27. November 2011

The Turn of the Screw – Daniel Montané.
Theater Bremen.

15:30 Uhr, Parkett links, Reihe 3, Platz 12


Diese Inszenierung ist schlichtweg genial. Die Handlung als Kammerspiel in einem Raum, der, aus vier Perspektiven betrachtet – die wiederum noch in die Tiefe der Bühne gespiegelt werden – ein Kaleidoskop der aus dem Stück abgeleiteten Sichtweisen und Deutungsmöglichkeiten auffächert. Die Bühne als permanenter, zum Teil multipler Kommentar des Geschehens. So wie sich die Handlung eindeutigen Wertungskriterien entzieht, erhält die Inszenierung in ihrer – diesmal wortwörtlich ausformulierten – Vielschichtigkeit bewußt diesen Schwebezustand, deutet an und stellt Fragen, anstatt Partei zu ergreifen.

Für wen könnte man das auch? Für die Gouvernante, die, zweifellos mit den besten (wenn auch nicht ganz uneigennützigen) Absichten ihre Aufgabe antretend, sich doch vielleicht zu sehr in selbige hineingesteigert haben mag? Für Mrs. Grose, die offenbar mit ihren Aufgaben überfordert ist? Für die „ungezogenen“ Kinder – unschuldige Opfer oder doch bewußte Täter? Oder gar für die „bösen Geister“ des Stückes, die nun, ob Wahn oder Wirklichkeit, es im Leben vielleicht ja auch nur „gut gemeint“ haben – wie alle Erwachsenen in der Erzählung? Insbesondere bei besagtem Geisterpaar zeigt sich die Stärke der Regie, indem sie die beiden nicht als schauerliche Gespenster, sondern als attraktive Zeitgenossen auftreten läßt, was mancher „liebevollen“ Geste weitaus mehr Monstrosität verleiht, als es jede Theaterfratze vermocht hätte.

Worum geht es hier eigentlich? Um ein Ringen zwischen Gut und Böse? Um Kindesmißbrauch? Um Hysterie? All dies sind weniger offen ausgelegte Spuren, als vielmehr unterbewußt gesetzte Keime, die in den Köpfen der geneigten Zuschauer aufgehen und dort ein wucherndes Geäst aus Ahnungen entstehen lassen. Denn darum geht es ebenso: um den in einem jeden innewohnenden Hang zu voreiligen Schlüßen, zu Vorverurteilung und Schwarz-Weiß-Denken, zur einfachen, eindeutigen Wahrheit, die so häufig doch nur eine private ist.

Ein äußerst sensibles Dirigat, das mit ebenso feinfühlig zu Werke gehenden Musikern für eine ungemein dichte Atmosphäre sorgte, sowie ein Sängerensemble, das für exemplarische Qualität stand, ließen diesen Abend zusammen mit dem Gesehenen in seiner Geschlossenheit weit aus dem Gros handelsüblicher Aufführungen hervorstechen.


Benjamin Britten – The Turn of the Screw
Musikalische Leitung – Daniel Montané
Regie – Frank Hilbrich
Bühne – Volker Thiele
Kostüme – Gabriele Rupprecht
Licht – Christian Kemmetmüller
Choreografische Mitarbeit – Jacqueline Davenport
Dramaturgie – Hans-Georg Wegner

Der Prolog – Christian-Andreas Engelhardt
Die Gouvernante – Nadine Lehner
Miles – Fritjof Klingenberg
Flora – Tiziana Ratcheva
Mrs. Grose – Tamara Klivadenko
Peter Quint – Randall Bills
Miss Jessel – Marysol Schalit

Die Bremer Philharmoniker

26. November 2011

L’Africaine – Enrico Calesso.
Theater Würzburg.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 6, Platz 167














Das Theater aus den Sechzigern verströmt den Charme einer Gesamtschule. Klappernde Türen, ein kleiner Innenhof mit Begrünung und – Kopfsteinpflaster?! Das Gestühl scheint dem Härtegrad nach original erhalten zu sein. Aber dann die Akustik! Welch Klang in dieser tristen Hütte! Ob’s an der Laubsägearbeitenverschalung der Wände oder der spacigen Schlupp-vom-grünen-Stern-Decke liegt – egal, das Resultat gibt den Erbauern Recht. Wunderbar direkt, geradezu plastisch, knackig, trotzdem differenziert. Das hat Wumms und Klasse.

