19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 2, Sitz 1
Jean Sibelius – Andante Festivo, arr. SIGNUM saxophone quartet
Alexander Glasunow – Saxophonquartett B-Dur op. 109
György Ligeti – Sechs Bagatellen, arr. Guillaume Bourgogne
(Pause)
Samuel Barber – Adagio for Strings op. 11, arr. Johan van den Linden
George Gershwin – Suite nach Themen aus der Oper „Porgy and Bess“, arr. Sylvain Dedenon
Plus Zugaben
(Blaž Kemperle – Sopran, Erik Nestler – Alt, Alan Lužar – Tenor, David Brand – Bariton)
Ich geb's ja zu: Eigentlich war dieses Konzert nur als nachgelagerter Brückenkopf für die Operation zur Erstürmung der Schlosstheater-Abendkasse gedacht, gewissermaßen als Rechtfertigung, überhaupt den Abstecher zu den Schwetzinger Festspielen anzutreten. Nachdem die vage Hoffnung auf Restkarten für das Konzert im Rokoko-Saal bereits nachmittags Erlösung empfangen hatte, machten sich kurzzeitig düstere Gedankenspiele breit. Ob man denn das zweite, abendliche Konzert wirklich durchziehen wolle, wo doch auf der bahneigenen Theaterbühne die Tragödie „Streik“ eine ungewisse und wenn dann gewiss späte Rückfahrt prophezeite.
Im Nachhinein ist man immer schlauer, wer hätte denn ahnen können, daß sich hinter einem Kammerkonzert mit recht exotischer Besetzung das bislang mit Abstand beeindruckendste musikalische Erlebnis meiner Reise in den Südwesten verbergen sollte. Saxophonquartett? Saxophonquartett! Was sich zumindest für mich nach einer eher gewöhnungsbedürftigen Kombination anhörte, entpuppte sich als Ohrenschmaus sondergleichen. Ja ich muß gestehen, daß mir in mehrhundertfacher Konzertbesuchshistorie bis zum heutigen Tag nie bewußt ein Sopran- oder Baritonsaxophon untergekommen ist. Und wieder was gelernt: es gibt durchaus Originalkompositionen für diese Quartettform. Aber auch die Bearbeitungen des heutigen Konzerts haben es in sich.
Ob getragen-feierlich (Andante Festivo), spritzig-virtuos (u.a. Glasunow und Ligeti), innig-verströmend (Barber) oder aberwitzig-explodierend (Zugaben) – keine Facette des Ausdrucks, die von den vier Herren heute nicht voller Leidenschaft transportiert worden wäre. Dabei hat mich, abgesehen von der kompromiss- und makellosen Ausführung, vor allem die schier unerschöpfliche Vielseitigkeit der Instrumentenfamilie nachhaltig beeindruckt.
Der sonore Klang des Baritonsaxophons, am ehesten vielleicht noch mit einem unglaublich warmen und vollen Kontrafagott zu vergleichen, auf der einen Seite, auf der anderen das faszinierende Soprangegenstück, mal in klarinettenhaftem, weichem Tonfall betörend, dann in hoher Lage silbrig, fast trompetenähnlich das Gefüge durchschneidend. Doch auch die beiden bekannteren Vettern Alt und Tenor wußten, durch die meisterhafte Behandlung ihrer Besitzer zu allerhand ungehört-unerhörtem motiviert, zu überraschen.
Schrill, rau, weich, perkussiv, und dann immer wieder dieser unglaublich homogene Mischklang im Zusammenspiel, edelstes Piano, nahtlos verlöschend oder aus dem Nichts erstehend, was ist bloß alles aus dem Messing herauszuholen – wohlgemerkt nicht als Selbstzweck, sicher schon um zu begeistern und zu verblüffen, aber immer im Dienste der durchweg gehaltvollen und vielschichtigen Kompositionen. Wobei ich hier ausdrücklich die gern von Klassiknasen belächelten durchjazzten Gershwin-Sachen und auch die Balkan-Zugabe einschließen möchte.
Umso bemerkenswerter die Fähigkeit der vier Musiker, sich binnen kürzester Zeit auf einen jeweils komplett anderen Charakter und Gestus einzustellen. Wahrscheinlich eine Selbstverständlichkeit für Kaliber dieser Begeisterungsstufe, trotzdem für mich heute ein Ereignis.