23. Juni 2012

Das Liebesverbot – Philippe Bach.
Theater Meiningen.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 1, Platz 11


















Das Meininger Theater ist wahrlich ein Kleinod. Malerisch gelegen am Großen Teich des Englischen Gartens, das Eingangsportal zur von klassizistischen Nachbarn reich gesäumten Straße gereckt, legt es imposantes Zeugnis von historisch gewachsener, aber bis heute spürbarer kultureller Strahlkraft ab. Außen wie innen erst kürzlich liebevoll saniert, rangiert es auf meiner imaginären Liste besonders schöner Theaterbauten auf einem der vorderen Plätze.

Doch was nützt die glanzvollste Hülle ohne entsprechenden Inhalt? Daß an diesem Ort solch ein Museumseffekt nicht zu befürchten ist, spürt man deutlich. Diverse angesetzte Premieren unterschiedlichster Richtungen, dazu ein ambitioniertes Wagner-Programm zum kommenden Jubiläumsjahr. Andreas Schager, der triumphale Rienzi-Einspringer an der Deutschen Oper Berlin, hatte zuvor an dieser Stätte bereits den Tribun verkörpert und wird auch im nächsten Jahr hier zu erleben sein.

Von Wagners Liebesverbot war mir bislang nur die schmissige Ouvertüre bekannt, die meiner Ansicht nach durchaus Ohrwurmpotential besitzt. Ob sich diese Einschätzung auf die gesamte Oper übertragen läßt, möchte ich nach erstmaliger Begegnung lieber offen lassen. Sicher gab es diverse musikalische Kostbarkeiten, insbesondere in Passagen der Ruhe, die insgesamt jedoch in einem naiv-lärmenden Ganzen unterzugehen drohten. Die ätherische Klosterszene mit den Glocken, die suggestive Überzeugung des Friedrich durch Isabella oder die düstere Arie des Friedrich allein in seinen Amtsgemächern sind Beispiele für musikalische Eindrücke, die hängen blieben – vieles andere rauschte nur so an mir vorbei.

Was sicher nicht aus der Darbietung zu begründen ist. Orchester und Ensemble führten wie schon beim gestrigen Eisenacher Gastspiel ohne nennenswerte Schwächen durch den Abend, einzig die Bühnenmusik am Schluß war meilenweit von der Taktgebung des Dirigenten entfernt – sofern die jungen Herren diesen überhaupt wahrgenommen haben. Äußerst direkt hingegen ereilte mich der Klang in Reihe 1, in der man gefühlt fast schon über den Musikern im Graben thront, auch die Distanz zur Bühne ist ungewöhnlich gering. Da bin ich wohl bei der Platzwahl ein wenig auf meine Hamburger Gewohnheiten reingefallen.

Von den Sängern möchte ich Dae-Hee Shin als profunden und stimmschönen Friedrich, Rodrigo Porras Garulo als schmelzstrahlenden Claudio und wiederum Camila Ribero-Souza – leider nur in einer kleinen Rolle – hervorheben, deren Arie auch heute das Maß der Dinge in Bezug auf Phrasierung und Ausdruck war. Vielleicht ist es etwas unfair, ihre Leistung mit der immensen Partie der Isabella-Sängerin zu vergleichen, dennoch möchte ich nicht verschweigen, daß jene im Laufe des Abends ungeachtet ihrer an sich schönen Stimme ein ums andere mal deutliche Intonationsprobleme vernehmen ließ. Generell kann man aber von einem sehr homogenen Ensemble sprechen, das auch szenisch zu überzeugen wußte – Bettine Kampp als leidenschaftliche Novizin und Stan Meus als verschlagener Pontio Pilato seien da nur als zwei Beispiele von vielen genannt.

Zur Inszenierung: Wieder mal ermöglichte die Umpflanzung der Handlung in die End-Weimarer Republik, mit dem beliebten Nazi-Aufreger aufzuwarten. In diesem Falle am Schluß in Form einer Braunhemden-Bühnenkapelle – wobei mich persönlich hier mehr die etwas konstruierte Happy-End-Sabotage als Rausschmeißer-Überraschung irritiert hat. Klar, kann man machen. Viel interessanter fand ich jedoch die generelle Einbettung der Geschichte in eine Zeit, in der es gärt. Vor diesem Hintergrund eine absolut plausible Wahl. Sehr beeindruckend übrigens der Einsatz der Drehbühne mit ihren Versenkungselementen, um verschiedenste Räume zu schaffen (Offener Platz, Tribünen, Gefängnis ...)

Was bleibt vom Erstkontakt mit dem Wagnerschen Frühwerk? Bereits hier fungiert die Frau als Erlöserfigur. Das Moment der Erotik, oder besser der Erotisierung, ist allgegenwärtig. Der Rienzi winkt hier und da am Horizont, das Musikdrama schlummert noch fest. Alles in allem kein musikalisches Erweckungserlebnis, aber ein rauschhafter, bunter Abend ohne Katergefahr.


Richard Wagner – Das Liebesverbot
Musikalische Leitung – Philippe Bach
Regie – Ansgar Haag
Bühnenbild – Helge Ullmann
Kostüme – Renate Schmitzer
Dramaturgie – Dr. Klaus Rak
Chor – Sierd Quarré

Friedrich – Dae-Hee Shin
Luzio – Xu Chang
Claudio – Rodrigo Porras Garulo
Antonio – Maximilian Argmann
Angelo – Steffen Köllner
Isabella — Bettine Kampp
Mariana – Camila Ribero-Souza
Brighella – KS Roland Hartmann
Danieli – Ernst Garstenauer
Dorella – Sonja Freitag
Pontio Pilato – Stan Meus

Chor und Extrachor des Meininger Theaters
Meininger Hofkapelle
Big Band des Martin-Pollich-Gymnasiums Mellrichstadt