23. März 2017

Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela –
Gustavo Dudamel. Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 16, Bereich V, Reihe 2, Platz 18



Ludwig van Beethoven – Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125

(Julianna Di Giacomo – Sopran, Tamara Mumford – Mezzosopran, Joshua Guerrero – Tenor, Soloman Howard – Bass, EuropaChorAkademie)



Dudamel zum Dritten, oder: die Neunte aus luftiger Höhe. Dafür, dass man hier unterm Dach so ziemlich am Ende der preislichen Nahrungskette angekommen ist, hört und sieht man ausgesprochen gut. Der Blick steil nach unten, aufgrund der Trichterform des Saales eher mit dem Rangempfinden in manchem Opernhaus vergleichbar, gewährt nicht allein beste Sicht auf den imposant von der Decke tropfenden Schallpilz, sondern lässt auch das Bühnengeschehen weitgehend frei einsehbar, ohne sich dafür den Hals auskugeln zu müssen. Dennoch werden Ausflüge ins Gebälk bei mir in Zukunft nach Möglichkeit eher selten stattfinden, dafür bin ich einfach zu gern unmittelbar im Geschehen dabei. Von hier oben klingt alles fein und ausgewogen, aber auch ein bisschen distanziert – zumindest für Krawallbrüder wie mich. Spätestens beim Chor sollte einem schon die Birne wegfetzen, sonst kann ich auch daheim die Kalotten entstauben. Aber geschenkt, Lautstärke ist nicht alles, die Neunte ist und bleibt ein besonderes Erlebnis.

Woran Dudamels Handschrift auch heute großen Anteil hat. Zupackend und kontrastreich im ersten und vierten Satz, auf dem Rhythmus-D-Zug durch den zweiten, einzig der überirdisch schöne dritte Satz blieb, trotz betont langsamer, inniger Lesart, relativ wirkungslos. Was auch einigen Störfaktoren in unmittelbarer Nachbarschaft geschuldet sein mag – bräsiges Getuschel, Handygefummel und mehrfaches lautstarkes Umgraben des Handtascheninhaltes helfen jetzt auch nicht direkt, die Konzentration hochzuhalten. Dafür war dann wiederum die behutsamst möglich vollzogene Einführung des Freude-Themas in den tiefen Streichern an unhörbarer Wucht kaum zu übertreffen. Leises klingt in diesem Saal auch hier oben einfach unbeschreiblich beeindruckend. Orchester und Solisten schlugen sich wacker, die vor dem Chor postierten Sänger waren gut zu vernehmen, wenn auch nicht immer textverständlich. Solche Probleme kennt die EuropaChorAkademie natürlich nicht, die Damen und Herren avancierten zu den heimlichen Helden des Abends.

Das Fazit nach dreimal ¡Viva Beethoven!: Dudamel hat's drauf, seine Kollegen aus der Heimat machen ihre Sache gut, können allerdings mit Orchestern der Weltspitze nicht mithalten. Trotzdem bleibt unter dem Strich dreimal Ludwig van mit Schmackes und Gefühl, was bei diesen gleichermaßen geliebten wie ausgenudelten Werken keine Selbstverständlichkeit darstellt. ¡Muchas gracias!