Leider kann der Klangkörper nicht mit seiner Heimstätte mithalten. So ist zumindest der erste Eindruck „Versetzung gefährdet“, zum Glück weiß Herr Calesso die offenkundigen Schwächen seines Orchesters durch Elan und Leidenschaft, aber auch Sensibilität wett zu machen. Offenbar kein schlechter Mann. Entfesselt insbesondere zu den Aktschlüssen einen regelrechten Furor, die Musiker folgen ihm dabei präzise und geschlossen.

Die Behauptung, das Orchester klänge generell nicht, läßt sich angesichts vieler wunderschöner Passagen nicht halten, manches Adagio hätte kaum schmelzreicher ausfallen können. Eigentlich jede Instrumentengruppe hat an diesem Abend ganz starke, aber eben auch schwache Momente, wobei sich bei mir der Eindruck einer stetigen Steigerung mit fortlaufender Dauer einstellte. Und noch einmal: wenn es klappt, dann klingt der Saal himmlisch, und es klappte oft.

Zu den Sängern: Auch hier sind angesichts des Spielortes keine Wunderdinge zu erwarten, wie so oft „in der Provinz“ kann man aber auch hier mit einem überzeugenden Ensemble aufwarten. Sicher gibt es auch hier Mißtöne, sollte man Vergleiche zu Aufnahmen gar nicht erst bemühen, aber unter dem Strich steht ein gelungener Abend zu Buche, der mir Meyerbeer einen weiteren Schritt näher gebracht hat. Besonders hervorheben möchte ich die Sängerin der Sélika und den Sänger des Nélusko.

Frau Leiber kommt das Verdienst zu, die Seele des Abends gewesen zu sein, sowohl mit ihrer gefühlvollen, sensiblen Lyrik als auch mit ihrer anrührenden Darstellung. Wenn sie in der Kerkerszene des zweiten Aktes mit dem Jackett ihres Angebeteten beschirmt ihren Schmerz besingt und ruhelos umherstreift, ist dies allein bereits Sinnbild dessen, was Oper zu leisten im Stande ist, warum ich Oper liebe. Adam Kim als Nélusko besitzt stimmlich und darstellerisch eben jenes Feuer, von dem im Libretto die Rede ist, da kann man ruhig mal von Idealbesetzung sprechen. Diese Kategorie kann Herr McNamarra als Vasco de Gama leider nicht erfüllen. Von Erscheinung und Auftreten her eher ungelenk als heldisch, verfügt er zwar über eine recht schöne Stimme, die in den tragenden Momenten jedoch nicht ausreicht. Ihr fehlt die Höhe, die Kraft, der Stahl, der aus einem Tenor einen Helden macht. Da hatte Erfurt mit seinem Robert ein glücklicheres Händchen. Solide reicht angesichts solch einer Rolle einfach nicht. Nathalie de Montmollin als Inès hat ihre stärksten Momente im ersten Akt, ihr zarter Sopran ist leider nicht immer intonationssicher. Paolo Ruggiero überzeugt als Don Diego und Hohepriester mit großem Organ, auch Jörn E. Werner als Großinquisitor kann sich hören lassen. Johan F. Kirsten als Don Pédro gebührt der Ehrenoscar für den blasiertesten Gesichtsausdruck auf deutschen Bühnen – scheinbar hat er nur den einen ...

Die Inszenierung ist recht konventionell mit „modernen“ Einsprengseln. Der Gang durch die drei Zeiten ist wohl der Kapitalismuskritik-Keule in den letzten beiden Akten geschuldet, trägt aber nichts zum Geschehen bei. Die Tatsache, daß die Insulaner bereits halb „zivilisiert“ erscheinen, ist als Verweis auf den Kolonialismus nachvollziehbar, mir jedoch – wie die Ölförderpumpe – als Bild zu platt. Die Nutzung der großen Wandelemente durch die Akte hindurch erfüllt wohl eher Anforderungen der Praktikabilität als der Ästhetik. Die stilisierte Exotik der „Wilden“ mit ihren Tätowierungen erscheint mir passend. Die Inszenierung hat jeweils dann ihre stärksten Momente, wenn die Hauptpersonen bei sich sind (inwiefern das für den Inszenierungsstil spricht, sei mal dahingestellt), die großen Massenszenen mit Chor sind eher eindimensional, statisch gelöst (bis hin zur „eingefrorenen“ Szene des Rats-Tumults im ersten Akts – für mich eine vertane Gelegenheit).

