19:30 Uhr, 1. Rang rechts, Loge 3, Reihe 1, Platz 1
Joseph Haydn – Klaviersonate (Divertimento) Nr. 32
op. 53 Nr. 4 in g-Moll Hob. XVI:44
Joseph Haydn – Klaviersonate (Divertimento) Nr. 47 op. 53 Nr. 4 in g-Moll Hob. XVI:44
op. 14 Nr. 6 in h-Moll Hob. XVI:32
Joseph Haydn – Klaviersonate Nr. 49
op. 30 Nr. 2 in cis-Moll Hob. XVI:36
(Pause)
Franz Schubert – Vier Impromptus für Klavier D 935 – op. 142 (posth.)
6 Zugaben
Mein absoluter Lieblingspianist macht es heute besonders spannend. Die Website des Veranstalters schweigt sich noch eine Stunde vor dem Konzert über das Programm aus – „... wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben ...“ kennt man schon, heute lüftet sich das Geheimnis erst im Eingangsfoyer der Laeiszhalle: Haydn und Schubert, so so. Wobei es ja keine wirkliche Rolle spielt, was Herr Sokolov zu spielen gewillt ist. Die Vorzüge des Klavierliteratur-Laien hatte ich bereits bei einem seiner vorangehenden Gastspiele gepriesen, obwohl persönliche Präferenzen auch in diesem Metier nicht von der Hand zu weisen sind. Sollte man zumindest meinen. Joseph Haydn steht bei mir zwar generell höher im Kurs als der Branchenliebling aus Salzburg, kommt bei der musikalischen Selbstverpflegung aber ebenfalls kaum zur Anwendung. Umso verblüffender, wie viel mir die drei Sonaten – in der unnachahmlichen Fürsprache durch den Solisten – gesagt haben, wie leicht der Zugang zu ihnen heute gelang.
Bei Weltklassepianisten gibt es immer wieder diese Momente, in denen das Unerhörte aufblitzt, das sprachlos Machende, das ihr Klavierspiel von dem anderer hervorragender Vertreter ihres Fachs unterscheidet. Bei Sokolov herrscht dieser Moment vom ersten bis zum letzten Tastendruck. Heute traten all die bereits in anderen Konzerten vielgepriesenen Vorzüge noch einmal mit Macht in Erscheinung. Die zum Greifen spürbare Anspannung und Konzentration, welche ein enorm fokussiertes, intensives Erleben erzwingt. Der beispiellose Facettenreichtum in Bezug auf Dynamik, Artikulation, diese wahnwitzige Bandbreite des Anschlags. Die scheinbare Leichtigkeit, mit der er einen Fluß aus Läufen oder Trillern hingießt. Und nicht zuletzt die Überzeugungskraft seiner Interpretation, die auch bei der ersten Begegnung eine beispiellose Vertrautheit aus den Werken abstrahlen lässt.
Während beim Haydn noch das Staunen über diese unerwartet „clevere“ Musik überwog, gelang es Sokolov mit den Schubert-Stücken die tiefsten Tiefen in Musik gegossener menschlicher Empfindung auszuloten – erschütternd ist eine schwache Umschreibung. Die abschließenden sechs Zugaben – eine Mischung aus fast schon obligatorisch verwendeten und neu aufgenommenen Stücken – bilden für sich genommen den Kosmos dieses großen Künstlers ab: Perfektion, Anmut, Ernsthaftigkeit, Ekstase.