1. Oktober 2018

Schwerpunkt Charles Ives.
Elbphilharmonie Hamburg.

19:00 Uhr Einführung, 20:00 Uhr, Etage 12, Bereich B, Reihe 6, Platz 7



Edgard Varèse – Density 21.5 für Flöte solo 
Dmitri Schostakowitsch – Sonate für Viola und Klavier op. 147

(Pause)

Elliott Carter – Scrivo in vento für Flöte solo
Charles Ives – Sonate Nr. 2 „Concord, Mass., 1840-1860“
(Adam Walker – Flöte, Tabea Zimmermann – Viola, Pierre-Laurent Aimard – Klavier)



Varèse: Eine intime Hommage an ein Instrument, die so akustisch ausgefeilt wohl nur in dieser Halle zu realisieren ist – diese Feinheiten! Perfekt wäre es mit Kartoffelsäcken anstatt des übrigen Publikums ... welche Kontraste – Dynamik und Ausdruck. Herr Walker ist ein absoluter Könner.

Schostakowitsch: Ebenfalls akustisch beeindruckend (Pianissimo, insbesondere der Bratsche, Flageolett erster Satz), aber darüber hinaus eines der berührendsten Werke, die ich je live kennenlernen durfte. Vergleiche mit Mahlers letzten beiden Sinfonien tun sich auf. Der Finalsatz ist ein Wunderwerk der Empfindsamkeit, des Ton gewordenen Abschieds. Wie sich Viola und Piano ergänzen, buchstäblich zusammen situativ neue, doch so vertraute, tröstliche Klangspektren im Zweifel und im Schmerz aufblühen lassen, ist beinahe beispiellos. Ich brauche eine Aufnahme!

Carter: Nochmal krassere Kontraste – Varèse 2.0. Schönster Flötenton aller Zeiten. Ansatzlos zartes Crescendo aus dem Nichts, welchselt mit brutal hart schneidendem Zischen etc. – Flötenspiel auf atomarer Ebene.

Ives: Eine Offenbarung – ich wurde eine Dreiviertelstunde in den Steinway gesogen. Alles, was (nicht nur) moderne Musik leisten soll: stimulieren, faszinieren, transzendieren. Diese Dichte! Erster Satz: Gleichzeitigkeit halbwegs tonaler Einzelteile, ein Wahnsinn, da reinzuhorchen, zu scannen. Unglaublich der Effekt der Violasekunden! Genial als Schatten, der über die Bühne weht (Fachkundiger Kommentar dazu: „schon witzig, dass sie das mit der Geige auch eingebaut haben ...“). Zweiter Satz: diese Steigerungen, Eruptionen, tonale Splitter, der Klang gewordene Duft! Dritter Satz: Diese Schönheit, zauberisch, innig empfunden, entwaffnend – melodiös. Finale: Ton gewordener Humanismus (vgl. Einführung). Die Flötenmelodie als Fenster ins Verständnis, Beethovens Ringen, wenn auch nicht überwunden, aber mit ihm versöhnt, Blick in eine (tonale) Utopie.

Fazit: welch ein Glück, dass die Musik weiterhin solche persönliche Uraufführungen für mich bereit hält – tiefe Dankbarkeit.