11. November 2015

Hamburger Camerata – Simon Gaudenz.
Laeiszhalle Hamburg.

20:00 Uhr, Parkett rechts, Reihe 13, Platz 12



Wolfgang Amadeus Mozart – Eine kleine Nachtmusik G-Dur KV 525
Ralph Vaughan Williams – The Lark Ascending für Violine und Orchester (Ning Feng)

(Pause)

Gustav Holst – A Song of the Night op. 19,1 für Violine und Orchester
Joseph Haydn – Sinfonie Nr. 95 c-Moll Hob. I:95



Manchmal lohnt eben doch ein zweiter Blick. Anders als bei dem eher durchwachsenen Auftritt im Juni (Link) wußte die Hamburger Camerata unter ihrem Chef Simon Gaudenz dieses Mal restlos zu überzeugen. Dabei gab es auf den Tag genau einen Monat nach der „Nachtmusik“ der Hamburger Symphoniker ein kleines thematisches Déjà-vu, diesmal unter dem Holst entlehnten Motto „Song of Night“. Glücklicherweise kann die Geschichte auf eine mittlerweile beachtliche Zahl an Nächten und, viel wichtiger noch, zumindest mehr oder minder gemäß diesem Sujet betitelter Werke zurückblicken, um genügend Stoff für so manches Programm derartiger Ausrichtung zu bieten.

Was kann es Ausgelutschteres geben als Mozarts orchestralen Weltgassenhauer, die kleine Nachtmusik? Umso verblüffender die Wirkung, die von der Darbietung dieses Staubfängers durch die Camerata ausging. Daß Herr Gaudenz ein großer Mozartfreund ist, hat er ja bereits bei meinem letzten Besuch Taten- und vor allem wortreich herausgestellt. Daß er der müden Klingeltonvorlage mit seiner knackigen und differenzierten Interpretation allerdings derart Begeisterndes entlocken würde, hätte ich nie für möglich gehalten. Besser geht es wohl kaum. Spritzig und federnd, dabei ein besonderes Augenmerk auf der Ausgestaltung dynamischer Kontraste, mit dem Ergebnis entwaffnender Lebendigkeit und Frische – wenn die Floskel „als hätte man das Stück zum ersten Mal gehört“ jemals angebracht war, dann hier und heute.

So zwingend die Interpretation, so erlesen präsentierte sich der Klang der Camerata. Zarte, warme Streicher, geschmeidiges Holz, tadelloses Blech. In der Einführung kam Herr Gaudenz auf das Streben nach Vielseitigkeit, nach der richtigen klanglichen Umsetzung für Werke verschiedener Epochen zu sprechen. Das Konzert lies der Theorie gleichsam anschaulich wie vollendet Taten folgen. So war es eine Wonne, nach dem belebenden Mozart bei dem sich aus zartestem Nichts entwickelnden lieblich-romantischen Idyll aus der Feder Vaughan Williams’ gewissermaßen eine zweite Camerata zu entdecken. Welch ein Pianissimo! Und auch hier: ein ausgenommen feiner Streicherklang, allerdings dem Stück gemäß in gänzlich anderer Farbgebung. Überhaupt verblüffend, wie die im Vergleich zu einem „ausgewachsenen“ Sinfonieorchester reduzierte Anzahl Musiker in der Folge den typisch satten, spätromantischen Sound fortspann, mit dem Vorteil, Transparenz und Durchhörbarkeit angesichts jener Besetzung nie einzubüßen.

Bei der Wahl des Solisten hat man heute mit Ning Feng ein besonders glückliches Händchen bewiesen. Sein warmer, von lupenreiner Intonation geprägter Stil, krönte die sensible, feinsinnige Darbietung des Orchesters. Ist schon eine ganze Weile her, daß ich mich so uneingeschränkt am Spiel eines mir bis dato unbekannten Geigers erfreut habe. Ning Fengs Vielseitigkeit schloß dabei nahtlos an die unausgesprochene Maxime des Konzerts an – von den hauchzarten Girlanden der aufsteigenden Lerche zum eher klassisch konzertierenden, dabei wunderbar gesanglichen Part in Holsts Nachtstück. Für dessen Aufnahme ins Programm ich mich noch besonders bei den Verantwortlichen der Camerata bedanken möchte. Wer Holst sagt, muss eben nicht immer auch „Planets“ sagen. Eine meiner Lieblingskompositionen des Briten – Egdon Heath – wäre vielleicht auch etwas für zukünftige Planungen. Ebenso wie „A Song of the Night“ eine fragile, zudem verwunschene Angelegenheit, die ich nach der heutigen Leistung in besten Händen wüßte.

Generell hat das Konzert wieder einmal gezeigt, wie wichtig eine ausgewogene Programmgestaltung doch für die Aufnahme der einzelnen Bestandteile ist. Der Haydn bot so als Klammer den perfekten Abschluß für eine Folge, die eben nicht allein aus den bekannten Kammermusik-Hausgöttern bestand, sondern gerade von den spannenden musikgeschichtlichen Kontrasten lebte. Keine Monokultur, sondern Erkenntnis- und Aufmerksamkeitsgewinn durch sich stetig neu ergebende Bezüge historischer Entwicklungen, Gegensätze und Gemeinsamkeiten. Wobei dieses Vorgehen gerade auch die „Evergreens“ strahlen läßt, wie ich als bekanntermaßen eher neuzeitlich orientierter Musikfreund meiner heutigen Begeisterung für die Herren Mozart und Haydn entnehmen konnte.

Fazit: Getreu dem Motto „Was schert mich mein Geschwätz von gestern“ nehme ich vorbehaltlich mal meine Skepsis zurück und möchte diesmal mit einem weitaus hoffnungsvolleren Ausblick schließen – wer diese Qualität abzurufen imstande ist, dem sollte seine Zukunft jedenfalls keine Sorgen bereiten dürfen. Das wäre nach diesem Abend, oder, um im Bild zu bleiben, dieser Nacht, jedenfalls eine Schande.