20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 2, Platz 10
Carl Nielsen – Helios-Ouvertüre op. 17
Dmitri Schostakowitsch – Konzert für Violine und Orchester
Nr. 1 a-Moll op. 77
(Leonidas Kavakos)
(Pause)
Jean Sibelius – Sinfonie Nr. 5 Es-Dur op. 82
Der Bestplatztest für den NDR, noch dazu mit mit dem geliebten Sibelius – man durfte gespannt sein.
Nielsen: Das Orchester klingt gut ... aber sicher nicht überragend. Der feine, oft fast schon an eine perfekte Studiomischung erinnernde Klangeffekt will sich nicht recht einstellen. Etwas lärmig, hart im Tutti. Zudem treten die üblichen Leiden zutage: Ich mag die Hörner nicht, unabhängig davon, dass gleich der erste Einsatz in die Hose ging. Spröde. Angestrengt. Unrund. Streicher und Holzbläser allerdings prima, Blech insgesamt naja – alles beim Alten.
Kavakos: erst dachte ich: hoppla, seine Intonation hatte ich aber besser in Erinnerung – aber dann! Feine Stellen, die nicht feiner können, hoch und hauchzart. Fast schon jenseitige Expression in der Kadenz. Doch Kavakos begeistert nicht allein mit seidig Duftigem, gerade der Höllenritt im Finale gelingt unglaublich mitreißend. Lustig: in tiefer Lage gefallen mir die Hörner hier ganz gut, z.B. zu Beginn des 3. Satzes (Passacaglia) ... sonst immer noch nicht. Saraste mit gutem Tempo, aber Kavakos zieht eh alle mit – Bravo! Leider keine Zugabe.
Irgendwie mag ich die Sitzordnung des Orchesters nicht, die hinteren Reihen sind zur gewohnten Konstellation gespiegelt – Bässe links, Hörner rechts u.s.w.. Aber es ist wohl vielsagend, dass ich nach der Pause Zeit für solche Gedankenspiele habe – als Begleitorchester für den Spitzensolisten reichts, aber nicht, um Sibelius zu tragen. Das ist zu wenig Kammermusik, zu wenig Feinheiten, Klangfarben, Übergänge, Mischungen, Artikulation, Phrasierung – hatte ich schon Feinheiten gesagt? Die verschiedenen Ebenen, Aggregatszustände kommen nicht rüber, es klingt das Skelett der Sinfonie durch, aber keine Spur von dem faszinierenden Organismus, den Sibelius uns zur immerwährenden (Neu-)Entdeckung hinterlassen hat. Da ist keine Transparenz, sondern es riecht nach ganz viel schwerer Arbeit, man ist offenbar nicht damit vertraut, ein Finne am Pult scheint auch nicht als Inspirationsquelle zu genügen.
Und immer wieder diese unsäglichen Hörner: Die erhabene Hauptmelodie im Finale zumindest zu Beginn ein einziger eiernder Brei, die (eigentlich guten) Streicher nicht schneidend genug. Viel zu laut dann bei der sonst atemberaubenden Passage, in der sie die eingangs vorgestellten Figuren sehr leise forttragen, während immer wieder Fragmente des Hauptthemas aufblitzen, darüber hinaus herrscht hier viel zu wenig Spannung, die Artikulation ist zu lasch – das muss wie auf der Rasierklinge klingen, über ganz dünnes Eis eilend. Apropos, der zweite Satz wiederum zu eilig, ohne die majestätische Ruhe, die von ihm ausgehen sollte. Die so wichtigen, bekrönenden Trompeten im ersten Satz und Finale auch nicht durchgehend überzeugend, teilweise flattrig. Kurzum, es holpert und klappert und klingt vor allem absolut nicht nach Sibelius. Unabhängig von den ganzen klanglichen und technischen Missständen hat mich Sarastes Interpretation ebenfalls enttäuscht.
Wobei ich mit dieser Meinung wohl wieder mal allein auf weiter Flur war – Applaus, Begeisterung. Den fachkundigen Hamburgern kann man halt nichts vormachen. Wenn ein Finne etwas Finnisches mit unserem NDR dirigiert, muss es gepasst haben, man kennt schließlich seine Pappenheimer ... beim Verlassen des Saales aufgeschnappt: „wie hieß der noch?“ ... „Salonen ... Esa-Pekka Salonen“. Merke, wie in der Ausführung von Musik gilt ebenso hier: knapp vorbei ist auch daneben.