Diese Produktion wird leider weder musikalisch noch szenisch dem Werk gerecht. Die Positionierung des Orchesters auf der Bühne bzw. in einem dort mittels Hebemechanik geschaffenen Graben ist inhaltlich unbegründet und akustisch mehr als unglücklich. Falls den nun meist vor den Instrumentalisten agierenden Sängern damit größere Chancen im Wettbewerb mit dem Schrekerschen Orchesterapparat eingeräumt werden sollten, so geht diese Intention ebenso fehl, wie es untrüglich zu den Aufgaben des Dirigenten gehört, für ein ausgewogenes Klangbild zu sorgen. Einzig einige lyrische Passagen, vor allem die anrührend erinnerungsbenetzten Szenen zwischen Lola und Christobald im ersten Akt sind geneigt, zumindest die zarte Facette der Partitur Schrekers angemessen zu vermitteln.
Abgesehen von Wieland Satter als Peter, der eine große, klang- und eindrucksvolle Stimme besitzt und Uwe Eikötter als Christobald, bei dem die Stärke neben stimmlicher Präsenz in seiner dämonischen Aufladung der Rolle im Darstellerischen liegt, können die übrigen Sänger (-Darsteller) nicht überzeugen. Heiko Börner als Graf Heinrich hat passable Spitzentöne – viel mehr aber auch nicht, Adelheid Finks Stimme (Eva) ist gerade bei selbigen nur sehr schwer zu ertragen. Der Rest absolviert seine Partien unauffällig bis überfordert.
Den Genickbruch erleidet der Abend durch eine uninspirierte, handwerklich schlechte Regiearbeit, die in der Regel kaum Kenntnis von den musikalischen Vorgängen nimmt. So geraten insbesondere Schrekers gewaltige Klangballungen oft zum sprichwörtlichen Lärm um nichts – Hitzige Erregung erfährt keinen szenischen oder darstellerischen Wiederhall, man steht viel rum, gern auch möglichst weit voneinander entfernt, wenn es gerade laut Handlung besonders innig oder hitzig wird. Schon klar, das ist Konzept – seelische Distanz und so – aber dann ist halt das Konzept großer Mist. So kommt jedenfalls nichts rüber von dem, was diese wundervolle, erotische, wollüstige, verzehrende Musik bereithält. Nicht zu mir, der sie liebt, und ganz sicher auch nicht zu denen, deren Herzen erst noch für Schreker gewonnen werden wollen.
Man könnte noch viel schreiben, über das Ausbleiben der Personenregie als solcher, über stumpf umherwatschelnde Choristen (Konzept!), über schlechte Raumaufteilung und mangelnde visuelle Führung (Was passiert noch mal da ganz hinten, während die Catwalk-Lerngruppe das Bild zustöckelt? Was Wichtiges? – besser nicht. Aber hey, dafür hat man beste Sicht auf einen mit Müllsäcken gefüllten Orchestergraben, der – verrückt – nur ein, zwei Mal zögerlich als Bällebad für Schubserei und Mord Verwendung findet). Über nichtssagende, unfreiwillig komische Kostüme (Hat der anfängliche Trümmerfrauen-Schichtenlook mit Smog-Hut der vorgeblich zu Sexualobjekten degradierten angesprochenen Damenbrigade eine tiefere Bewandtnis? Ist es wirklich nur die simple Metapher des „Zerrissenen“? Möchte man vermeiden, daß die Hüllen „wirklich“ sexy fallen? Ist deshalb der Übergang von ein paar abgelegten Blusen zu Schaufensterpuppen in Unterwäsche auch so holprig? Ganz abgesehen davon, daß ich mir kaum ein plumperes Bild für die Projektion männlicher Gelüste vorstellen kann. Ich habe kürzlich einen Monty-Python-Sketch über eine Schnöselwettkampf, unter anderem mit der Disziplin „BH Öffnen“, gesehen – darin wurde sich deutlich unterhaltsamer an Schaufensterpuppen vergangen als in dieser Inszenierung bei Grafens). Über dies und das und Schall und Rauch. Ich hab aber keine Lust.
Bleibt als Fazit: Schreker-Verpuffung im Pfalztheater. Dem Komponisten bleibe ich treu, bei der Wirkungsstätte läuft es gleich nach der ersten Begegnung auf eine Trennung, um erst mal ein wenig Abstand zu gewinnen, hinaus.
Franz Schreker – Irrelohe
Musikalische Leitung – Uwe Sandner
Inszenierung – Holger Müller-Brandes
Bühne – Thomas Dörfler
Kostüme – Almut Blanke
Licht – Manfred Wilking
Chor – Ulrich Nolte
Dramaturgie – Andreas Bronkalla
Graf Heinrich – Heiko Börner
Der Förster – Hubertus Bohrer
Eva, seine Tochter – Adelheid Fink
Die alte Lola – Katja Boost
Peter, ihr Sohn – Wieland Satter
Christobald, ein Hochzeitsspieler – Uwe Eikötter
Der Pfarrer – Vladimir Gerasimov
Der Müller – Peter Hamon
Fünkchen, Musikant – Daniel Kim
Strahlbusch, Musikant – Daniel Böhm
Ratzekahl, Musikant – Alexis Wagner
Anselmus, Hauswart auf Irrelohe – Radoslaw Wielgus
Orchester des Pfalztheaters
Chor und Extrachor des Pfalztheaters
Statisterie des Pfalztheaters