Alles in allem hat sich der Besuch sehr gelohnt, der Eindruck, in Meyerbeer einen neuen Bewohner im musikalischen Hausaltar gefunden zu haben, hat sich weiter verfestigt. Ich freue mich bereits auf unsere nächste Begegnung und hoffe, daß sich weitere Häuser der Pflege dieser Beziehung annehmen werden.

PS: Im Gegensatz zum Erfurter Robert scheint die Afrikanerin den Geschmack der Würzburger zu treffen, die Vorstellung war nahezu ausverkauft und umjubelt – wie ich von meiner Nebensitzerin hörte, sei die Produktion sehr beliebt. Geht doch!


Giacomo Meyerbeer – L’Africaine
Musikalische Leitung – Enrico Calesso
Inszenierung – Gregor Horres
Bühne und Kostüme – Jan Bammes
Choreinstudierung – Markus Popp
Dramaturgie – Christoph Blitt

Don Pédro – Johan F. Kirsten
Don Diego / Oberpriester – Paolo Ruggiero a.G.
Inès – Nathalie de Montmollin
Vasco de Gama – Paul McNamarra a.G.
Don Alvar – Yong Bae Shin
Großinquisitor – Jörn E. Werner a.G.
Nélusko – Adam Kim a.G.
Sélika – Karen Leiber
Anna – Anneka Ulmer
Ratsdiener – Kenneth Beal
Priester – Deuk-Young Lee
Matrose – David Hieronimi

Opernchor, Extrachor und Komparserie des Mainfranken Theaters Würzburg
Philharmonisches Orchester Würzburg



20. November 2011

Hamburger Symphoniker – Michael Francis.
Laeiszhalle Hamburg.

19:00 Uhr, Parkett rechts, Reihe 20, Platz 14


Edward Elgar – Froissart Konzertouvertüre
Franz Liszt – Die Ideale

(Pause)

Ludwig van Beethoven – Klavierkonzert Nr. 5 (Yevgeny Sudbin)

Zugabe: ???



Ein Konzert der Kategorie „Kann man machen“. Das Orchester klingt mittlerweile auch ohne seinen Chef wunderbar, wobei Tates Klasse dem Abend sicher gut getan hätte. Herr Francis fuchtelt ungestüm – wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn seine stereotypen Heumacher Wirkung gezeigt hätten. Nun gut, die Werke der ersten Konzerthälfte trugen auch wenig zur Erbauung bei. Elgar brav belanglos, Liszt zäh ermüdend. Der Programmheft-Titel „Ideale Klassik“ gerät so unfreiwillig komisch.

Natürlich hat's der gute Beethoven nach der Pause wieder rausgerissen. Sudbin wartet mit ausgesprochen flüssigem, temporeichem, perlendem Spiel auf, alles ist leicht und flink – mir liegt jedoch ein, sagen wir mal, energischerer, wuchtigerer Zugang näher. Ein zarter Anschlag befindet sich durchaus in seinem Arsenal, wird jedoch kaum oder nicht an den meiner Ansicht nach erforderlichen Stellen eingesetzt (insbesondere zweiter Satz).

Technisch sicher auf höchstem Niveau, packt mich diese Interpretation nicht wirklich. Die Zugabe macht noch einmal deutlich, worin Sudbin offenbar selbst seine Stärken sieht: schnelle Läufe. Schon schön anzuhören, mehr aber auch nicht. Womit das Motto des Abends gefunden wäre.

NDR Sinfonieorchester – Manfred Honeck.
Laeiszhalle Hamburg.

