28. September 2019

Falstaff – Fabrice Bollon.
Theater Freiburg.

19:30 Uhr, 1. Rang Mitte links, Reihe 5, Platz 160



Meinen zweiten Ausflug ans Breisgauer Theater habe ich leider weder rechtzeitig schriftlich gewürdigt, noch mir durch Notizen das Leben anderweitig erleichtert. So bleibt mir nun, beinahe 3 Jahre später, nur noch festzuhalten, dass mir seinerzeit Produktion und musikalische Leistung definitiv sehr zugesagt hatten – so viel ist zumindest haften geblieben. Was sonst bleibt sind Fetzen der Erinnerung an ein Bühnenbild mit gediegenem Wohnzimmer, 50er oder 60er vielleicht, bei dem die Protagonisten teilweise lange Blicke in Schränke und dergleichen tätigten, sowie eine Szene mit Falstaff im Unterhemd in einem Waschkeller. Nicht viel, aber genug Nachhall im Herzen, um diesen Abend als Gewinn abgespeichert zu wissen.


Falstaff
Komödie in drei Akten
Musik – Giuseppe Verdi
Text – Arrigo Boito nach William Shakespeares "Die lustigen Weiber von Windsor" und "Heinrich IV"

Musikalische Leitung – Fabrice Bollon
Regie – Anna-Sophie Mahler
Bühne – Duri Bischoff
Kostüme – Nic Tillein
Licht – Michael Philipp
Dramaturgie – Heiko Voss
Chorleitung – Norbert Kleinschmidt

Sir John Falstaff – Juan Orozca
Ford – Martin Berner
Fenton – Joshua Kohl
Doktor Cajus – Roberto Gionfriddo
Bardolfo – Junbum Lee
Pistola – Rossen Krastev
Alice Ford – Irina Jae-Eun Park
Nannetta – Samantha Gaul
Quickly – Anja Jung
Meg Page – Inga Schäfer

Philharmonisches Orchester Freiburg
Opernchor des Theater Freiburg

19. September 2019

Klavierabend – Igor Levit.
Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich B, Reihe 2, Platz 5 



Ludwig van Beethoven – Sonate Fis-Dur op. 78
Ludwig van Beethoven – Sonate Es-Dur op. 7

(Pause)

Ludwig van Beethoven – Sonate E-Dur op. 14/1
Ludwig van Beethoven – Sonate G-Dur op. 14/2
Ludwig van Beethoven – Sonate Es-Dur op. 81a »Les Adieux«

Zugabe:
Schubert?



So sehr ich Igor Levit und die Möglichkeit schätze, ihn live unter perfekten akustischen Bedingungen hören zu dürfen, so frustrierend ist es unweigerlich, die mögliche Perfektion des Auftritts durch eine von schwachen, unmusikalischen Menschlein induzierte mittelprächtige Atmosphäre beschmutzt zu wissen. Abgesehen davon, dass mir das Programm gestern (Link) einfach auch mehr zugesagt hat als jenes heute, hätten mir die bekannt-berüchtigten Komponenten aus der Konzertfolterkammer ohnehin jeden Abend verleidet. Hörgeräte-Fiepsen (offenbar gerade wirklich im Trend), Rumgehuste, allgemeine Unruhe – einfach kein Umfeld für Kunst dieser Güte. Auch wenn es hart klingt, die übrigen Konzerte von Levits Sonaten-Reihe werde ich mir getrost schenken und lieber zu seiner Gesamteinspielung ins CD-Regal greifen. Meine Nerven werden es mir danken.

