20:00 Uhr, Parkett rechts, Reihe 9, Platz 5
Georg Philipp Telemann – Miriways TWV 21/24,
Oper in drei Akten (konzertante Aufführung)
Leitung – Bernard Labadie
Miriways – André Morsch
Sophi – Robin Johannsen
Bemira – Sophie Karthäuser
Nisibis – Lydia Teuscher
Murzah – Michael Nagy
Samischa – Marie-Claude Chappuis
Zemir – Anett Fritsch
Gesandter – Paul McNamara
Geist, Scandor – Dominik Köninger
Akademie für Alte Musik Berlin
Bedenkt man, wie wenig Bock ich im Vorwege auf dieses Konzert hatte und wie knapp an der Nachweisbarkeitsgrenze meine Erwartungshaltung verlief, hat sich der Abend durchaus vorteilhaft entwickelt. Bei meiner ersten Begegnung mit einer Telemann-Oper überhaupt ging es erst mal back to the roots, bzw. back to good old Laeiszhalle – Elbphilharmonie-Abo 3 mit Retro-Einstand. Dass mit Herrn Volle der aktenkundig zugkräftigste Name der Besetzung als Ausfall zu vermelden war, noch dazu für die Titelpartie, machte die Sache erst mal nicht attraktiver, ermöglichte es Herrn Morsch jedoch, als Einspringer zu überzeugen. Wenn ich leise Kritik üben möchte, dann nur teilweise an der darstellerischen Umsetzung der Rolle, bzw. der Intensität, oder anders ausgedrückt: hier und da vielleicht etwas weniger darauf achten, schön zu singen, als vielmehr auch mal über die Stränge schlagen, beispielsweise tatsächlich (stimmlich) aus der Haut fahren, wo es das Libretto nahelegt.
Überhaupt ist das vielleicht ein allgemeiner Kritikpunkt an das ganze Ensemble, das immer ohrenschmausig, bisweilen aber auch etwas brav agierte. Naturgemäß gibt natürlich die Rolle des herrlich intriganten Zemirs deutlich mehr Futter, um schauspielerisch zu glänzen, als beispielsweise ein Sophi, der das Gros seiner Austritte mit Leiden und Lamentieren über sein Schicksal zunölt; dafür kann die gute Robin Johannsen – erst kürzlich im kleinen Saal (Link) der Elbphilharmonie kennengelernt – natürlich nichts. Und dennoch bereitet es ungleich mehr Freunde, Anett Fritsch mit überbordender Spielfreude beim Ausbaldovern von Boshaftigkeiten beizuwohnen. Michael Nagy als Murzah füllt den erst treudoof erscheinenden, am Ende jedoch durchaus feurigen Verehrer der Nisibis ebenfalls mit Leben. Für Achtungsmomente sorgt Dominik Königer, der in seinen beiden Kurzauftritten jeweils eine beeindruckende Stimme präsentiert.
Die Überraschung des Abends liefert aber Telemann selbst mit seiner Komposition. Führt man sich den formalen Aufbau der Oper vor Augen, die, bis auf wenigste Ausnahmen auf der stoisch durchgezogenen Abfolge von Rezitativen und Soloarien zusammengesetzt ist, könnte man ein eintöniges, ermüdendes Ergebnis befürchten. Es ist im Gegenteil verblüffend, wie abwechslungsreich Telemann sein Werk unter dieser „Limitation“ gestaltet. Es gibt eine Vielzahl an Stimmungen von erhaben bis urkomisch, verschiedene Stilmittel, um auch in der Instrumentation nicht im eigenen Saft zu schmoren und nette Effekte wie das auskomponierte, hämische Lachen Zemirs oder den Einsatz einer Stimme aus der Ferne. Das erste und einzige wirkliche Duett erleben wir erst, nachdem sich eines der beiden füreinander bestimmten Paare endlich gefunden hat – auch kein ganz schlechter Einfall. Aber man kann natürlich auch ein vortreffliches „Duett“ aus einer Stimme und einer Oboe erschaffen, auch hier zeigt sich der Tonsetzer erfinderisch.
Fazit: Mein Status zur Alten Musik bleibt eine Fernbeziehung, aber Telemann hat sich heute weder als Lieferant von Stangenware noch als Langweiler erwiesen.