2. Oktober 2011

Palestrina – Simone Young.
Staatsoper Hamburg.

18:00 Uhr, Parkett links, Reihe 2, Platz 15


Vorspiel ausinszeniert, der gebrochene Palestrina. Nur Palestrina ohne Schminke. Weiße Möbel, Federkiele, Noten, zentralperspektivisches Bühnenbild, schwarz und weiß bis zur Erscheinung der Engel, dann grün. Bedrückende Stimmung, Palestrina trinkt, hat sich aufgegeben. Tonsetzer maskenhaft, scherenschnittartig, Gesten, fratzenhaftes Lachen (stumm), Darstellung der Epochen (stilisiert).

Lukretia-Maske alles andere als albern, sehr anrührend, Augenaufschlag, gütig. Einzelner Engel setzt sich auf die Wand, anrührend, beschützend, kindlich. Der Umgang mit dem Notenpapier: zerknüllen, reichen, drohen, am Ende sortieren (Messe).Erscheinen des Kommandos sehr passend zur bedrohlichen Musik, tolle Kostüme, gesichtslos.

Insgesamt: Top Personenregie, Dialoge, Interaktion. Silla kommt gut als junger, aufsässiger Komponist rüber. Sänger: Palestrina wunderbar, lyrisch, deklamatorisch, heldisch, strahlend, Ausdruck. Borromeo: gute Stimme, schöne Klangfarbe, könnte mehr Volumen haben, darstellerisch gut. Silla gesanglich ok, etwas keifig, szenisch gut. Ighino Top, wunderbar lyrisch, zart, sensibel, im Zusammenspiel mit der sensiblen Orchesterführung phänomenal. Tonsetzer alle stark, ebenso Engel, Solisten, Lukretia, Chöre top.

Orchester bärenstark, perfekt geführt, unglaublich sensibel, nicht immer breit, aber mächtig, wo es sein muß. Und vor allem zart, lyrisch, differenziert. Leiseste Wucht, dunkelste Klangfarben, Young macht ernst, Akustik wunderbar. Grüblerisch, melancholisch, bittersüß. Trifft ins Mark, sehr tiefgehend, absolut Berlin oder München-Niveau. Streicher zartest, Blech satt und drohend, Klangfarben! Ausbruch des Kardinals!

2.Akt
Inszenierung beim Vorspiel etwas statisch, Leute stehen etwas unmotiviert rum ... Starke Inszenierung, dennoch schwächer als Frankfurt. An den Knackpunkten weniger zwingend: Lunas Lutheraner-Einladung, die Zusammenschießung der Parteien, die Wucht des Konzils, der Budoja-Scherz. Aber insgesamt alles auf sehr gutem Niveau. Schwarz, weiß, pink. Schikane von Sacher ggü. Borromeo schön deutlich, fehlender Stuhl, geleertes Weinglas. Stühlerücken in Ffm deutlicher. Schön: auftreten Morone von rechts, Sacher von links (Proszenium). Weihe Morones sehr eindrucksvoll.

Am Anfang sind Engel da, verschwinden aber vor dem Konzil. Aufwändige Kostüme, gute Interaktion der einzelnen, Tornisterfraktion urig, Fotoapparat, Touristen. Orchester nicht ganz so konzentriert, Dirigat hätte noch griffiger, schärfer sein können, aber insgesamt gut. manche Tempi ungewohnt. Ketzer werden vorgeführt - guter Einfall. Sänger: Sacher überraschend stark (stimmlich) darstellerisch eh sehr gut, alle Beteiligten gut, Luna aber deutlich zu schwach (Höhepunkt), Koch mit Abstand am besten, Wut, Eifer, Drohung, Autorität, Morone mit „kurzer“ Stretchlimo.

3.Akt
Vorspiel: inszenierte Rückkehr Palestrinas, wird von den Soldaten (unsanft) zurückgebracht. Ighino kümmert sich um ihn, Waschung, Christusbild.
Farbsynthese: grün und pink (mit schwarz). Sänger in Pink, gesichtslos, Jesusbild, Palestrina als Schmerzensmann der Musik (Lorbeerkranz von Ighino). Papstkarosse als Überstretchlimo. Papst als Puppe, Marionettenmund, Analogie zu Lukretia? Morones Kniefall. Ighinos Silla-Beichte. Saccas Schlußmonolog nicht so eindrucksvoll. Dann: Verdämmern des Retters der Musik, Tod.

Fazit: 1. Akt deutlich am stärksten, insgesamt ein sehr guter Abend.


Hans Pfitzner – Palestrina
Musikalische Leitung – Simone Young
Inszenierung – Christian Stückl
Bühnenbild und Kostüme – Stefan Hageneier
Licht – Michael Bauer
Chor – Florian Csizmadia
Spielleitung – Anja Krietsch

Papst Pius IV. – Tigran Martirossian
Giovanni Morone, Kardinallegat des Papstes – Wolfgang Koch
Bernardo Novagerio, Kardinallegat des Papstes – Jürgen Sacher
Kardinal Christoph Madruscht – Tigran Martirossian
Kardinal Carlo Borromeo – Antonio Yang
Kardinal von Lothringen – Wilhelm Schwinghammer
Abdisu, Patriarch von Assyrien – Jun-Sang Han
Anton Brus von Müglitz, Erzbischof von Prag – Moritz Gogg
Graf Luna, Orator des Königs von Spanien – Viktor Rud
Bischof von Budoja – Peter Galliard
Theophilus, Bischof von Imola – Dovlet Nurgeldiyev
Avosmediano, Bischof von Cadix – Jongmin Park
Giovanni Pierluigi Palestrina – Roberto Saccà
Ighino, sein Sohn – Mélissa Petit
Silla, sein Schüler – Marina Markina
Bischof Ercole Severolus – Jan Buchwald
Dandini von Grosseto – Paulo Paolillo
Bischof von Fiesole – Chris Lysack
Bischof von Feltre – Thomas Florio
Ein junger Doktor – Juhee Min
Fünf Kapellsänger von St. Maria Maggiore – Levente Páll, Chris Lysack, Paulo Paolillo, Dovlet Nurgeldiyev, Wilhelm Schwinghammer
Erscheinung der Lukrezia – Juhee Min
Erscheinungen neun verstorbener Meister der Tonkunst – Jun-Sang Han, Dovlet Nurgeldiyev, Chris Lysack, Paulo Paolillo, Moritz Gogg, Thomas Florio, Levente Páll, Wilhelm Schwinghammer, Tigran Martirossian
Drei Engelstimmen – Katharina Bergrath, Trine W. Lund, Gabriele Rossmanith
Spanischer Bischof – Eun-Seok Jang