20:00 Uhr, Parkett links, Reihe 7, Platz 20
Wolfgang Amadeus Mozart – Violinkonzert A-Dur KV 219 (Arabella Steinbacher)
Zugabe: Eugène Ysaÿe – Sonate für Violine solo Nr. 2, 1. Satz (Obsession)
(Pause)
Anton Bruckner – Sinfonie Nr. 7
Wie schön könnten Konzerte doch sein, wäre da nicht diese leidige Kleinigkeit, die allzu häufig wahren Genuss unmöglich macht – das Publikum. Andererseits kommt der Katalog der Verfehlungen nicht ohne ein gehöriges Maß Abwechslung daher – gehört man nicht zu der verschrobenen Minderheit, die sich unbedingt mit dem Konzert beschäftigen möchte, wird es so schnell nicht langweilig.
Ich notiere für den heutigen Abend: Eine solistisch in die Stille scheppernde Platzmarke. Ein leider etwas undeutlicher Handyton. Nach jedem Brucknersatz die akustische Simulation eines lauschigen Sommerregens mit Niederschlagsüberhang in den jeweils folgenden Satz hinein mittels vorbildlich synchron agierender Bonbonentfaltungsbrigaden. Das Erlebnis ursprünglicher Kommunikationsmuster anhand primitiver Hust-, Schnaub-, Grunz- und Röchelstafetten. Ein einsamer Recke, der den verdutzten Pünktlichsitzern der von ihm umgepflügten ersten Reihe eindrucksvoll demonstriert, daß es nie zu spät ist. Und schließlich der vielleicht berührendste Moment: Rechtzeitig zum Einsatz der Solistin läßt ein umsichtiger Musikliebhaber im ersten Rang etwas Großes, Klirrendes fallen, um noch mal die Konzentration seiner Hörgenossen zu schärfen – herrlich!
Ganz nebenbei wurde dann auch noch musiziert. Ein Violinkonzert des göttlichen Langweilers und nach der Pause zur Entschädigung Bruckner. Steinbacher und Honeck bewahren mich vor der üblichen einschläfernden Wirkung. Die Solistin mit feinem Ton, zerbrechlich, zart, intonationsrein, kontrolliert, teilweise fast zu gesittet – im entsprechenden Moment schon zupackend, dabei aber nie grob oder unbeherrscht. Bezeichnend: die immer wiederkehrende, weiche Bewegung des Arms beim Zurücknehmen des Bogens. Müßte ich ihr Spiel in einem Wort beschreiben, würde ich wohl ein „nobel“ aus der Attribute-Schublade fischen.
Dieser feine Zugang harmoniert vortrefflich mit Honecks Interpretation, die deutlich milder ausfällt, als erwartet. Wenn man es genau bedenkt aber eigentlich ganz in seiner Tradition, nur eben auf Mozart gemünzt. Leicht und luftig der erste Satz, dazu das Honeck-typische Herunterregeln der Lautstärke an die Grenzen der Verflüchtigung, um größtmögliche Kontraste zu erzielen. Im Final-Marsch wieder gewohnt energisch, geladen, federnd. Über die drei Sätze betrachtet aber eher elegisch-versonnen. Wenn schon Mozart, dann beispielsweise so.
Der ersehnte Bruckner hinterließ einen gemischten Eindruck. Ein äußerst interessantes Dirigat trifft auf die Gegebenheiten eines Orchesters, das in letzter Konsequenz nicht die nötigen Feinheiten aufzubieten vermag. Dabei ist das Schleswig-Holstein Festival Orchester beileibe kein schlechtes. Das stellt es vor allem im rhythmischen Taumel des Scherzo und dem knackigen Finale unter Beweis, wenn Honeck auf sein akzentuiertes Hochspannungs-Dirigat umschaltet. Das Besondere seiner Interpretation liegt – wie bereits im Mozart – jedoch nicht im Auftrumpfen, sondern in der Ausgestaltung leiser und leisester Passagen – hier durch die Einbindung in das schluchtartige dynamische Gefälle mit der Wirkung brutalster Fragilität. Für diesen behutsamen, fast schon kammermusikalischen Bruckner mangelt es dem Orchester – vor allem im Adagio – an Klangfarben, um jene Nuancen zum Blühen zu bringen. Insbesondere die Bläser werden dem Anspruch dieses Konzeptes nicht immer gerecht.
Doch auch wenn Blech und Holz sich mitunter allzu irdisch betrugen und nicht jedes Streicherunisono die Schwere des Profanen abzustreifen gewillt war, verbuche ich den Abend als Gewinn, da er mir wieder einmal die bestechende Kunst Honecks vor Augen und (mehrheitlich inneren) Ohren geführt hat.