14. August 2019

National Youth Orchestra of the USA –
Sir Antonio Pappano.
Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 3, Platz 9



Tyson J. Davis – Delicate tension
Hector Berlioz – Les nuits d’été (Joyce DiDonato – Mezzosopran)

(Pause)


Richard Strauss – Eine Alpensinfonie op. 64

Zugaben:
Edward Elgar – Nimrod aus: Enigma-Variationen op. 36
Gioachino Rossini – Galopp aus: Ouvertüre zu »Guillaume Tell«



Man erlebt es nicht unbedingt alle Tage, dass sich Orchestermitglieder nach getaner Arbeit vor Freude weinend in die Arme fallen – so geschehen bei den jungen Damen und Herren des National Youth Orchestra of the USA nach der mit tosendem Applaus honorierten Herkulesaufgabe der Alpensinfonie und zweier weiterer Zugaben, die das Publikum der Elbphilharmonie zu stehenden Ovationen begeisterten. Doch der Reihe nach. Überraschte das Jugendorchester eingangs mit ganz eigenem Dresscode, bei dem für Männlein und Weiblein gleichermaßen rote Hosen die dunklen Sakkos ebenso komplettierten wie Chucks als bühnenungewohntes Schuhwerk, wurde jedoch schnell klar, dass das Teenager-Kollektiv durchaus auch akustisch in der Lage ist, Akzente zu setzen.

Gleich beim ersten Stück „Delicate tension“ des jungen Komponisten Tyson J. Davis präsentiert Antonio Pappano die volle Sound-Breitseite des Orchesters. Das Werk erinnert entfernt an Bernard Herrmann auf Steroiden und hält allerlei Gewaltiges und Eruptiv-Schillerndes bereit, Alarmsirene inklusive – womit allerdings gleich mal auch ein hübscher Bogen zur straussschen (Wind-)Klang-Maschinerie geschlagen wurde, wenn ich es genauer bedenke. Für mich persönlich folgte mit Berlioz’ „Les nuits d’été“ der erste Höhepunkt des Abends. Wer den Franzosen durch – wohlgemerkt allzu oberflächliche – Beschau seiner Symphonie Fantastique als Mann fürs Grobe und Grelle abgespeichert hat, sollte sich in die Zauberwelt dieses zarten Sommernachtstraumes begeben. Für mich einer der schönsten und berührendsten Liederzyklen überhaupt und wieder einmal eine enorme Inspiration für den großen Herrn Wagner, aber in gewisser Weise auch für meinen geliebten Britten und seine Beiträge zur Gattung. Obgleich ich mich weiterhin nicht hundertprozentig für Frau DiDonatos Stimme erwärmen kann, stellt sie doch hier eindrucksvoll unter Beweis, welche phänomenalen Nuancen sich aus dieser Partitur gewinnen lassen.

Bei der antichristlichen Seelenwanderung nach der Pause legt Pappano dann ein verblüffend flottes Marschtempo an den Tag. So richtig eingeordnet hatte ich diesen Dirigenten bislang nicht wirklich, aber warum auch immer hatte ich ihn gemütlicher eingeschätzt. Umso besser, so kann die existentielle Auseinandersetzung mit der Natur was werden – und sie wurde. Auch wenn uns im Eifer des Gefechts der ein oder andere kleinere, vorwiegend blechbezogene Schaden ereilte, bleibt doch festzuhalten, dass sich der stramme Ritt mehr als gelohnt hat. Manch schöne lyrische Phrase fiel mir in Pappanos Starkstromdirigat ein wenig zu sehr über die Klippen und Grate, aber alles in allem hatte ich eine richtig gute Zeit mit den jungen Wilden.

Zeit zum (Durch-)Atmen gab es dann eh noch im Nimrod genug, bevor man sich mit Rossini Hals über Kopf in den wohlverdienten Beifallsorkan warf. So hinterlässt man bleibenden Eindruck – Gratulation zum Debut!