Wie man sich an dieser Inszenierung stören kann, ist mir ein Rätsel. Anders: wie man von der Ehrlichkeit, Sensibilität und Wärme dieser Inszenierung nicht angefaßt sein kein, ist mir ein Rätsel. Und offenbar ist es doch diese Inszenierung, die nicht wenige Hannoveraner der Vorstellung fernbleiben läßt, mißt man den für einen Strauss-Abend doch recht zahlreichen verwaisten Plätzen eine Bedeutung bei. Vielleicht lag’s ja auch einfach am Wetter.
Die Inszenierung richtet übrigens nichts Schlimmeres an, als die ohnehin im Stück angelegte Doppelbödigkeit – eine Oper in der Oper – auszukosten. Theaterleute spielen Theaterleute, die Rollen spielen. Am Ende des Tages (und der Aufführung) bleibt Bacchus doch der Tenor und Ariadne die Primadonna (oder eben gerade nicht ...), daß diese Rollen von Sängern der Staatsoper Hannover gegeben werden ist weder ein Geheimnis, noch tut es der Magie des Augenblicks einen Abbruch. Eben dieser Abend hat mir wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, daß es zum Gelingen eines „hehren Moments“ weder Sänger mit Modelmaßen noch eine „standesgemäße“ Kostümierung bedarf. Und hehre Momente habe ich heute nicht eben wenige erleben dürfen.
Daß daran die rein musikalische Qualität der Darbietung einen nicht unwesentlichen Anteil ausmachte, sei an dieser Stelle auch nicht verschwiegen. Frau Kamensek waltet über ein wunderbares Orchester, daß unter ihrem Dirigat alle Stärken hervorbringt, um den unverwechselbaren Strauss-Klang lebendig werden zu lassen. Da möchte ich gar nicht weiter ins Detail gehen – richtig ist eben richtig und fühlt sich in diesem Falle mehr als beseelt an. Ich beglückwünsche Hannover zu seiner Generalmusikdirektorin, die mich wieder einmal von ihrer Ausnahmequalität überzeugt hat.
Über Qualität verfügt auch die gesamte Sängerbesetzung, für mich gekrönt vom Siegfried-würdigen Stahl des Herrn Künzli und der Wärme von Frau Hobbs. Dieses Paar würde ich gern im dritten Siegfried-Akt erleben. Wobei mir der heutige Abend die Schönheit der Ariadne-Partitur mit aller Macht, aber auch eben Zartheit, vor Augen geführt hat. Und Hofmannsthal ist daran kein Unschuldiger, wenn die Kernfrage eines anderen Strauss-Werkes so zwingend-versöhnlich aufgelöst wird, wie in so vielen Momenten der Aufführung Ton und Wort gemeinsam das hervorbringen, was über bloßes „Theater“ dann doch hinauszugehen scheint.
Richard Strauss – Ariadne auf Naxos
Musikalische Leitung – Karen Kamensek
Inszenierung – Ingo Kerkhof
Bühne – Anne Neuser
Kostüme – Inge Medert
Licht – Claus Ackenhausen
Dramaturgie – Dorothea Hartmann
Choreographie – Mathias Brühlmann
Der Haushofmeister – Sigrun Schneggenburger
Ein Musiklehrer – Stefan Adam
Der Komponist – Julia Faylenbogen
Der Tenor (Bacchus) – Robert Künzli
Ein älterer Herr – Edgar Schäfer
Perückenmacher – Roland Wagenführer
Brighella – Ivan Turšič
Ein Lakei – Frank Schneiders
Zerbinetta – Ina Yoshikawa
Primadonna / Ariadne – Dara Hobbs
Harlekin – Christopher Tonkin
Scaramuccio – Tivadar Kiss
Truffaldino – Young Kwon
Najade — Dorothea Maria Marx
Dryade – Julie-Marie Sundal
Echo – Isabelle Razawi
Souffleuse – Katharina Hickmann
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover