20:00 Uhr, freie Platzwahl
Peter Michael Hamel – Bardo für Orgel (Peter Michael Hamel)
Öfter mal was Neues. Heute ging es in die Christianskirche am Klopstockplatz in Altona, um Peter Michael Hamel beim Vortrag eigener Werke zu lauschen. Ehrlicherweise muß ich gestehen, daß mir dieser Zeitgenosse gar kein Begriff war – umso schöner, wenn man dann von informierter Seite den entsprechenden Tipp bekommt.
Wobei es Geheimtipp vielleicht sogar besser trifft, angesichts der überschaubaren Schar Interessierter, die sich im Gestühl des Kirchenschiffs eingefunden hatte. Klein aber fein, so könnte das Motto dieser und wahrscheinlich auch der übrigen Veranstaltungen der Reihe Forum neue Musik lauten, leibliches Wohl in Form von Häppchen bis Wein inbegriffen. Ein sehr sympathischer, fast familiärer Rahmen – die Basis für entspannte wie konzentrierte Rezeption.
Denn musikalisch zu entdecken gab es innerhalb der folgenden Stunde Vielschichtiges, eine interessante Mischung aus Vertrautem und Fremdem. Den ersten Teil bestritt Hamel von der Orgel aus, das Werk eine Abfolge sehr heterogener Segmente: Atonale Cluster, gefolgt von choralartigen, strahlenden Akkorden, teilweise dann wieder eingetrübt durch Clusterbildung. Und dazu alternierend immer wieder Passagen absolut tonaler, fast schon kindlich naiv anmutender Melodik. Ein unzweifelhaft positives Idiom verströmend, das wiederum durch weitere Cluster im Fortissimo jeweils seinen Endpunkt findet, ohne daß eine Entwicklung im klassischen, gar programmatischen Sinne ablesbar wäre. Es scheint dem Komponisten eher um verschiedene stimmungsmäßige Aggregatzustände, dabei auch um das Prinzip der Wiederholung zu gehen, als um den üblichen Spannungsbogen.
Für die zweite Hälfte des Konzertes tauschte Hamel das Manual der Orgel gegen die Tasten eines Flügels ein, der vor dem Altarbereich bereitstand. Zusätzliche, über Lautsprecher eingespielte Klänge – eine geloopte Orgelpassage markierte den Übergang und bildete das repetitive Fundament für die kommenden Entwicklungen – beschwörten in Kombination mit dem wortlosen, an- und abschwellenden Gesang des Komponisten zusehends eine Atmosphäre meditativen Charakters herauf. Zumal auch hier das Konzept alternierender, sich wiederholender Abschnitte offenkundig wurde.
Alles in allem eine Musik, wie sie vielleicht nicht unbedingt meinen ausgemachten Vorlieben entspricht, die aber gerade aus ihrer untypischen Faktur den Reiz der Begegnung erwachsen läßt. Insbesondere der Faktor Zeit bzw. die veränderte Wahrnehmung ihres Verstreichens angesichts des weitgehenden Verzichts auf rhythmische Gliederung traten in meiner Wahrnehmung in den Mittelpunkt. Es geht in dieser Musik ohrenscheinlich weniger um harmonische oder melodische Kühnheiten, sondern um besagte Stimmungen.
Fazit: Wird der Begriff „interessant“ im Allgemeinen doch eher als hilflose Floskel bemüht, um eine ehrliche Meinungsäußerung zu umgehen, komme ich heute nicht umhin, das Gehörte genau so zu betiteln – ein interessantes, weil ungewöhnliches Konzert, das mich persönlich vor allem anregte, über vertraute Hörgewohnheiten nachzudenken. Somit: Eine mehr als gut angelegte Stunde.