26. September 2017

Tongyeong Festival Orchestra – Heinz Holliger.
Elbphilharmonie Hamburg.

19:00 Uhr Einführung, 20:00 Uhr, Ebene 15 N, Reihe 4, Platz 7



Maurice Ravel – Le tombeau de Couperin
Isang Yun – Violinkonzert Nr. 3 (Clara-Jumi Kang)
Zugabe: Bach?

(Pause)

Isang Yun – Harmonia / für Bläser, Harfe und Schlagwerk
Maurice Ravel – Ma mère l’oye / Ballettmusik



Zu viele grobe Menschen besuchen ein Konzert mit sehr feiner Musik, das Störgeräuschgewitter hat sich heute wieder mal besonders heftig entladen. Ich hoffe weiterhin, dass die Zeit und ein Ende des Hypes Besserung mit sich bringen werden. Interessant auch, wie viele leere Plätze den großen Saal zieren. Ich persönlich habe da weniger eine Grippewelle im Verdacht, als diverse Ticket-Spekulanten, die ihre Beute nicht losgeworden sind.

Nun aber zum Wesentlichen, einem rundum gelungenen Musikabend. Schon in der Einführung lernen wir Heinz Holliger als sympathischen Herrn kennen, der, insbesondere zu Isang Yun befragt, die bewegte Biografie sowie das Schaffen des Komponisten und politisch Verfolgten als Zeitzeuge intensiv beleuchtet. Neben den erschütternden Schilderungen der Repressalien, mit denen Yun von seinen eigenen Landsleuten aufgrund seines Einsatzes für ein geeintes Korea bedacht wurde, bis hin zur zwischenzeitlich drohenden Todesstrafe, zeichnet besonders der Hinweis auf das Streben nach musikalisch-kultureller Verschmelzung europäischer und asiatischer Traditionen ein lebendiges Bild des Künstlers.

Ich muss allerdings gestehen, dass ich in Yuns Musik nach dem ersten Eindruck wenig Fremdartiges, Fernöstliches entdeckt habe. Für meine weder in Donaueschingen, noch in Seoul geschulten Ohren klingt das einfach wie avantgardistische Nachkriegsklassik halt klingen kann. Holliger sprach von tonal wirkenden Strukturen, die mit „unserem“ Dur-Moll-System allerdings nichts zu tun hätten – das wird so sein, aber im Ergebnis löst diese Musik sicher keinen Kulturschock aus. Was nicht heißt, dass ich diesen herbeigesehnt hätte, aber nach den Ausführungen im Interview war ich auf härteren Tobak eingestimmt. Viel ist davon nach der ersten Begegnung jedoch ohnehin nicht hängengeblieben, wenn ich ehrlich bin.

Holliger als Dirigent gefällt mir ziemlich gut. Eine durchweg straffe Lesart des Ravel, federnd, aber ohne Krassheiten. Die überschaubare Besetzung des Tongyeong Festival Orchestra – man hätte dem Namen auch ein „Chamber“ hinzufügen können – trug dazu bei, dass Transparenz und zumeist leise Töne ein exquisites akustisches Erlebnis für besonders spitze Ohren bereiteten (allein diese gestopften, gedämpften Hörner!), ja, wenn sich nur Gehuste und Geschwätz nicht ähnlich eindringlich in die Stille eingebracht hätten wie Solo-Oboe oder Englischhorn. Beeindruckend in jedem Fall, zu welcher Klangeruption selbst diese relativ kleine Schar Musiker den Schluß von Ma mère l’oye führen können.

Der Platz ist akustisch wie sichttechnisch mehr als brauchbar, wenngleich eben wirklich neben der Bühne verortet– kann man zur Not machen, ich für meinen Geschmack möchte nach Möglichkeit immer im Rücken des Dirigenten sitzen. Spaßeshalber werde ich sicher auch mal die Plätze hinter dem Orchester ausprobieren, klanglich erhoffe ich mir davon jedoch wenig. Interessant bzw. bemerkenswert ist der Umstand, dass es schon ausreicht, sich gen Geländer vorzubeugen, um deutlich an Klarheit zu gewinnen. Diesen Effekt konnte ich bis jetzt auf jedem Platz ab Ebene 15 himmelwärts ausmachen.

Fazit: Das nächste Mal die Störquellen durch Sandsäcke ersetzen und gut ist.