11:00 Uhr, 1. Rang links, Loge 8, Reihe 2, Platz 8


Arvo Pärt – Cantus in memoriam Benjamin Britten
Wolfgang Amadeus Mozart – Klavierkonzert KV 467 (Rudolf Buchbinder)
Zugabe: Ludwig van Beethoven – Klaviersonate Nr. 8 „Pathétique“ (Finale)

(Pause)

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky – Sinfonie Nr. 6 „Pathétique“



Die erste Hälfte des Konzerts ist rasch besprochen: Pärt ist und bleibt ein Langweiler, Mozart ödet wie eh und je, Buchbinder ist ein vorzüglicher Solist. Das wirkliche Ereignis des Konzerts aber ist Honeck, der das NDR SO im Tschaikowsky zu einer atemberaubenden Interpretation peitscht.

Sicher sind die Vorzüge des Österreichers schon in der Bildung des Streicherteppichs bei Pärt und im differenzierten Mozart-Konzert zu vernehmen, richtig Spaß macht das Ganze allerdings dann in der Kombination mit einer Musik, die ihn die ganze Palette orchestraler Möglichkeiten ausbreiten läßt.

Dabei treten erfreulicherweise die gleichen Eigenarten hervor, die Honeck bereits in den letzten Begegnungen auszeichnete: eine enorme dynamische Bandbreite, starke Kontraste in den Tempi, insbesondere ein soghaftes Anziehen des Tempos bei Steigerungen, Ausdruck, wie er differenzierter kaum sein könnte, von unerbittlich knackig bis entrückt elegisch. Honeck führt das brave Orchester zur Spitzenleistung, entlockt ihm die entsprechenden Klangfarben, befeuert im Wortsinne.

Sicher, gewisse Schwächen des Orchesters kann er als Gast nicht vollständig abstellen (Hörner und Trompeten sind einfach nicht ideal), aber diese Umstände werden zu Details degradiert, die das große Ganze nicht einzutrüben vermögen. Seit langem endlich mal wieder ein begeisterndes Konzert mit dem NDR dank des fulminanten Zugangs Honecks. Bitte möglichst häufig wieder einladen! Für mein Empfinden einer der vielseitigsten, spektakulärsten, schlichtweg besten Dirigenten überhaupt.

6. November 2011

Staatsorchester Stuttgart – Hartmut Haenchen.
Liederhalle Stuttgart.

11:00 Uhr, Parkett Eingang B, Reihe 8, Platz 38


Richard Wagner – Tannhäuser-Ouvertüre (1845/61)
Bernd Alois Zimmermann – Sinfonie in einem Satz (1947–53, 2. Fassung)


(Pause)

Anton Bruckner – Sinfonie Nr. 3 d-Moll (1873/77/91, 3. Fassung)



So schmucklos der Empfang durch die angegraute, biedere Liederhallen-Architektur auch ausfällt, ziehen mich das Orchester und die sehr brauchbare Saalakustik doch gleich von den ersten Takten an in ihren Bann. Fällt in der Tannhäuser-Ouvertüre vor allem die butterweiche, feinst intonierende Hörnergruppe auf, zeigt sich spätestens in der Klang-Achterbahn der Zimmermann-Sinfonie, aus welchem Holz das Staatsorchester Stuttgart geschnitzt ist. Ein Klangkörper ersten Ranges, der sich in dieser Form mit den Spitzenvertretern im deutschen Opernwesen messen kann und manches große Rundfunkorchester bei Weitem überflügelt.

Hinzu kommt mit Hartmut Haenchen ein Dirigent, der die Möglichkeiten in punkto Differenzierung auszuloten weiß. In allen drei Werken wartet er mit einer nuancierten Dynamikregelung auf und läßt dabei weder Biss noch Schmelz vermissen. Das Ergebnis sind ausgesprochen feine, jedoch gleichermaßen knackige Interpretationen, die meinem Faible, sich an Aufbau und Struktur eines Werkes zu erfreuen, sehr entgegenkommen.

Bei der Tannhäuser-Ouvertüre möchte ich neben der Realisierung eines gleichsam transparenten wie reichhaltigen Klangbildes vor allem das äußerst breit angelegte finale Posaunenthema hervorheben, das eine sehr starke Wirkung erzielte. Die Interpretation der Zimmermann-Sinfonie möchte ich als ideal für den Erstkontakt bezeichnen – ein Werk, das mich auf Anhieb angesprochen hat. Zartes steht neben Schärfstem, über allem schwebt ein Drohen, das einnimmt. Bruckners Dritte gehört nicht zu meinen Lieblingen, die Darbietung läßt aber auch hier nichts zu wünschen übrig.