18. September 2019

Klavierabend – Igor Levit.
Elbphilharmonie Hamburg

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich B, Reihe 5, Platz 5



Ludwig van Beethoven – Sonate f-Moll op. 2/1
Ludwig van Beethoven – Sonate As-Dur op. 26

(Pause)

Ludwig van Beethoven – Sonatine G-Dur op. 79
Ludwig van Beethoven – Sonate C-Dur op. 53 »Waldstein-Sonate«

Zugaben:
Dmitri Schostakowitsch – bizarrer Walzer?
Rodion Schtschedrin – Humoresque



Warum reagiere ich eigentlich so allergisch auf jenen Laut, den manche Teile gern unmittelbar nach jenen Stücken von sich geben, deren Charakter, oder zumindest deren Schluss ihnen offenbar irgendwie drollig vorkommt? Über die Existenz von Humor in der Musik lässt sich ja streiten, aber meist reichen ohnehin zwei, drei hingetupfte Akkorde oder Töne, um diesen Reflex auszulösen. Das Ende der G-Dur Sonatine zum Beispiel hatte heute für mich persönlich wenig Beschmunzelnswertes, sie verklingt einfach delikat. Vielleicht ist es aber auch vielmehr das produzierte Geräusch selbst, das meine Abscheu erregt. Eine Art Kombination aus Schnauben und parallel dazu vollführten, kurzen Tonabgabe, als habe man gerade eine witzige Anekdote realisiert. Es wohnt diesem Reflex etwas ungeahnt Naives, ja Unschuldiges, aber leider auch unsagbar Tumbes inne, dass es mich jedes Mal aufs Neue erschaudern lässt. Aber was weiß denn ich – ein Hoch auf die einfachen Freuden!

Viel wichtiger: Ein Hoch auf Igor Levit, den ungezwungenen Tastengott, der sich auch durch die dümmsten und strategisch ungünstigsten Störaktionen der schlichten Gemüter unter uns nicht aus der Ruhe und dem Fluss bringen lässt. Faszinierend, wie dieser ohnehin mit einer ungemein sprechenden Mimik beim Spiel zu erlebende Künstler quasi im Vorbeigehen, im vollen Lauf seines unüberbietbaren Vortrags ärgerliche Huster, Niesanfälle und Dergleichen mit äußerst vielsagenden Seitenblicken quittiert. Ganz so als huschte – wohlgemerkt zeitgleich zur Berserkerkonzentration auf Beethoven – ein Gedanke vorbei wie: „Hab ich schon gemerkt, Du Penner, dass Du gerade diese schöne Stelle verhusten musstest ...“

Es ging ja gleich gut los. Ein gut hörbarer Fotoauslöser-Ton direkt als Levit beginnen wollte, gefolgt von der fast schon Elphi-obligatorischen Handy-Bombe. Kopfschütteln und bitteres Schmunzeln des Solisten, Gelächter im Saal – darauf ein in den Saal gelittenes „Nicht lustig!“ eines empörten Empörers – was wiederum von Levit mit dem kurz angetäuschten Nokia-Klingelton quittiert wurde. Bis dann doch Beethoven zu seinem Recht kam. Und wie.

Auch dem Nicht-Beethoven-Experten wird hier schnell klar, dass er einem ganz besonderem Vortrag beiwohnen darf. Dieser Anschlag im Adagio der 1. Sonate! Diese Bandbreite der Dynamik und des Ausdrucks! Dabei sind die beiden Stücke vor der Pause gar nicht so meins, am ehesten der Kopfsatz der Nr. 12, da Variationssatz. Aber letzen Endes kommt es heute nicht auf Vorlieben und dergleichen an, Levit spielt wie vom anderen Stern. Der Kontrast im Ausdruck vom zweiten zum dritten Satz der Sonatine op. 79 – unglaublich. Und dann der unbestreitbare Höhepunkt des Abends, vielleicht der pianistischen Saison überhaupt: Die Waldstein-Sonate. Starkstrom, Drive, Gewalt und Zartheit im 1. Satz, tiefste Auslotung im Folgenden. Besser geht es nicht. Doch – im Finale: Der Übergang dahin gehört zum Herzerwärmendsten, das ich je jemanden einem Flügel entlocken hörte. Dieses fast schon penetrante, unbeirrbare Singen, erst ganz behutsam, wie es immer wieder bittersüß nach Moll gezogen wird, in einen triumphalen, in berührender Weise gleichzeitig melancholischen Schluss mündend. Himmlisch!

Mit den beiden Zugaben legt Herr Levit dann noch mal eine Transfer-Schippe drauf – meinen Respekt und Dank auch für diese Horizonterweiterung.