5. Oktober 2013

Radio Filharmonisch Orkest – Jaap van Zweden.
Concertgebouw Amsterdam.

14:15 Uhr, Podium Nord, Reihe 13, Platz 14 (nach der Pause: Balkon Nord, Reihe 3, Platz 10)



Nikolai Rimski-Korsakow – Ouvertüre „Russische Ostern“, op. 36
Henri Dutilleux – Correspondances (Barbara Hannigan – Sopran)

(Pause)

Dmitri Schostakowitsch – Sinfonie Nr. 5



Ein Orchester klingt nur so gut wie sein Saal, so sagt man ja. Was in Hamburg gern als ein Argument für den Bau der Elbphilharmonie aufgegriffen wird, um sie der betagten Dame Laeiszhalle zwecks akustischer Stadtaufwertung an die Seite zu stellen, stellt die noch deutlich ältere holländische Schwester eindrucksvoll unter Beweis. Wohlgemerkt, ich bin ein großer Freund der Laeiszhalle, aber in puncto Hörerlebnis setzt die Amsterdamer Schuhschachtel wahrlich Maßstäbe. Dies wird selbst auf den hinterletzten Plätzen im sichtminimierenden Schatten der Orgel unmittelbar klar, obwohl man sich hier im Rücken des Orchesters einfindet. Transparenz, Klarheit, Fülle, eine angenehme Nachhallzeit – Eigenschaften, die nach dem strategischen Platzwechsel in der Pause zum rechten Balkon vollends ihre Wirkung entfalten. Woran liegt’s? Ich bin leider kein Akustik-Experte, aber es fällt auf, dass es angesichts eines Raumes dieser Größe (vergleichbares Platzangebot wie in der Laeiszhalle) nur einen Rang und somit enorme „Kopffreiheit“ gibt. Das Orchester wiederum drückt sich nicht in der hintersten Ecke herum, sondern ragt mitsamt des Podiums zu Füßen der Orgel relativ weit in den Saal hinein. Keine Ahnung, vielleicht entziehen sich diese Beobachtungen auch jeglicher Relevanz und der Kasten ist einfach mit Old Amsterdam gedämmt. Man – zumindest ich – weiß es nicht.

Aber ich weiß ganz sicher, daß ich wiederkommen werde, wiederkommen muß, um weitere vollendete Konzerte wie dieses zu erleben. Gleich das russische Osternest zu Beginn erweist sich als runde Sache der Güteklasse Fabergé. Bis zur finalen Steigerung entströmt dem Orchester allerlei Feines, Glanzvolles, Mitreißendes und weckt die Lust auf ein wiederholtes Hören. Der Dutilleux im Anschluß hat mich vor allem in seiner Zugänglichkeit überrascht. Subtil, mitunter spröde und fordernd – ganz gewiß. Aber sicher nicht kalt lassend, in seiner verwunschenen Zerbrechlichkeit mir Britten nicht unähnlich – und somit spontan sympathisch. Leider wurde der Nachteil eines Platzes hinter den Interpreten jetzt spätestens bei Frau Hannigan unüberhörbar: Von ihrer bekanntermaßen wunderbaren, irisierenden Stimme erreichte nur ein gedämpftes, indirektes und häufig vom Orchester überdecktes Maß das nördliche Podium. Im Nachhinein betrachtet aber wirklich der einzige Wermutstropfen des Konzerts. Und dann kam Schostakowitsch.

Und wie er kam. Natürlich hätte ich bei meinem Besuch im Concertgebouw gern auch sein weltberühmtes Namensvetterorchester auf der Bühne gewußt, aber ganz ehrlich: Viel besser als Jaap van Zweden mit dem Radio Filharmonisch Orkest kann man ein Pfund wie Schostakowitschs Fünfte nicht unters Volk bringen. Ein Energietransfer sondergleichen, ohne Abstriche auch zapffertig für die Abfüllung auf Tonkonserve geeignet – einfach Stecker rein und gut. Leider gab es an diesem Tag wohl keinen Mitschnitt. Auf ihm hätte sich Beeindruckendes befunden: Sagenhafte Streicher, die gleich ab den ersten Takten Gewissheit darüber herstellen, daß hier Großes auf die Hörerschaft zukommt, kompromisslos in Schönheit und Wucht gleichermaßen. Dazu sattes Blech und edles Holz, welches vor allem auch in den zarten Soli (dritter Satz!) das Herz zum Schmelzen bringt. Ach was ließe sich noch alles an Facetten besingen und Höhepunkten preisen, aber ich belasse es diesmal bei einem knappen, aber nicht minder in Begeisterung gezogenem Fazit: Die Hütte klingt bombig und die Herren und Damen auf dem Podium wußten diesem Umstand eindrucksvoll zu nutzen.