Ludwig van Beethoven – Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“
(Pause)
Ludwig van Beethoven – Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60
Erster Eintrag Forschungsgruppe Elbphilharmonie / Testreihe Beethoven, mit freundlicher Unterstützung durch Gustavo Dudamel und sein Heimatorchester: Ein Komponist, ein Dirigent, ein Klangkörper, drei Konzerte auf drei verschiedenen Plätzen – das sollte doch einiges an Erkenntnissen bringen. Weitere Erkenntnisse über die Akustik des Saales, darüber hinaus bezogen auf die ewige Suche nach „dem“ Beethoven.
Um gleich mal mit meinem persönlichen Glanzstück des Abends einzusteigen: Im Trauermarsch hat es mich förmlich zerlegt – es türmt und trotzt und trifft bis ins Mark. So soll es sein. Auch wenn das Orchester klanglich und technisch nicht mit den Wienern oder Berlinern mithalten kann, holt Dudamel unglaublich viel aus seinen Kollegen heraus. Erster Eindruck erster Satz: relativ gesittet, fast schon gemütlich. Auf keinen Fall radikal oder eckig, eher voll, satt, romantisch. Ausgefuchste Dynamikregelung. Aber doch durchaus energisch im weiteren Verlauf. Der zweite Satz dann eine Welt für sich. Das folgende Scherzo äußerst flott und bissig – größtmöglicher Kontrast zum monumentalen Tableau des Trauermarsches. Das Finale voller dynamischer Kontraste und rhythmischem Feuer. Bei einer Passage (grimmig) geht Dudamel richtig ab, pusht seine Leute spürbar, treibt sie fast schon vor sich her. Unmittelbar darauf wieder ein Kontrast, diesmal im Ausdruck: Dudamels Beethoven ist beileibe nicht nur drängend und ruppig, sondern über weite Strecken eine sehr elegante Angelegenheit. Insgesamt zeichnet den Maestro ein sehr ökonomischer Dirigierstil mit wenigen klaren Schlaglichtern aus. Scharfe Einsätze ja, aber eben auch ganz viel Rundes und Zartes für den Fluss.
Die Akustik auf 13 E ist voll beethoventauglich, auch ohne Posaunen knallt das Blech ordentlich (4 Hörner, 2 Trompeten), ohne penetrant aufzufallen. Die Trompeten bekrönen wunderbar plastisch das Gefüge des ganzen Orchesters. Insgesamt ein sehr druckvoller Klang, bei dem vor allem wieder der satte Bassgrund und die atemberaubende Transparenz begeistern. Das bei anderen Gelegenheiten teilweise wahrgenommene „Streicherproblem“ (Violinen, weniger Bratschen und Bässe, gehen im Tutti bei großer Lautstärke gegenüber den Bläsern tendenziell unter) ist heute absolut nicht spürbar. Sehr, sehr überzeugend. Die Konzentration im Saal gestaltete sich relativ gut, was einigen pianissimo ausgeführten Momenten sehr zugute kam. Das macht richtig Spaß. Auch das Orchester selbst. Alle Soli top, nur einmal minimale Hornunsicherheit. Ach ja, dieser Beethoven klingt übrigens keinen Deut südamerikanisch, er klingt einfach richtig.
Nach der Pause das gleiche Bild. Die dritte Sinfonie ist vielleicht sogar meine Lieblings-Beethoven, aber die vierte hat es auf andere Art in sich. Seltsam modern, gewitzt, tückisch, ich möchte fast sagen schelmisch oder gar verschlagen, noch mehr Musik über Musik bzw. dessen Bausteine. Die Offenbarung hier: der Streicherklang, den Dudamel für den zweiten Satz auspackt – himmlisch seidig! Diese Vierte wartet immer wieder mit Überraschungen auf. Im Scherzo fühle ich mich plötzlich stark an Bruckner erinnert? Scherzo und Finale hätten übrigens teilweise doch etwas mehr Präzision in den schnellen Streicherpassagen vertragen. Dennoch kommt die sehr knackige Lesart gut rüber. Trotzdem kann Dudamel für den gleichen Zyklus gern mit den Berlinern oder vielleicht seinen Freunden aus Los Angeles wiederkommen – „sein“ Beethoven lohnt sich.