30. Januar 2014

Hamburger Symphoniker – Rafael Payare.
Laeiszhalle Hamburg.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 3, Platz 15



Johann Sebastian Bach – Sarabande (Partita Nr. 2) (Guy Braunstein)

Ludwig van Beethoven – Leonoren-Ouvertüre Nr. 3
Johannes Brahms – Doppelkonzert für Violine und Violoncello (Guy Braunstein, Alisa Weilerstein)
Zugabe: Johan Halvorsen – Passacaglia für Violine und Viola über ein Thema von Händel

(Pause)

Johannes Brahms – Sinfonie Nr. 1



Ein Konzert direkt mit einer Zugabe zu beginnen, ist doch eine eher ungewöhnliche Herangehensweise, in diesem Falle jedoch zudem eine mit traurigem Hintergrund: Guy Braunstein gedachte mit der Sarabande seinem kürzlich verstorbenen Freund und Mentor Claudio Abbado – und verbat sich im Anschluß folgerichtig den verdienten Applaus für seinen innigen Vortrag.

Die Leonoren-Ouvertüre förderte danach zwei Erkenntnisse zu Tage: Die Hamburger Symphoniker haben sich – auch unter „fremdem“ Dirigat – als Spitzenorchester etabliert, das Vergleiche mit hiesigen und anderen Institutionen nicht nur nicht zu scheuen braucht, nein vielmehr Kraft seines eigenen Charakters zum Besuch reizt. Warum ich mir die Hamburger Symphoniker anhöre? Weil ich die Hamburger Symphoniker hören möchte. Dieses Orchester. Diese Klangausprägung in den einzelnen Stimmen, angefangen bei den samtigen, warmen, dabei nie stumpfen Streichern bis hin zum krönenden Blech. Ein runder Klang, je nach Handhabung transparent oder satt, dabei stets präsent, farbig, und eines nie: langweilig oder nichtssagend. Warum man die Hamburger Symphoniker hören sollte? Weil es einfach Freude macht, dieses Orchester zu hören. Auch – und damit komme ich zur zweiten Erkenntnis – wenn mal jemand am Pult steht, dessen Interpretation ich vielleicht nicht zur Gänze annehmen mag.

Dabei möchte ich Herrn Payare weniger dafür kritisieren, was er macht – das hat in meinen Ohren alles schon Hand und Fuß – sondern mehr dem nachspüren, was er eben nicht macht. Mir persönlich fehlte die letzte Konsequenz im Umgang mit Kontrasten, das volle Ausspielen der rhythmischen Aspekte, die, wie so oft bei Beethoven, aber auch in der Brahms-Sinfonie einen regelrechten Sog struktureller Unentrinnbarkeit entfesseln können. Nicht, daß ein falscher Eindruck entsteht: Man bot durchaus eine energische, leidenschaftliche Lesart, nach meinem Empfinden hätte ich diese Leidenschaft nur manches mal anders, vielleicht schneidiger kanalisiert gewußt.

Kanalisierte, auf den Punkt gebrachte Leidenschaft ist dann auch der Grund, warum ich das Doppelkonzert von dieser Kritik ausnehmen möchte. Beziehungsweise lieferten Herr Braunstein und Frau Weilerstein mit ihrem atemberaubenden Vortrag gleich doppelten Grund, jegliche Analysetätigkeit einzustellen und sich voll und ganz dem von ihnen entfesselten Klangrausch hinzugeben. Solch eine symbiotische Demonstration an Virtuosität und Intimität habe ich selten zuvor erlebt. Dazu Frau Weilerstein mit einem Celloklang, wie ich ihn mir in einer Enzyklopädie über Instrumente exemplarisch für dieses wunderbare Werkzeug denken würde. Und im Zusammenspiel mit Herrn Braunstein mit geradezu hypnotischer Wirkung. Die aberwitzige Zugabe dürfte dann wahrlich dem letzten Zweifler im Saal die Lackschuhe ausgezogen haben – ich zumindest war baff.

10. Januar 2014

NDR Sinfonieorchester – Juraj Valčuha.
Laeiszhalle Hamburg.

