12. Februar 2015

NDR Sinfonieorchester – Christoph Eschenbach.
Laeiszhalle Hamburg.

20:00 Uhr, Parkett links, Reihe 7, Platz 6



Marc-André Dalbavie – La source d’un regard

Béla Bartók – Klavierkonzert Nr. 2 G-Dur (Tzimon Barto)
Zugabe: Wolfgang Amadeus Mozart – Satz aus einem Klavierkonzert

(Pause)

Peter Iljitsch Tschaikowsky – Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36



Christoph Eschenbach reißt die Arme energisch nach oben, immer wieder, ein bißchen so, als wolle er mit einem imaginären Gegenüber eine Decke ausschütteln. Mit dieser Geste und weiteren treibt er sein Orchester an, als ginge es aufs Ganze. Aber das tut es ja auch, gerade wenn man unzweifelhaft Großartiges, allerdings gleichermaßen gefährlich oft Gehörtes, frisch erstehen lassen will. Und Eschenbach will. Der Mann wird 75 und scheint alles andere als an geruhsamer Beschäftigung im Alter interessiert zu sein. Seinem alten Stammorchester heizt er dabei ordentlich ein. Recht so. Sein Tschaikowsky ist eine explosive Angelegenheit. Mögen mir persönlich auch manche Tempi, gerade in den Steigerungen, etwas zu breit ausfallen – das Konzept ist Spannung und Entladung, und das Konzept geht auf.

Wo wir gerade von Entladungen sprechen – Tzimon Barto bräuchte für seine Bartók-Interpretation definitiv einen Waffenschein. Kinder, macht das Spaß, diesem Berserker zuzusehen und vor allem zuzuhören! Bartók gehört sicher nicht zu meinen Lieblingen, aber wozu dieses Werk Barto beflügelt (nein, kein absichtliches Pianistenwortspiel), läßt mich Bauklötze staunen. Ein Anschlag, der den Zuhörer mal mit der Wucht eines Vorschlaghammers trifft, um das Ohr kurz darauf in zartestem Tastenhauch zu umschmeicheln, eine schier unbändige Virtuosität und Spritzigkeit, geschmeidigste Läufe, dazu ein Kontrastreichtum in der Darbietung, für die selbst ein Begriff wie „bombastisch“ an seine Grenzen kommt. Aggressiv, flüssig, schmetternd, fein, federnd, agil, schwindelerregend. Ein Grinsen huscht mir übers Gesicht. Schön, daß ich heute hier bin. Als Zugabe Mozart – her damit! Dem Mann hör ich bei allem zu. Delikat, perlend, fast schon ein bißchen nervös, diese Sicht auf everybodys darling Wolferl. Ein Klasse Typ! Also Herr Barto natürlich.

Eingangs gab es übrigens noch ein etwa viertelstündiges Telekolleg Spektralismus. Kann man sich ruhig mal reinziehen, ohne daß es mir jetzt spontan durch den Kopf schoss: „Ja Mensch! Warum hat man das denn nicht immer schon so und nicht anders gemacht!?“. Atmosphärisches Geschichte, Klangbeleuchtung, kleine Schreker-Einlage, durchaus Filmmusiktauglich – unterm Strich wohl mehr Substanz und Struktur als bei diversen anderen zeitgenössischen Ingenieurs-Komponisten. Da gibt es gar nichts zu Husten, auch wenn hier manch trockener Ignorantenhals heute eine andere Sprache sprach.