26. Januar 2013

A Midsummer Night’s Dream – Pawel Poplawski.
Theater Magdeburg.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 1, Platz 13

 

Die Erfahrung zeigt: Es gibt gute Gründe, Britten-Opern nicht live im Theater zu hören. Mit seinen Werken für den Konzertsaal verhält es sich häufig nicht anders. Diese Musik ist in weiten Teilen schlichtweg zu zerbrechlich für das profane Musikleben. Ihre Aufführung unter Alltagsbedingungen gleicht ein bißchen dem Versuch, ein Sandmandala bei Sturm anzufertigen. All die Feinheiten und Nuancen, das zarte Gewebe seiner Partituren, bedingen eine durch und durch behutsame, ich möchte sagen kammermusikalische Fürsorge, wie sie Werken allgemein selten auf der großen Bühne zu Teil wird. Hinzu kommt oft die Gnadenlosigkeit des Publikums, das nicht oder nur wenig mit dieser Musik vertraut und gewillt ist, das erforderliche Maß an Konzentration und Ruhe aufzubringen.

Nach dem heutigen Abend ist klar: Es gibt gute Gründe, eine Britten-Oper in Magdeburg zu hören. Gleich nach den ersten Takten fiel meine Anspannung in Bezug auf das Orchester ab, als wohlig duftige Streicherglissandi dem Graben entströmten. Zwei Worte –„ genau so“ – sollten mich die nächsten Stunden begleiten. Das Theater Magdeburg hatte mich ja bereits bei der Werther-Produktion im letzten Jahr tief beeindruckt (http://lautsplitter.blogspot.de/2012/04/20.html), und die gleichen Vorzüge sollten auch heute wieder zum Tragen kommen:

Das Haus besitzt eine verblüffend klare, anfassende Akustik, in der kein musikalisches Detail verloren geht, die einzelnen Orchesterstimmen exakt zu orten sind, gleichzeitig aber als perfekt ausgewogene, homogene Einheit das Ohr erreichen. Der erste Eindruck, hier einen Klangkörper höchster Güte vorzufinden, hat sich heute nur verstärkt. Angefangen bei samtweichen Streichern, die genau das richtige Timbre für das schnurrende Fundament der verwunschenen Elfenmusik besaßen, über schwerelos-zarte Holzbläser, butterweiche Harfenklänge bis hin zum profunden Blech, auf dessen neckisch quecksilbernde Fanfaren stets Verlaß war. Gerade bei den flinken Trompetensignalen Brittens wird ja gern mal rumgedeppt. Aber was nützt das beste Orchester ohne gute Leitung. Magdeburg scheint auch in dieser Beziehung glänzend aufgestellt. Stand beim Werther Herr Balke am Pult, so entlockte heute Pawel Poplawski der Magdeburgischen Philharmonie in jeder Beziehung Erstklassiges. Ein sensibles Dirigat, welches das flüchtige Gewebe der Partitur in einem nicht enden wollenden Fluß erstehen ließ.

Und was soll ich groß zu den Sängern sagen? Ich wiederhole mich: Eine derart homogene, qualitativ hochstehende Besetzung fast komplett aus dem hauseigenen Ensemble zusammenstellen zu können, verdient höchsten Respekt, zeugt von guter Arbeit und sollte das Magdeburger Publikum mit Stolz erfüllen. Einzig für die exotische Countertenor-Partie des Oberon und die Sängerin der Helena wurden Gäste hinzugezogen. Ich könnte jetzt ellenlang über die Vorzüge der einzelnen Stimmen schwadronieren, beispielsweise über das Leuchten Titanias, den hypnotischen, bittersüßen Schmelz Oberons, die Leidenschaft der verirrten und verwirrten Paare, das kraftvolle Organ des Esel-Handwerkers oder die betörenden Kantilenen des Elfenchores, aber ich belasse es diesmal dabei, dem Kollektiv meine Hochachtung und Dankbarkeit zu unterbreiten. Zu unkritisch? Ok, der Tenor des Lysander hätte hier und da, vor allem in den Ensemblestücken, etwas mehr Dampf haben können und manche Szene der Handwerkertruppe geriet vielleicht einen Deut zu gewollt komisch – womit wir allerdings schon bei der Inszenierung wären – aber das ist dann mehr die unnötige Suche nach dem Haar in der Suppe.

Also zur Inszenierung. Auch hier fügt sich alles auf vortreffliche Weise zu szenischer Stringenz und Harmonie. Mittels Drehbühne und eines Geflechts verwinkelter Wände und Türen werden die verschiedenen Schauplätze des Waldes realisiert, der sich nach der Pause als bloßes, offenes Rahmengerüst der Wandinstallation präsentiert. Der Prozess der Klärung, die Auflösung des Traumverwirrspiels, scheint bereits in Gang gesetzt. Wunderbar, wie die Darsteller in diesem etwas anderen Irrgarten agieren – suchen, zweifeln, träumen, finden. Das verbindende Element der verschiedenen Handlungstränge, gewissermaßen der personifizierte Feenstaub, der alles zusammenhält, liegt ganz bei der Figur des Puck, der heute auf wahrlich zauberhafte Weise durch das überbordend energiegeladene Spiel Heide Kalischs Leben eingehaucht wurde. Herrlich derb und schelmisch, viril und gleichsam kindisch, ein Wesen aus einer anderen Sphäre und dennoch allzu menschlich. Die schrillen Kostüme der Bewohner des Elfenreichs schließlich boten einen zwingenden Kontrast zur Menschenwelt und unterstrichen insgesamt das Moment der Phantasie.

Am Ende brandete begeisterter Beifall durch das diesmal gefüllte Haus, offenbar weiß man in Magdeburg doch, was man an seinem Theater hat – ich für meinen Fall muß mich spätestens nach diesem zweiten Besuch als Fan outen und freue mich jetzt schon auf weitere Besuche.


Benjamin Britten – A Midsummer Night’s Dream
Musikalische Leitung – Pawel Poplawski
Regie – Aniara Amos
Bühne – Aniara Amos, Paula Wellmann
Kostüme – Sarah Rolke
Dramaturgie – Ulrike Schröder
Choreinstudierung – Martin Wagner

Oberon, König der Elfen – Gerald Thompson
Titania, Königin der Elfen – Julie Martin du Theil
Puck – Heide Kalisch
Theseus, Herzog von Athen – Johannes Stermann
Hippolyta, Verlobte des Theseus – Undine Dreißig
Lysander – Andreas Früh
Demetrius – Kartal Karagedik
Hermia – Lucia Cervoni
Helena – Anneli Lindfors
Bottom, der Weber – Martin-Jan Nijhof
Quince, der Zimmermann – Paul Sketris
Flute, der Bälgeflicker – Manfred Wulfert
Snug, der Schreiner – Mario Solimene
Snout, der Kesselflicker – Markus Liske
Starveling, der Schneider – Roland Fenes
Cobweb, Elfe – Jenny Stark
Peaseblossom, Elfe – Farah Hack
Mustardseed, Elfe – Kathrin Stoppel
Moth, Elfe – Ilka Hesse

Damenchor des Theaters Magdeburg
Statisterie des Theaters Magdeburg
Magdeburgische Philharmonie