4. Dezember 2019

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen –
Paavo Järvi. Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich B, Reihe 3, Platz 6 



Johannes Brahms – Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15 
(Igor Levit)

Zugabe des Solisten:
Franz Schubert – Allegretto As-Dur aus: Moments musicaux D 780

(Pause)

Joseph Haydn – Sinfonie Es-Dur Hob. I/103 »Mit dem Paukenwirbel«

Zugabe:
Ludwig van Beethoven – Allegro molto e vivace aus:
Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21



Herrn Levit beim Klavierkonzert gewissermaßen auf dem Schoß, bzw. als staunendes Äffchen auf der Schulter zu sitzen, mag den akustischen Gesamteindruck vielleicht in subjektivere Gefilde gelenkt haben als sonst, erwies sich jedoch angesichts der sich dadurch ergebenden fokussierten Innensicht auf sein Ausnahmekönnen als äußerst gute Wahl. In Kombination mit Järvis gewohnt knackiger Lesart, durch die er mit seiner Kammerphilharmonie an gleicher Stelle Brahms bereits einer symphonischen Frischzellenkur unterzog (Link), wurde auch diese verkappte Sinfonie mit obligatem Klavierpart zur energischen Offenbarung.

Wilde Entschlossenheit, mürrischer Ernst, ja Verzweiflung wechseln sich im Kopfsatz fast sprunghaft mit zarter Wehmut und Versonnenheit ab. So extrem als emotionale Achterbahnfahrt habe ich diesen Satz wohl noch nicht erlebt – ein ausgesprochen mitreißender, berührender Ansatz. Das Konzept starker Kontraste im Ausdruck setzt sich dementsprechend auch satzübergreifend fort, vom kolossalen Ersten über den kontemplativen Zweiten zum furiosen Kehraus des Finales. Wenn es einem dann noch vergönnt ist, von der Hingabe und Leidenschaft, die Levit in dieses Werk investiert, aus nächster Nähe beschienen zu werden, weiß man, spürt man, wie viel diese Musik zu geben vermag. Die Schubert-Zugabe ist wie ein süßes Versprechen auf weitere wunderbare Klavierabende.

Nach der Pause „lediglich“ den Haydn zu bekommen, hatte mich im Vorfeld ehrlicherweise nicht unbedingt in Verzückung versetzt. Aber selbst ein Banause wie ich kommt nicht umhin, die Klarheit, die Frische, den Verve im Umgang mit dieser Musik dankbar zur Kenntnis zu nehmen, welche Järvi dem alten Schinken entlockt. Überhaupt Järvi, der Schelm – macht Faxen, blickt angesichts imitierter Vogelrufe in der Partitur scheinbar irritiert gen Saaldecke, dreht sich mit hochgezogener Augenbraue zum Publikum um. Und das alles – wie auch immer er das macht – ohne aufgesetzt oder affig zu wirken. Gewissermaßen spiegelt er nur das Gewitzte Haydns, ohne jedoch aus dessen Musik eine Show zu machen. Eine pfeilschnelle Beethoven-Zugabe beschließt diesen ungetrübt labenden Abend.