Noch einmal zum Orchester. Alle Instrumentengruppen sind wunderbar. Die Streicher warm, die Holzbläser allesamt zart, das Blech mit vollem Pfund, die Hörner phänomenal in ihrer Ansatzlosigkeit. Es hatte sich ja schon gestern in der Oper angedeutet, unter den heutigen, akustisch klareren Bedingungen bleibt kein Zweifel, daß man in Stuttgart erstklassig beschallt wird.

Leider scheint nur der Stuttgarter an sich es dabei nicht belassen zu können, er muß selbst akustisch wirken – man schwätzt. Offenbar gern und häufig, zudem ist mir seit diesem Besuch bewußt geworden, daß auch die Vortragsanweisung „Flüstern“ landläufigem Interpretationsspielraum unterworfen ist.

5. November 2011

La damnation de Faust – Kwamé Ryan.
Staatsoper Stuttgart.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 5, Platz 137


Das Stuttgarter Staatstheater ist baulich eine Augenweide. Alles prangt in originalem (bzw. rekonstruiertem) Glanz. Wobei dieser Glanz von ganz anderer Sorte als gewöhnlich ist, die Farbgebung weicht doch sehr von allem mir Bekanntem ab. Im Saal dominieren nicht wie so häufig Rot und Gold, sondern eine Art Senfton an den Wänden und eine recht düstere Metalloptik, die mich an Blei erinnert. Diese Kombination hat was, ungewöhnlich, aber sehr interessant, weniger festlich als vielmehr ernst und erhaben. Mir gefällt’s.

Aber viel wichtiger: Die Akustik gefällt gleichermaßen. Die Sänger sind jederzeit von jeder Position aus sehr gut zu vernehmen, das Orchester ist vielleicht etwas zurückgenommen, der Klang ist aber sehr homogen, ausgesprochen warm und weich.

Das Orchester klingt sehr gut und wird von Kwamé Ryan mehr als ordentlich durch den Abend geführt. Es gibt durchaus Passagen von eindringlichster musikalischer Wirkung, die Gesamtleistung würde ich mit sehr gut benoten. Die drei Hauptrollen sind (stimmlich) stark besetzt, auch das Spiel überzeugt weitestgehend. Wobei das Pendel durchaus in beide Richtungen ausschlägt (Zum Teil overacting von Faust, durchweg starke Auftritte von Mephisto).

Die Inszenierung fußt auf der Anprangerung der aktuellen Lage in Ungarn, was anfangs irritiert bis abschreckt, im Gesamtbild jedoch durchaus seine Kraft entfaltet. Das „Böse“ im Menschlichen, im Alltäglichen, die Sehnsucht nach Abkehr von den inneren und äußeren Dämonen, all das wird als Teil des Faust-Stoffes sinnhaft behandelt. Phantasievolle Bühnenbilder, z.T. kombiniert mit Filmprojektionen, geben dem Ganzen einen wirkungsvollen Rahmen. Hervorheben möchte ich hier die wehmütige Idylle der Traumszene Fausts, in der ihm schließlich Gretchen erscheint – ein wunderbares Zusammenwirken der musikalischen sowie visuellen Stimmung.

Daß Dirigent, Regisseurin, Intendant und Sänger nach der Vorstellung für ein Publikumsgespräch zur Verfügung standen, um das – sicher von vielen als schwer verdaulich empfundene – Erlebte zu erörtern, ist ein weiterer Punkt, der für das Engagement und die Qualität des Hauses spricht. Ein perfekter Abend.


Hector Berlioz – La damnation de Faust
Musikalische Leitung – Kwamé Ryan
Regie – Andrea Moses
Bühne und Kostüme – Christian Wiehle
Licht – Reinhard Traub
Chor – Michael Alber
Dramaturgie – Thomas Wieck

Marguerite – Maria Riccarda Wesseling
Faust – Pavel Cernoch
Méphistophélès – Robert Hayward
Brander – Mark Munkittrick

Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart