19:00 Uhr, Parkett links, Reihe 4, Platz 16
Joseph Haydn – Sinfonie Nr. 4
Witold Lutosławski – Sinfonie Nr. 4
(Pause)
Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 4 (Michelle Breedt – Mezzosopran)
Haydn gehört nicht zu meinen ausgemachten Lieblingskomponisten und wird es wahrscheinlich auch nie in mein Privat-Pantheon schaffen, aber so lasse ich mir den Österreicher gefallen. Nicht ganz mit der Järvischen Straffheit, dafür mit einem Höchstmaß an Differenzierung der Stimmen, gestaltet Tate ihn. Die Streicher klingen dabei erstklassig, insbesondere mit Dämpfer ein Klangfeingeschmack sonder gleichen. Der 2. Satz ist mir vom musikalischen Material natürlich am nächsten.
Lutosławski: Um es mit einem Wort zu sagen – Weltklasse! Eindringlicher kann ein erstes Treffen mit einem Komponisten nicht ausfallen – arrangiert von phänomenalen Symphonikern, die ihr Dirigent auf eine 20-minütige Seelenfahrt mitnimmt. Wer davon nicht berührt ist, muß schlichtweg die Musikalität abgesprochen werden. Im Detail: Das Orchester braucht sich so vor keinem anderen Klangkörper verstecken. Der Streicherklang, insbesondere der 1. Violinen, ist vorbildhaft; die ganze Bandbreite von zart bis schneidend kann in allen Nuancen und Klangfarben abgerufen werden. Das Holz: wunderbar. Das Blech: beeindruckend! Nicht jeder Ton mag sitzen, dies gerät allerdings angesichts der permanenten Präsenz zur Marginalie. So sollte eine Trompete klingen. Und eine Posaune. Die Interpretation Tates läßt einen sprichwörtlich um Worte ringen. Sensibel, differenziert, konsequent bis in die letzte Windung – oder einfach nur: perfekt? Ich weiß noch nicht, welche Einspielung ich mir von dieser Sinfonie zu Gemüte führen werde, aber sie wird es schwer haben.
Mahler: Leichte Schwächen des Orchesters offenbaren sich (Horn nicht immer sicher, ebenso Trompete), die angesichts des wundervollen Gesamteindrucks aber nicht ins Gewicht fallen. Die Symphoniker sind durch und durch Mahler-geeignet. Tates Interpretation hat ein ziemlich langsames Grundtempo als Basis, auf dem er insbesondere das Zarte, die Zwischentöne beleuchtet; darin Maazel mit den Wienern nicht unähnlich. Auch dynamisch wird sensibel vorgegangen, die äußerste Lautstärke bleibt wenigen Höhepunkten vorbehalten, alles im Dienst einer Transparenz und Deutlichkeit, die selten bei Mahler erreicht wird – zumindest im Konzert. Und „ganz nebenbei“ läßt Tate mit seiner Arbeit das so schwierige Ziel, die Wunschvorstellung, nicht allein eine Sinfonie in vier Sätzen, sondern eine Welt entstehen zu lassen, auf eindrucksvollste Art gelingen.
Da verwundert es am Ende nur, warum mit Michelle Breedt eine, in meinen Ohren, viel zu stimmschwere Sängerin für das Finale besetzt wurde, die so gar nicht zum zarten Ganzen passen wollte. Der Chen-Reiss-Gedanke drängt sich förmlich auf. Denn obwohl Frau Breedt ihre Sache sehr gut gemacht hat, bleibt ihre Stimme – ich muß es so deutlich sagen – eine Fehlbesetzung, die gerade das reine, unschuldige Moment des Himmlischen Lebens vermissen läßt, ja Kraft ihrer Wagnerschwere vermissen lassen muß. Nichts desto trotz ein denkwürdiger Abend, der in Herrn Tate einen im Überschwang gebenden Gastgeber hatte.