21. März 2019

NDR Elbphilharmonie Orchester – Omer Meir Wellber.
Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 15, Bereich M, Reihe 2, Platz 7



Joseph Haydn – Sinfonie d-Moll Hob. I/80

Alfred Schnittke – Concerto grosso Nr. 1 für zwei Violinen, Cembalo, präpariertes Klavier und Streichorchester (Stefan Wagner – Violine, Rodrigo Reichel – Violine, Dirigent und Tasteninstrumente – Omer Meir Wellber)

(Pause)

Piotr I. Tschaikowsky – »Manfred«-Sinfonie in vier Bildern h-Moll op. 58



Das letzte Konzert meines NDR-Abos auf Etage 15 – nächste Spielzeit geht es auf 13 E weiter. Wehmut wäre auch nach dem heutigen Abschied fehl am Platze. Beim Haydn ist die akustische Welt noch in Ordnung. Etwa 40 Musiker füllen die Bühne leidlich, der Klang ist insgesamt sehr angenehm, homogen. Einzig das Cembalo ist kaum bzw. nur in manchen Passagen zu vernehmen. Solo-Oboe und Flöte erste Sahne – die Sinfonie selbst eher schon mit Haut auf der Milch. Die Hervorhebung der Originalität des Werkes (zu seiner Entstehungszeit) sei dem Autor des Programmhefttextes unbenommen, dennoch bin ich im Menuett kurz eingenickt. Zudem war der Multitasking-Dirigent in seiner Doppelfunktion etwas gewöhnungsbedürftig.

Nach der Sinfonie folgte ein Umbau in Windeseile, bei dem nicht wenig an Kabelage für die Arte-Live-Übertragung umgestöpselt werden musste – Respekt.

Schnittke: Sehr guter Streicherklang. Die Solisten, beides Mitglieder des NDR, ebenfalls mit einer absolut überzeugenden Leistung. Das präparierte Klavier gab dem Beginn und Schluss des Stückes eine besondere Stimmung – der nun scheppernde, gongartige Flügel evozierte ein Gefühl von Vergänglichkeit, wie es sonst beispielsweise bei Mahler durch den Einsatz des Tamtams aufkommt. Das Stück an sich changiert von düstersten, deprimierendsten Tiefen bis zu regelrecht gelösten, mitunter tänzerischen Passagen – an einer Stelle schält sich gar ein Tango hervor. Das Ganze ist von collagehaftem Charakter, trotz schärfster Dissonanzen gibt es immer wieder tonale Anker in der Partitur. Eine zutiefst fesselnde, fordernde Musik, am Ende zwischen höchsten Streichern und tiefsten Klavierschlägen verlöschend.

Mit Verzückung denke ich an die letze Live-Darbietung der Manfred-Sinfonie vor nicht allzu langer Zeit zurück. Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester (Link) gelang es mit Macht und Furor, dieses mir wenig geläufige Riesenwerk aus dem Schatten seiner ungleich beliebteren sinfonischen Schwestern 4 bis 6 zu reißen – so schien es zumindest an jenem Abend. Nach der aktuellen Neubegegnung tendiere ich dazu, keinesfalls die aus der Leistung der seinerzeit Beteiligten geborene Begeisterung für das Erlebte in Frage zu stellen, leider jedoch durchaus den tatsächlichen Gehalt der Sinfonie. Kurzum: ich glaube, ich habe den Manfred überschätzt. Daraus ergab sich eine Erwartungshaltung, die heute jäh unterboten wurde.

Der Aufbau ist nicht uninteressant, aber das verarbeitete Material an sich eher guter Durchschnitt. So pocht das Schicksal bei Tschaikowsky in seiner Fünften deutlich spannender an die Tür, wenn man die beiden Kopfsätze gegenüberstellt. Die Fee flirrt bei Berlioz verwunschener, überhaupt erinnert Vieles in diesem Werk an den Franzosen, ohne an ihn heranzukommen: Das Hauptthema des dritten Satzes –Harold in Italien ist mir lieber. Den Dämonentanz des Finales gab es in der Symphonie Fantastique auch schon mal besser. Das Thema des zweiten Satzes könnte dem Einfallspapierkorb Rimski-Korsakows entnommen sein – Scheherazade light. Die Verklärung ganz zum Schluß ist so ein weiteres Beispiel dafür, dass es in diesem Werk eher schlicht zugeht: Die Blechbläser vermelden Glanz und Gloria zwar mit Nachdruck, aber simpel. Harmonische Finessen – Fehlanzeige.

Noch ein paar Worte zum Dirigat und dem NDR: irgendwie seh ich viel Einsatz und doch kommt erschreckend wenig dabei rum. Ist es wirklich der Platz? Ich denke nur zum Teil. Die Interpretation Wellbers kann einfach bei weitem nicht mit Petrenkos Starkstromversion mithalten. So oder so freue ich mich auf meinen neuen Abo-Platz. Wobei sich das Publikum selbst ja leider nicht tauschen lässt – diverse NDR-Rentner-Pärchen halten zwischendurch gern mal ein Schwätzchen – ätzend.

Fazit: Nur der Schnittke.