16. März 2019

Tonkünstler-Orchester Niederösterreich – Yutaka Sado.
Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 3, Platz 13



Piotr I. Tschaikowsky – Konzert für Klavier und
Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23 (SoRyang – Klavier)
Zugabe der Solistin: ?

(Pause)

Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 5 cis-Moll



Die Damen und Herren Tonkünstler aus dem Nachbarland haben einen ziemlich starken Eindruck hinterlassen. Waren mir weder Klangkörper noch Dirigent ein Begriff gewesen, haben sie doch den Elphi-Test – insbesondere mit dem Mahler – imponierend bestanden. Dabei hinterließ der erste Teil des Konzert noch einen recht unspektakulären Eindruck. Was in großen Teilen wohl an der Solistin des Abends lag, die zwar technisch weitgehend auf der Höhe (der ein oder andere verschluckte Ton war dabei?), von der Interpretation her mir jedoch eindeutig zu nüchtern agierte.

Das Klavierkonzert ist Kraft seiner Themen und Struktur wunderschön, keine Frage, dennoch sollte man sich als Interpret schon einiges einfallen lassen, um nachhaltig zu berühren – gerade auch weil das Stück so wohlbekannt ist. Oft hätte ich mir bei Frau SoRyang einen größeren Kontrast in der gewählten Anschlagskonzeption gewünscht. So gab es beispielsweise eigentlich nur eine Stelle im zweiten Satz (währenddessen es bezeichnender Weise irgendein trauriges Menschlein den Saal geräuschvoll zu verlassen drängte), bei der die Pianistin jenen Grad an Zartheit auspackte, wie er eigentlich vielen Passagen der Partitur gut zu Gesicht steht. Die kraftvollen, schnellen Läufe und dergleichen wiederum gerieten wenig eruptiv, eher technisch kontrolliert. Insgesamt war das alles zu brav, gerade beim „süßen“ Tschaikowsky muss man einfach auch mal auf die Kacke hauen – wir sind hier ja schließlich nicht beim Nachmittags-Tee. Zur Interpretation des Herrn Sado hätte ich bis zur Pause auch nicht mehr als ein „kann man so machen“ beisteuern können. Das Orchester klang gut, einzig die Holzbläser erschienen mir hier und da doch etwas hart (z.B. Solo-Flöte).

Umso verblüffender, wie viel Spaß ich in der zweiten Halbzeit mit Mahlers 5. hatte. Sado ist nicht unbedingt auf besonders harte Kontraste im Ausdruck bedacht, sorgt dafür aber mit einem sehr organischen, fast rubatohaft anmutenden Tempokonzept für die nötige Innenspannung. Zudem nutzte er die beeindruckende Akustik immer wieder für drastische Dynamikkontraste, etwa als er im bläserfreien Adagietto die Streicher sehr nuanciert abstufte und sich auch ein Pianissimo traute, bei dem man die sprichwörtliche Nadel hätte fallen hören. Überhaupt klingen die Streicher des Tonkünstler-Orchesters richtig gut, das Gleiche gilt für die üblicherweise eher als Problemkinder auftretenden Hörner, die – im Team wie solistisch – bis auf einen minimalen Wackler im Scherzo äußerst sattelfest und rund tönten. Das restliche Blech, angeführt von einer absolut zuverlässigen Solotrompete, ließ ebenfalls nichts anbrennen und rockte die majestätischen Choralstellen (zweiter Satz bzw. komplett im Finale) satt durch. Die ein oder andere Holzbläserkantilene hätte auch hier für meinen Geschmack weicher erfolgen können, dafür kamen das kecke und scharfe Moment an anderer Stelle umso deutlicher rüber.

Rein akustisch hat mir mein Lieblingsplatz wieder einen tollen Abend beschert, schon Wahnsinn, wie differenziert sich selbst ein solch massiv besetztes Werk „durchhören“ lässt. Selten den Kontrast zwischen „normaler“ Haltung der Holzbläser und „Schalltrichter auf!“ so frappierend wahrgenommen. Dafür muss ich als kleinen Wermutstropfen festhalten, dass der Bassbereich, gerade auch der Wumms bei der großen Trommel und beim Tam Tam, heute irgendwie mau ausfiel – eine Frage der Aufstellung (Schlagwerk komplett rechts statt wie sonst oft hinten /links)?

Fazit: Es muss nicht immer Weltklasse auf dem Papier sein, um mit seinen Lieblingen eine richtig gute Zeit zu haben.