20:00 Uhr, Parkett rechts, Reihe 9, Platz 9



Zoltán Kodály – Tänze aus Galánta
Franz Liszt – Klavierkonzert Nr. 2 (Jean-Yves Thibaudet)
Zugabe: Franz Liszt – Consolation Nr. 3

(Pause)

Antonín Dvořák– Der Wassermann
Richard Strauss – Der Rosenkavalier Konzertsuite


Wäre ich ein Anhänger der Tradition, dem neuen Jahr mit persönlichen Vorsätzen zu begegnen, würde ich meine Liste nach diesem Abend vielleicht um den Eintrag ergänzen: „Möglichst nur noch Konzerte wie dieses hier besuchen“. Nun bin ich weder ein Freund von an den Jahresstart gebundenen Vorsätzen noch der Illusion verhaftet, man könne den „Erfolg“ seiner Konzert- und Opernbesuche planen – doch bin ich nicht minder erfreut über den fulminanten Start in mein musikalisches 2014.

Ein wunderbares Programm aus bekannten Werklieblingen und auf Anhieb zündenden Neuentdeckungen, dargeboten von einem NDR Sinfonieorchester in Bestform, unterstützt von einem Solisten der Extraklasse, aufs Fesselndste animiert durch ein Dirigat, das wahrhaft aufhorchen ließ. Aber der Reihe nach.

Gleich mit dem Kodály war klar, daß hier und heute nichts schiefgehen würde. Klangpracht, Spielfreude und insbesondere die fein herausgearbeiteten Dynamik- und Tempowechsel der verschiedenen Tänze bzw. deren Abschnitte vermittelten vom Start weg größte Souveränität – eben jene Kombination aus Leichtigkeit und Konzentration, die den Spannungsbogen gleichermaßen straff und geschmeidig hält.

Herr Valčuha scheint seinen Teil dazu beigetragen zu haben. Guter Mann. Den sollte man schleunigst wieder einladen. Ob Kodály, Liszt, Dvořák oder Strauss – alles gelang wunderbar transparent und differenziert ohne es bei Bedarf an Schmiss mangeln zu lassen. Ein teilweise sehr organischer, individueller Umgang mit dem Tempo fiel mir besonders positiv auf. Ich würde es als sparsam dosiertes Rubato bezeichnen, das den Fluß nie störte, sondern im Gegenteil bestimmten Passagen besonderes Augenmerk und mehr Wirkung verlieh.

Vor allem in der Rosenkavalier-Suite trat dann Valčuhas Talent zutage, im doch relativ kleinteiligen Potpourri-Wechselbad die jeweilige Stimmung der verschiedenen Szenen aus der Oper – von silbriger Verzauberung bis Walzer-Überschwang – binnen kürzester Zeit aufleben zu lassen. Ich müßte mich schon sehr täuschen, wenn jemand, der solch ein inniges Terzett mit rein orchestralen Mitteln auszuspinnen in der Lage ist, Ähnliches nicht auch in Gänze mit Ensemble vom Orchestergraben aus zu bewerkstelligen vermöchte.

Ein weiterer Vater des Erfolges findet sich in Jean-Yves Thibaudet, der im Liszt-Konzert mit atemberaubenden Girlanden und auftrumpfendem Verve einerseits sowie entrückt zarter Tastenbehandlung andererseits eine vollendete Interpretation krönte. Glücklicherweise gab er dann mit der Consolation Nr. 3 eine Zugabe, die gerade für seinen butterweichen Anschlag wie gemacht schien.

Der Dvořáksche Wassermann war mir bis dato noch nicht begegnet, die sinfonische Dichtung hat jedoch auf Anhieb – unter anderem durch das wiederkehrende prägnante Hauptmotiv – nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Auch ohne die zugrunde liegende Geschichte zu kennen, konnte man Dank des farbig-plastischen Vortrages einer Szene in Musik beiwohnen und deren Handlungsverlauf einem illustrativen Stimmungsbarometer gleich imaginieren.

Fazit: Eine durch und durch erstklassige Angelegenheit.