20:00 Uhr, Parkett links, Reihe 11, Platz 15
Wolfgang Amadeus Mozart – Serenade Nr. 6 D-Dur „Serenata Notturna“ KV 239
Benjamin Britten – Serenade für Tenor, Horn und Streichorchester op. 31 (Toby Spence für John Mark Ainsley – Tenor, Alessio Allegrini – Horn)
(Pause)
Frederick Delius – Summer Night on the River
Claude Debussy – Trois Nocturnes L 91 (Damenchor Hamburg)
Was würde ich nur ohne Jeffrey Tate in Hamburg machen? Weniger Konzerte erleben, die dem heute wieder eindrucksvoll eingelösten Anspruch an konzeptionelle Geschlossenheit und Qualität gerecht werden, wahrscheinlich. Allein die Kombination von Stücken, die das Thema „Nacht“ in Titel oder Inhalt tragen, mag keine Atomphysik sein, es kommt aber eben auf Wahl und vielmehr noch Abfolge an, um aus einer blumigen Programmüberschrift ein wahrlich traumhaftes Programm abzuleiten. „Facetten der Nacht“ hätte es auch benannt sein können. Von Mozarts unbeschwertem Tänzchen zu später Stunde über Brittens nächtliche Seelenwanderung und Delius’ Idyll zu Debussys flüchtigen Traumwelten – das war schon eine ganz besondere akustische Reise.
Da fällt auch der Umstand, daß ich mich mit dem Einspringer-Sänger für Brittens Serenade nicht uneingeschränkt anfreunden konnte, nicht so schwer ins Gewicht. Herr Spence macht seine Sache gut, verfügt meiner Ansicht nach aber nicht über die stimmcharakterlichen Feinheiten, um das illustrativ-dramaturgische Potenzial der Vorlage auszuschöpfen und seine verschiedenen Stimmungen über den Notentext hinaus zu übertragen. Zudem hatte ich den Eindruck, daß der Sänger teilweise kämpfen mußte, um bei dynamischen Spitzen gegen das Orchester bestehen zu können, etwa im fünften Teil „Dirge“, der Spence ohrenscheinlich an seine Grenzen brachte.
Eingebettet in den himmlischen Streicherklang der Symphoniker, begleitet durch das samtene Spiel Alessio Allegrinis, spielte der Gesang heute vielleicht nicht die herausragende Rolle, wie sie ihm Kraft Brittens Eingebung gebührt, seine betörende Wirkung konnte die Serenade unter der delikaten Stabführung Tates jedoch ohne Weiteres entfalten. Eine bestimmte Atmosphäre zu generieren, liegt dem Maestro wie kaum einem anderen. Vor allem das flüchtig Zarte, das organisch Fließende wird unter seinen fein justierenden Händen zum Ereignis. Den Hörer nicht mit Effekthascherei blenden, sondern mit subtilsten Schwebezuständen umschmeicheln und verzücken.
Wobei Wollen und Können ja nicht unbedingt immer Hand in Hand gehen – wie gut, daß sich bei den Hamburger Symphonikern diese Ungewissheit vollends erübrigt hat. Ganz gleich, ob es darum geht, neue Werke kennenzulernen oder die Liebe zu Altbekanntem aufzufrischen, wird man von diesem Orchester und seinem Chefdirigenten wohl kaum enttäuscht werden. Das Gegenteil ist mittlerweile ganz und gar nicht routinierte Routine geworden. Ich freue mich auf die nächsten gemeinsamen Entdeckungsreisen.