22. März 2017

Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela –
Gustavo Dudamel. Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich D, Reihe 3, Platz 4



















Ludwig van Beethoven – Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92

(Pause)

Ludwig van Beethoven – Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93



Zweiter Eintrag zur Testreihe Beethoven – und gleich eine akustische Überraschung. Die nahezu identischen Zutaten ergeben auf meinem zweiten Aboplatz, wohlgemerkt von Montag auch nicht viel mehr als einen Hustenbonbonwurf entfernt, ein vollkommen anderes Ergebnis bzw. Hörerlebnis: Der Klang ist durch den geringeren Abstand zur Bühne deutlich direkter, dabei allerdings auch weit weniger homogen. Was noch schwerer wiegt, ist der Umstand, dass diese zusätzliche Nähe die Akustik auch weniger gutmütig erscheinen lässt – oder anders ausgedrückt, den Damen und Herren aus Venezuela weniger schmeichelt. Mängel bei den Hörnern treten zutage, die Streicher erscheinen nicht so voll, alles wirkt etwas unbehauen.

Dabei sagt mir Dudamels Interpretation weiterhin sehr zu. Der erste Satz der Siebten noch am unspektakulärsten, im langsamen zweiten nimmt man sich viel Zeit, um den soghaften Aufbau intensiv zu gestalten. Die beiden schnellen Sätze dann wirklich im Affenzahn. Hier zeigt sich wieder der Unterschied zur Weltspitze in puncto Technik – insbesondere den schnellen Läufen mangelt es des Öfteren an Präzision, der geölte Blitz zieht leichte Fäden. Trotzdem mehr als mitreißend. Die Leute sind schwer begeistert. Kann man auch sein – ein überaus leidenschaftliches Plädoyer für Beethoven. Der Musikwissenschaftler mag mich belächeln, aber Wahnsinn, was allein die Aufteilung der Streicher in der Behandlung des Allegretto-Themas für eine Wirkung entfaltet: Während die Bratschen mit dem Thema beginnen, werden sie von den 2. Violinen begleitet, welche es dann ihrerseits übernehmen, begleitet von den ersten, bis die Melodie schließlich dort in der hoher Lage intoniert erstrahlt – so einfach wie genial.

Bei der Achten bin ich zum ersten Mal nicht ganz auf Dudamels Wellenlänge. Die habe ich seinerzeit unter Zagrosek schon für meine Begriffe interessanter erlebt. Die Interpretation ist keine schlechte, betont aber mehr das elegante, als das bissige Moment, welches der Sinfonie dann eine fast schon ironische Note verleiht. Das Finale gerät in dieser „braven“ Konzeption noch am packendsten – Dudamel hat einfach ein Händchen, rhythmische Spannung aufzubauen und zu entladen, ohne dabei schroff oder vulgär zu sein. Es knallt, aber mit Stil und immer mit dem Blick für die Zusammenhänge.

Letztere, bezogen auf die Faktoren, welche ein Konzerterlebnis als Ganzes prägen und die Akustik bzw. ganz konkret die Platzwahl im Besonderen, lassen mich nach dem Vergleich von heute und Montag doch den Reflex zu klaren Urteilen in Zweifel ziehen. Bleibt die Einordnung eines Dirigates, einer Lesart, ohnehin immer dem eigenen Geschmack und Erfahrungshintergrund verhaftet, ist es doch verblüffend, wie sehr die Platzwahl selbst in einer wunderbaren Halle wie der Elbphilharmonie massiven Einfluss auf die wahrgenommene Qualität eines Klangkörpers hat. Am Montag Champions League, am Mittwoch Bundesliga – mit derselben Mannschaft. An welchem Tag hatte ich nun „Recht“? Am Ende ist das natürlich Mumpitz, erklärt aber vielleicht, warum in den Tagen und Wochen nach der Eröffnung so viel Widersprüchliches (und Stuss) geschrieben wurde. Der objektive Konzertbericht, ein rührendes Stück Utopie – Beethoven kann es wurscht sein.