20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 3, Platz 13
Wolfgang Amadeus Mozart – Sinfonie C-Dur KV 551 „Jupiter“
(Pause)
Richard Strauss – Don Quixote op. 35 (Miriam Manasherov – Viola, Kian Soltani – Violoncello)
Zugaben:
Camille Saint-Saëns – „Der Schwan“ aus „Karneval der Tiere“
Jean Sibelius – Valse triste op. 44
Michail Glinka – Ouvertüre zu „Ruslan und Ljudmilla“
Es ist schon bemerkenswert – sobald Barenboim die Bühne betritt, das hohe Podium – den Stufenaufgang auf der ihm abgewandten Seite ignorierend – mit einem beherzten Satz erklimmt, ist glasklar, dass er den Abend und das Auditorium im Sack hat. Der Begrüßungs-Applaus, die ganze Atmosphäre im Saal, lassen keinen Zweifel daran, welche Reputation dieser Mann genießt und wie gelagert die Erwartungshaltung dementsprechend ist. Ich vermute, Herr Barenboim ist sich seiner Wirkung durchaus bewusst, zugegeben strahlt sein Auftreten nicht unbedingt hemdsärmlige Nahbarkeit aus – auch das mag täuschen – viel interessanter allerdings ist, dass er auf diesen Maestro-Auftritt auch ein wahrhaftes Maestro-Konzert folgen lässt. Der Mann ist gut!
Barenboims Mozart: Eleganz und Spannung. Die Phrasierung gesanglich, trotzdem eine Lesart mit Knack, dabei gleichsam ohne Härte, weich, fließend, ein konzentrierter, fein austarierter Strom stetiger Stimulation. Merke: es muss doch nicht immer der Vorschlaghammer sein, um mir Mozart, Haydn & Co. schmackhaft zu machen. Akustische Besonderheiten: Die mit Dämpfer schnurrenden Streicher im 2. Satz – welch zart-samtiger Klang! Ebenso beeindruckend: die enorme räumliche Wirkung, welche die verschachtelten Einsätze der geteilten Streicher im Finale entfalten. Barenboims ganze Körpersprache und Gestik drücken seine Interpretation aus, (der Kontrast zu Inbal gestern hätte kaum frappierender ausfallen können), hier ist Taktschlagen Nebensache, Gestalten steht im Vordergrund, die Linke ist ständig im Einsatz, reguliert, formt, auch die Rechte mitsamt Stab beschreibt die Bögen mit. Plastizität und Schlüssigkeit sind das Ergebnis. Natürlich braucht es dazu den richtigen Klangkörper – mit den Damen und Herren des West-Eastern Divan geht Barenboims Konzept wunderbar auf.
Das Orchester ist nicht allein von entsprechender Güte, sondern klingt dabei ausgesprochen delikat, insbesondere die Holzbläser sorgen mit ihrem zarten Klang für eine feine Gesamtnote. Mein Abo-Platz ist auch für die Mozart-Besetzung bestens geeignet. Die Trompeten bekrönen ohne störende Schärfe, die Hörner kommen gut durch, das Holz eh, die Violinen anders als unterm Dach wieder schön präsent, die tiefen Streicher, vor allem Bässe, wunderbar sonor. Und ganz nebenbei bemerkt ist die Sinfonie als solche auch ganz erträglich – fast schon ein ausgewachsener Beethoven.
Der Strauss nach der Pause geht dann erst recht runter wie Öl. Eine Top-Interpretation, bei der besonders die Balance zwischen eleganter, weit schwingender Opulenz und plötzlichen, soghaften Tempoverschärfungen überzeugt. Die Elphi-Akustik bietet dabei faszinierende Einblicke in die Instrumentation und Klangfarbenwerkstatt. Beispielhaft dafür sei das Zusammenspiel von Tenortuba und Fagott genannt, welches seine besondere Wirkung daraus gewinnt, dass beide Instrumente zwar für sich wunderbar transparent zu vernehmen sind, gleichzeitig aber gemeinsam diese ungewöhnliche Klangkombination in den Saal schicken. Für beseelte Momente inniger Verklärung sorgt Kian Soltani am Cello, vor allem der bittersüß-wehmütige Schluß ist von geradezu entrückter Qualität. Sehr sympathisch dann von Barenboim, auch das Verdienst der zweiten Solistin, Miriam Manasherov, angesichts des allgemeinen Jubels über den Cellisten, durch entsprechende Gesten zu betonen.
