), dass das Klangbild sehr häufig die Schwelle zum Lärm ohne fokussierten Effekt überschritt. Aber auch wenn man das Orchester nach der Devise „alle kommen dran“ aufstellt, um möglichst vielen der jungen Leute das gemeinsame Erlebnis zu ermöglichen, sollte man als Dirigent schon ein Gespür dafür haben, wann man den Bogen überspannt. Zumal als designierter Petrenko-Nachfolger in München – nach dieser Leistung blicke ich noch wehmütiger auf das Jahr 2021. Dass man das Gustav Mahler Jugendorchester in der Elbphilharmonie durchaus glänzen lassen kann, hat Ingo Metzmacher im letzen Jahr (Link) bewiesen, heute lassen sich die Eindrücke eher unter gehobenes Mittelmaß zusammenfassen.

Die Defizite im Detail: Die Streicher enttäuschten am meisten – kein Samt, schwache, uninteressante Klangfarbe. So fällt beispielsweise die schwebende Begleitung des Englischhornsolos im ersten Satz ungewohnt nichtssagend aus, keine Spur von Transzendenz. Beim ruppige Beginn des dritten Satzes ist die Artikulation durchaus zupackend, dabei dennoch fahl. Zudem man nicht immer als Einheit auftritt – in diversen Momenten sind die ersten Violinen nicht zusammen. Die Holzbläser mit ihren bittersüßen Soli bleiben unauffällig, das Blech wirkt präsent, jedoch mit einer vulgären Note – könnte eigentlich als Kompliment gemeint sein, in der Wirkung heute allerdings eher forciert/plump. Die Posaunen trotzdem mit einigen beeindruckenden Momenten.

Nun zu Jurowski: das Hauptproblem mit ihm ist, dass er viel zu schnell zu laut wird, eine dynamische Differenzierung der Steigerungen und Ausbrüche findet kaum statt. Vielleicht sollte ihm jemand sagen, dass der überfallartige Einsatz von schierer Lautstärke nicht als Dramaturgie zählt, zumindest nicht als intelligente. Im Ergebnis bekommt das Orchester die Kraft nicht auf die Straße, der Druck fehlt, die kolossalen Höhepunkte zerfasern in Krach. Des weiteren herrscht auch strukturell eher Einheitsbrei vor. Ich hätte nicht gedacht, dass man die Sogwirkung, die die stetige Entwicklung und unentrinnbare Steigerung des Kopfsatzes bietet, verfehlen könnte – doch, kann man.

Der zweite Satz ist einfach nicht präzise genug vorgetragen, die Artikulation nicht bissig genug – Jurowski verwechselt das allenfalls mit trockener Härte, dennoch bleiben Klangbild und Ablauf wischiwaschi. Dem maschinenhaften Beginn des dritten Satzes fehlt es ebenfalls an Schneid. Weniger Haudrauf, mehr Daumenschraube wäre gefragt. Hier und da greift der Herr Maestro dann doch dynamische Kontraste auf (Largo), aber selbst dann bleibt alles nur an der Oberfläche. Wenn Musik wie diese, die ungleich mehr als nur Musik ist, zu sehr nach Handwerk mieft, dann verliert sie ihre Fähigkeit, ein Stück Menschsein zu transportieren. Das heutige Konzert war ein Paradebeispiel, wie man diese Anklage gegen Leid, Unterdrückung und Unbarmherzigkeit zur leeren, lärmigen Hülle verkommen lassen kann. Ich bereue es zutiefst, diese Misshandlung in Ermangelung der Fähigkeit, sich einfach in Luft aufzulösen, erduldet haben zu müssen.