Igor Strawinsky – L’oiseau de feu (Der Feuervogel)
(Pause)
Maurice Ravel – Daphnis et Chloé
(EuropaChorAkademie)
Welch debiles Drecks-Pack bekommt es eigentlich einfach nicht geschissen, sein gottverdammtes Mobilfunk-Tamagotchi mal für die Dauer eines Konzertes auszustellen? Der ignorante Urschleim der Jugend? Oder die resonanzimprägnierte Senilität des Alters? Oder doch Leute wie Du und ich? Subjekte, die man im Alltag besehen durchaus als Menschen durchgehen lassen würde? Ich weiß es nicht und es könnte mir auch egal sein, solange die Identifizierung des- oder derjenigen, welche/r mir in die Balz des Prinzessinengarten-umtriebigen Prinzen hineinklingelt, nicht an eine umgehende Exekution, zumindest aber ein Hausverbot auf Lebenszeit geknüpft ist. Ein Jammer!
Jämmerlich auch die Konzert-Existenz jener obligatorischen, gymnasialen Pflichthocker, in schlecht sitzende Jacketts gezwängte Erwachsenen-Karikaturen oder, auf den letzten Drücker orientierungslos die Reihen durchpflügend, den Odor von Schweiß und regennasser Funktionskleidung verströmend, durch die bloße Anwesenheit ihrer gelangweilten Hüllen jegliche konzentrierte Atmosphäre mit zur Schau gestellter Unmusikalität verseuchend. Die Klassik braucht die Jugend? Die Jugendlichen von heute sind die Konzertgänger von morgen? Mag sein (wer’s glaubt, wird selig), aber dann sollen sie bitte auch erst morgen kommen und nicht heute, wenn ich meinem Abo zu frönen gedenke.
Dabei ist natürlich nicht auszuschließen, bei Lichte betrachtet womöglich gar ein an Sicherheit grenzendes Ding der Wahrscheinlichkeit, daß sich gerade hinter besagten tumben aber unverbrauchten Schläfen unbemerkt durchaus eher Szenen der Anteilnahme, wenn nicht gar ursprünglicher Begeisterung abgespielt haben mögen, als in manch abgestumpftem Abosesselfurzerhirn. Unter uns gesagt, möchte ich mich gerade ein wenig auf Krampf in Rage reden, gerade weil das Konzert leider nicht den erhofften Kitzel erbracht hat. Die Pennäler saßen recht brav auf ihren Plätzen, ja selbst das idiotische Klingeln hat in mir nicht den üblichen Weltenbrand-Hass heraufbeschworen, wie er an solch einer delikaten Stelle im musikalischen Verlauf eigentlich ein Zeichen von geistiger und seelischer Gesundheit gewesen wäre.
Was war los? Letzten Endes zu wenig, um aus einem Konzert mit den besten Vorzeichen einen außergewöhnlichen Abend zu machen. Oder um den Kern der Laudatio jener sich an die Darbietung anschließenden Vergabe des Preises der Deutschen Schallplattenkritik aufzugreifen: Das besondere Verdienst dieses Orchesters und seines Leiters, die Werke auf dem jeweils zu ihrer Entstehungszeit gebräuchlichen Instrumentarium zu präsentieren, verfehlte bei mir leider seine beabsichtigte Wirkung. Oder anders gesagt: ich fühlte mich weniger in das Paris Anfang des 20. Jahrhunderts versetzt, sondern lauschte im Hier und Jetzt einem sehr guten Orchester, dessen Gesamteindruck durch technische und klangliche Unzulänglichkeiten in manchen Instrumentengruppen deutlich geschmälert wurde.
Insbesondere das Blech zeigte sich in meinen Ohren nicht, wie Herr Mischke vom Abendblatt (bezogen auf die Sacre-Einspielung) ausführte, von archaischer oder strahlender Qualität, sondern – so hart das klingen mag – einfach von minderer. Die Musiker haben meinen Respekt, dieses, zumindest in der Theorie, äußerst interessante und vielversprechende Konzept der Instrumentenschau der Jahrhunderte zu ihrer Aufgabe gemacht zu haben; als gestriges Ergebnis bleibt bei mir nur schlicht die Freude über den technischen Fortschritt im Instrumentenbau hängen und ein wenig das Bedauern, mit welchem Material sich Strawinsky und Ravel offenbar haben herumschlagen müssen. Man kann mir nicht erzählen, daß gerade diese Klangfarben- und Effektforscher sowie Fetischisten des Delikaten bei all den Kieksern, versemmelten Soli und schmalbrüstigem, farblosem Forte der Blechbläser vor Begeisterung aus dem Häuschen gewesen wären.
Das ist doppelt bedauerlich, weil Roth mit seinen Musikern so eine Art Kampf gegen Windmühlen auszufechten schienen, bei dem eine durch und durch auf Feinheit und Transparenz ausgelegte Lesart sich an den Gegebenheiten des Materials abarbeitete. Natürlich gab es gestern zuhauf bemerkenswerte, ja zauberhafte Momente. In der Regel, wenn das duftige Gespinst der Partituren in liebevoller Detailarbeit plastisch erlebbar gemacht wurde. Trotzdem kann ich nicht behaupten, daß diese Kombination den Werken als Ganzes einen bereichernden Dienst erwiesen hätte. Die Streicher nicht (Intensität), das Holz nicht (Nuancen), das Blech schon gar nicht.
Zumal zumindest dem Feuervogel, der mir im Unterschied zum Ravel-Ballett äußerst vertraut ist, an den entsprechenden Stellen für meinen Geschmack ruhig etwas mehr Kante und Aggressivität gut zu Gesicht gestanden hätte. So geriet mir das bei aller duftigen Finesse doch teilweise eine Spur konturlos. Zu Daphnis et Chloé kann ich nicht viel sagen, außer daß mich hier eine durchgehende Tendenz zum Lärmen etwas irritierte. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, die dynamischen Spitzen latent mit dem Holzhammer präsentiert zu bekommen. Vom Stück selbst ist mir nicht viel hängen geblieben, obwohl es der ersten Gesamtdurchsicht nach auf jeden Fall mehr Bemerkenswertes beinhaltet, als den gern mal aus dem Radio funkelnden Sonnenaufgang.
Fazit: Herr Roth hat ganz recht in seiner kurzen Replik auf die Laudatio, wenn er sein Orchester nicht als Museum verstanden haben möchte – dann muss es sich allerdings auch gefallen lassen, in puncto Klangqualität und Wirkung an anderen Spitzenorchestern gemessen zu werden. Und da hat es heute leider den Kürzeren gezogen.