Alban Berg – Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“ (Lara Boschkor)
(Pause)
Anton Bruckner – Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107
Momentan verhält es sich so: Jenseits selbst auferlegter Abofesseln ertappe ich mich, trotz vielbeschworener Lobbyarbeit wider ausgetretene Programmpfade, nicht selten dabei, die Wahl meiner Konzertbesuche an das mir Bewährte zu knüpfen. Wobei häufig der Dirigent der Ausschlag gebende Faktor dafür ist, überhaupt ein bestimmtes Konzert in Erwägung zu ziehen. Der Wunsch, weitere Orchester, wenn vorhanden großen Namens, kennenzulernen, ist immer mehr ein nachgelagerter, mehr dem technischen Abgleich zuzuschreibender.
Bei den Hamburger Symphonikern verhält es sich seltsamer Weise aber etwas anders. Mittlerweile untrüglich das Heimspielorchester meiner Wahl, kommt durch den Faktor Tate und die bereits oft angesprochene Programmvielfalt und -Tiefe für mich so langsam der Punkt, an dem ich mich frage, warum ich noch kein Abonnement dieser wunderbaren Institution besitze. Zumal wenn Programme wie das heutige einen regelrechten Sturzbach auf die Mühlen meiner musikalischen Vorlieben geben. Das Thema bleibt also aktuell, einzig meine Angewohnheit, den Sitzplatz der jeweiligen Besetzung (Orchestergröße? Solisten? Chor?) anzupassen, läßt mich weiter zögern.
Keine Sekunde Bedenkzeit brauchte ich hingegen für den Besuch des heutigen Konzertes. Berg und Bruckner – was für eine Kombination! Auf der einen Seite das einfühlsame Violinkonzert, in seinem Ausdruck teilweise noch ganz bei Mahler und doch unverkennbar Berg, in seinen Klangmitteln und der Harmonik immer wieder Britten am Horizont aufglimmen lassend. Auch wenn das Alter der Solistin bei so manchem Besucher wahrscheinlich den unvermeidlichen Sensationsimpuls ausgelöst haben mag, sollte es angesichts von Lara Boschkors Vortrag, den man erwachsen, reif oder – die (Wunder-)Kind-Schublade schließend – auch einfach dem Wesen des Werkes in jeder Form angemessen nennen kann, schlicht kein Thema sein. An einigen Stellen, vornehmlich im Zusammenspiel mit dem Orchester-Tutti, hätte ihr Spiel etwas kräftiger sein können, was wahrscheinlich doch (noch) der Physis geschuldet ist.
Gleich mit den ersten Takten Bruckner wird die Konzeption Tates klar: Geschwindigkeit raus, Gestaltung rein. Selten habe ich eine Bruckner-Sinfonie so langsam und dabei so differenziert und erhaben erlebt. Die Gefahr, daß diese ohnehin breite Musik ab einem gewissen Tempo ins Schleppen gerät oder gar zerfällt ist groß, wird jedoch von Tate durch einen konzentrierten Spannungsaufbau gebannt, der sich Zeit für die Feinheiten der Partitur läßt und den Aufbau besonders plastisch erlebbar macht – insbesondere das registerartige Schichten Bruckners erfährt hierdurch eine enorm transparente und gleichsam intensive Wirkung.
Wie so oft schöpft Tate Kontraste weniger aus dem Tempo-, denn dem Dynamikgefälle. Es gehört zu den absoluten Stärken des Chefdirigenten aufzuzeigen, daß es eben ungleich mehr gibt als laut und leise, welche feinen Abstufungen gerade im unteren Dynamikbereich möglich und für eine sensible Gestaltung bereichernd sind. Ein Prinzip, das vor allem auch im gewaltigen Adagio viel zu einer besonders weihevollen Lesart beiträgt, wenn sich die gewaltigen Bögen der Steigerungen aus zartesten Quellen speisen. Die dynamischen Spitzen der Sätze versieht Tate zudem oft mit einem ritardando, welches die Wucht dieser Gipfel ins kaum steigerungsfähige hebt.
Besonders spannend habe ich das Konzept des langsamen Grundtempos im Scherzo erlebt. Anders als beispielsweise kürzlich beim SOdBR (Link), wo Jansons mit seinem Hochgeschwindigkeitsdirigat einen regelrechten tänzerischen Taumel entfachte, bleibt Tate auch hier seiner Linie treu und zieht das – für mich durchaus ungewohnte – Tempo konsequent durch, was dem Satz eine gewisse bärbeißig-stoische Note als Rahmen für das Trio verleiht.
Das Orchester zeigt sich wieder einmal blendend aufgelegt, insbesondere Streicher und Blech wunderbar – die Blechgruppe von geradezu genialer Färbung, die einzelne kleine Wackler unerheblich werden läßt. Das ist der Bruckner-Sound!
Fazit: Sie wollen in Hamburg ein besonderes Konzert erleben? Die Hamburger Symphoniker unter Jeffrey Tate sind Ihre Wahl.
Besonders spannend habe ich das Konzept des langsamen Grundtempos im Scherzo erlebt. Anders als beispielsweise kürzlich beim SOdBR (Link), wo Jansons mit seinem Hochgeschwindigkeitsdirigat einen regelrechten tänzerischen Taumel entfachte, bleibt Tate auch hier seiner Linie treu und zieht das – für mich durchaus ungewohnte – Tempo konsequent durch, was dem Satz eine gewisse bärbeißig-stoische Note als Rahmen für das Trio verleiht.
Das Orchester zeigt sich wieder einmal blendend aufgelegt, insbesondere Streicher und Blech wunderbar – die Blechgruppe von geradezu genialer Färbung, die einzelne kleine Wackler unerheblich werden läßt. Das ist der Bruckner-Sound!
Fazit: Sie wollen in Hamburg ein besonderes Konzert erleben? Die Hamburger Symphoniker unter Jeffrey Tate sind Ihre Wahl.