Nichts desto trotz gehörte die erste Zugabe Soltani, der, von den beiden Harfen begleitet, den Schwan aus dem Karneval der Tiere mit betörendem Ausdruck vorüberziehen ließ, während ihm Barenboim von einem Platz im Orchester aus lauschte. Für die zweite und dritte Zugabe wechselte der Solist dann seinerseits ins Orchester, um auch an diesen – in die Cellogruppe integriert – mitzuwirken. Beim Valse triste arbeitet Barenboim, ähnlich wie ich es vor Jahren bei Paavo Järvi und seinen Bremern gehört habe, mit extremen Pianissimi, ist dabei aber weniger kontrastierend in den Tempowechseln. Und auch die Glinka-Ouvertüre bleibt trotz aller Virtuosität und Schnellkraft eine äußerst elegante Angelegenheit – kein Vergleich etwa zu Solti, der das London Symphony Orchestra mit äußerster Schärfe durch die Partitur peitscht (ich persönlich kann beiden Sichtweisen viel abgewinnen). Eleganz und Spannung, Barenboim bleibt bis zum Schluß seiner Linie treu – das neben dem Auftritt der Wiener Philharmoniker vielleicht technisch und gestalterisch beeindruckendste Konzert in der Elbphilharmonie für mich soweit.
Randnotiz: Man hat sich ja bereits fast damit abgefunden, dass der neue Musentempel eine bestimmte, leider besonders amusisch veranlagte Zielgruppe zuhauf anzieht: die Gruppe der Schnöseleumel. Allem Anschein nach gutsituierte Kulturlegastheniker, meist vergleichsweise junge Paare, er den Specknacken unter dem gegelten Haupt in edlen Zwirn geschnürt, sie ein nettes, blondes Accessoire im Kleidchen an seiner Seite. Nachdem das altbekannte Programmheftgeblättere, Handtaschengekrame, ergänzt durch Fotografiererei und Mitgefilme bei diesen Besuchern zur Verhaltens-Grundausstattung gehört, durfte ich heute einer für mich ganz neuen Form der asozialen Übersprunghandlung teilhaftig werden: Man wähle die leisest denkbare Stelle im Valse triste und nutze jene dafür, seinen dicken Schwanzverlängerungs-Prollchronometer unter Ausnutzung der akustischen Möglichkeiten dieses Wundersaales für alle Umsitzenden gut sicht- und vor allem hörbar aufzuziehen. Die Aufmerksamkeit, der Respekt und die Bewunderung eines ganzen Blocks waren diesem sympathischen Kunstkenner für den Abend gewiß. Wer hat, der kann!
(Pause)
Richard Strauss – Don Quixote op. 35 (Miriam Manasherov – Viola, Kian Soltani – Violoncello)
Zugaben:
Camille Saint-Saëns – „Der Schwan“ aus „Karneval der Tiere“
Jean Sibelius – Valse triste op. 44
Michail Glinka – Ouvertüre zu „Ruslan und Ljudmilla“
Es ist schon bemerkenswert – sobald Barenboim die Bühne betritt, das hohe Podium – den Stufenaufgang auf der ihm abgewandten Seite ignorierend – mit einem beherzten Satz erklimmt, ist glasklar, dass er den Abend und das Auditorium im Sack hat. Der Begrüßungs-Applaus, die ganze Atmosphäre im Saal, lassen keinen Zweifel daran, welche Reputation dieser Mann genießt und wie gelagert die Erwartungshaltung dementsprechend ist. Ich vermute, Herr Barenboim ist sich seiner Wirkung durchaus bewusst, zugegeben strahlt sein Auftreten nicht unbedingt hemdsärmlige Nahbarkeit aus – auch das mag täuschen – viel interessanter allerdings ist, dass er auf diesen Maestro-Auftritt auch ein wahrhaftes Maestro-Konzert folgen lässt. Der Mann ist gut!
Barenboims Mozart: Eleganz und Spannung. Die Phrasierung gesanglich, trotzdem eine Lesart mit Knack, dabei gleichsam ohne Härte, weich, fließend, ein konzentrierter, fein austarierter Strom stetiger Stimulation. Merke: es muss doch nicht immer der Vorschlaghammer sein, um mir Mozart, Haydn & Co. schmackhaft zu machen. Akustische Besonderheiten: Die mit Dämpfer schnurrenden Streicher im 2. Satz – welch zart-samtiger Klang! Ebenso beeindruckend: die enorme räumliche Wirkung, welche die verschachtelten Einsätze der geteilten Streicher im Finale entfalten. Barenboims ganze Körpersprache und Gestik drücken seine Interpretation aus, (der Kontrast zu Inbal gestern hätte kaum frappierender ausfallen können), hier ist Taktschlagen Nebensache, Gestalten steht im Vordergrund, die Linke ist ständig im Einsatz, reguliert, formt, auch die Rechte mitsamt Stab beschreibt die Bögen mit. Plastizität und Schlüssigkeit sind das Ergebnis. Natürlich braucht es dazu den richtigen Klangkörper – mit den Damen und Herren des West-Eastern Divan geht Barenboims Konzept wunderbar auf.
