20:00 Uhr, Ebene 13 E, Reihe 3, Platz 13
Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 6 a-Moll
Das flotte, zackige Dirigat Welser-Mösts hat mich ziemlich überrascht, weil ich den Mann irgendwie mit eher breiten Tempi abgespeichert hatte – wohlgemerkt nicht im Zusammenhang mit Mahler. Hat mir sehr zugesagt, gleich der erste Satz startet energisch und drängend, wie es sein soll. Auch die wehmütig-zerrissene Stimmung des Andante – heute an zweiter Stelle stehend – wurde sehr intim eingefangen. Im Scherzo, insbesondere aber im Finale, ließ Welser-Möst, ungeachtet der fortwährenden Steigerungs- und Auflösungswellen an der Grenze des orchestral Leistbaren, nie Zweifel an der Klarheit der monumentalen Konzeption Mahlers aufkommen und trieb sein Orchester gleichzeitig zu einem äußerst mitreißenden Kampf der Kräfte an. Momente der Kontemplation wiederum, wie die Passagen mit Herdenglocken und Glockenschlägen aus der Ferne, welche rechts und links im hinteren Zugangsbereich zur Bühne realisiert wurden und für einen akustisch bemerkenswert stimmigen Effekt sorgten, gestaltete der Dirigent mit der gebührenden Sensibilität.
Zwei Einschränkungen sorgten allerdings dafür, dass mir persönlich das letzte Quäntchen Mahler-Rausch versagt blieb: Ohne Welser-Mösts Konzeption an sich in Frage stellen zu wollen (über Kleinigkeiten lässt sich natürlich immer streiten – so ging ich beispielsweise mit der Artikulation eines bestimmten Streichermotivs im Andante und dem damit verbundenen Ausdruck nicht ganz mit), bin ich doch bei aller Wertschätzung für Präzision und Kontrolle ein Freund davon, die abgründigen Extreme bei Mahler auf der letzten Rille zu fahren. Derb reicht da manchmal nicht, das kann dann ruhig ins Vulgäre umschlagen. Kontraste nicht allein im Tempo und der Dynamik, sondern immer auch im Klangbild. Und diese Einschätzung geht mit Einschränkung Nummer zwei einher: Die Gäste aus Cleveland sind ein Spitzenorchester, liefern aber nicht immer unbedingt die Klangfarben, welche mir für Mahler vorschweben. Es ist schwer, das an einzelnen Orchestergruppen festzumachen, aber der Vergleich mit anderen Weltklasse-Klangkörpern in diesem Saal fällt rein subjektiv nicht zu Gunsten der Amerikaner aus.
Dennoch bin ich mehr als froh und dankbar, diese sinfonische Tour de Force in solch vollendeter Darbietung erlebt zu haben. Für Mahler nur das Beste – Geschmäcker hin oder her.