Das Orchester ist nicht allein von entsprechender Güte, sondern klingt dabei ausgesprochen delikat, insbesondere die Holzbläser sorgen mit ihrem zarten Klang für eine feine Gesamtnote. Mein Abo-Platz ist auch für die Mozart-Besetzung bestens geeignet. Die Trompeten bekrönen ohne störende Schärfe, die Hörner kommen gut durch, das Holz eh, die Violinen anders als unterm Dach wieder schön präsent, die tiefen Streicher, vor allem Bässe, wunderbar sonor. Und ganz nebenbei bemerkt ist die Sinfonie als solche auch ganz erträglich – fast schon ein ausgewachsener Beethoven.
Der Strauss nach der Pause geht dann erst recht runter wie Öl. Eine Top-Interpretation, bei der besonders die Balance zwischen eleganter, weit schwingender Opulenz und plötzlichen, soghaften Tempoverschärfungen überzeugt. Die Elphi-Akustik bietet dabei faszinierende Einblicke in die Instrumentation und Klangfarbenwerkstatt. Beispielhaft dafür sei das Zusammenspiel von Tenortuba und Fagott genannt, welches seine besondere Wirkung daraus gewinnt, dass beide Instrumente zwar für sich wunderbar transparent zu vernehmen sind, gleichzeitig aber gemeinsam diese ungewöhnliche Klangkombination in den Saal schicken. Für beseelte Momente inniger Verklärung sorgt Kian Soltani am Cello, vor allem der bittersüß-wehmütige Schluß ist von geradezu entrückter Qualität. Sehr sympathisch dann von Barenboim, auch das Verdienst der zweiten Solistin, Miriam Manasherov, angesichts des allgemeinen Jubels über den Cellisten, durch entsprechende Gesten zu betonen.
Nichts desto trotz gehörte die erste Zugabe Soltani, der, von den beiden Harfen begleitet, den Schwan aus dem Karneval der Tiere mit betörendem Ausdruck vorüberziehen ließ, während ihm Barenboim von einem Platz im Orchester aus lauschte. Für die zweite und dritte Zugabe wechselte der Solist dann seinerseits ins Orchester, um auch an diesen – in die Cellogruppe integriert – mitzuwirken. Beim Valse triste arbeitet Barenboim, ähnlich wie ich es vor Jahren bei Paavo Järvi und seinen Bremern gehört habe, mit extremen Pianissimi, ist dabei aber weniger kontrastierend in den Tempowechseln. Und auch die Glinka-Ouvertüre bleibt trotz aller Virtuosität und Schnellkraft eine äußerst elegante Angelegenheit – kein Vergleich etwa zu Solti, der das London Symphony Orchestra mit äußerster Schärfe durch die Partitur peitscht (ich persönlich kann beiden Sichtweisen viel abgewinnen). Eleganz und Spannung, Barenboim bleibt bis zum Schluß seiner Linie treu – das neben dem Auftritt der Wiener Philharmoniker vielleicht technisch und gestalterisch beeindruckendste Konzert in der Elbphilharmonie für mich soweit.
Randnotiz: Man hat sich ja bereits fast damit abgefunden, dass der neue Musentempel eine bestimmte, leider besonders amusisch veranlagte Zielgruppe zuhauf anzieht: die Gruppe der Schnöseleumel. Allem Anschein nach gutsituierte Kulturlegastheniker, meist vergleichsweise junge Paare, er den Specknacken unter dem gegelten Haupt in edlen Zwirn geschnürt, sie ein nettes, blondes Accessoire im Kleidchen an seiner Seite. Nachdem das altbekannte Programmheftgeblättere, Handtaschengekrame, ergänzt durch Fotografiererei und Mitgefilme bei diesen Besuchern zur Verhaltens-Grundausstattung gehört, durfte ich heute einer für mich ganz neuen Form der asozialen Übersprunghandlung teilhaftig werden: Man wähle die leisest denkbare Stelle im Valse triste und nutze jene dafür, seinen dicken Schwanzverlängerungs-Prollchronometer unter Ausnutzung der akustischen Möglichkeiten dieses Wundersaales für alle Umsitzenden gut sicht- und vor allem hörbar aufzuziehen. Die Aufmerksamkeit, der Respekt und die Bewunderung eines ganzen Blocks waren diesem sympathischen Kunstkenner für den Abend gewiß. Wer hat, der kann!