20:00 Uhr, Etage 12, Bereich A, Reihe 12, Platz 9
Ludwig van Beethoven – Andante favori F-Dur WoO 57
Ludwig van Beethoven – Klaviersonate Es-Dur op. 31/3
Robert Schumann – Bunte Blätter op. 99 (Auszüge)
Robert Schumann – Presto Passionato (Ursprüngliches Finale
der Klaviersonate Nr. 2 g-Moll op. 22)
(Pause)
Sergej Prokofjew – Klaviersonate Nr. 8 B-Dur op. 84
Zugaben:
Sergej Rachmaninow – Vocalise op. 34/14 / 14 Lieder
Sergej Rachmaninow – Etudes-tableaux op. 33 Nr. 7
Warum sich auf dem Olymp meiner absoluten Lieblingspianisten mittlerweile ausschließlich Russen tummeln, müsste mir mal jemand erklären. Fakt ist jedoch, dass sich mit Herrn Trifonov ein weiterer Landsmann des höchst verehrten Grigory Sokolov und meiner noch recht frischen „Neuentdeckung“ Igor Levit dazugesellt hat, und wie schon seine Kollegen dem Begriff Klavierabend eine neue Bedeutungs- und Intensitätsebene verleiht. Leider fehlen mir als jemand, für den Kammermusik und die Klavierliteratur nicht zum Leib- und Magen-Repertoire gehören, sowohl die interpretatorischen Vergleichsmöglichkeiten als auch die Übung in der Beschreibung des Erlebten, doch fällt dieser Umstand angesichts einer tief empfundenen Sprachlosigkeit eingedenk des Vortrags nicht weiter ins Gewicht.
Spannend: Offenbar ist man auch im Solokonzertbereich immer noch dabei, die für die Elbphilharmonie-Akustik bestmögliche Lösung zu erforschen. Davon zeugen der fehlende Deckel des Flügels und die unorthodox schräge Positionierung desgleichen auf der Bühne. Kompliment an Herrn Trifonov, für den diese Anpassungen sicher ebenfalls eine klangliche Wahrnehmungsumstellung bedeuten. Auf der anderen Seite dürfte es heute akustisch tatsächlich größtmöglich demokratisch zugegangen sein. Selbst die sonst klar benachteiligten zusätzlichen Podiumsplätze sind so durch ihre Nähe zum Solisten eine reizvolle Option – sollte ich für die Zukunft mal im Hinterkopf behalten.
So gab es natürlich aber ohnehin auf meinem Platz, leicht erhöht in der letzten Reihe des Parketts auf einer Art „Loveseat“ nichts zu meckern, sieht man einmal von den Herrschaften schräg hinter mir ab – leider ebenfalls Landsleute des Künstlers – die sich nicht zu benehmen wussten und die erste Hälfte des Konzerts durch permanente Unruhe schmälerten. Glücklicherweise entschloss man sich dazu, nach der Pause den ganz offenbar mißfallenden Klängen fernzubleiben. Vielleicht hatte die Frau Gattin auch einfach – Achtung Klischeefalle – einen weiteren Termin zum Lippenaufspritzen.
Zuerst bildete ich mir ein, dass der Klang ohne Schalldeckel etwas dumpf, wenig brillant sei, aber mit fortlaufendem Konzert und Gewöhnung daran muss ich zugegeben, dass ich auf diese Entfernung einen Flügel wohl kaum habe differenzierter, fein abgestufter klingen hören. Was natürlich in erster Linie das Verdienst des Solisten ist. Daniil Trifonov windet sich dabei an den Tasten, als ab er in den Eingeweiden seinen Arbeitsgerätes kneten wolle, immer wieder durchfährt ihn ein Energieschub, der ihn beinahe von seinem Schemel aufspringen lässt. Was überaus manieriert klingen mag, hat im tatsächlichen Erleben jedoch nichts Aufgesetztes, Effektheischendes, sondern zeigt nichts weniger als eine faszinierende, geradezu symbiotische Verbindung des Musikers mit seinem Instrument als Verlängerung seiner selbst.
Wie er beispielsweise die Steigerung des Trauermarschs in den Schumann-Blättern stetig bis ins Titanische auftürmt, um sie gleichsam organisch wieder vergehen zu lassen – das sind einfache wahre Klangwunder, die sich hier in der alles offenlegenden Akustik des Saales ereignen. Für bestimmte Passagen beim Schumann und später auch in der Prokofjew-Sonate sind Begriffe wie „aberwitzig“ oder „unüberbietbar“ in jedem Falle zu abgegriffen, um die Sogwirkung zu beschreiben, die von diesen fliegenden Fingern ausgeht.
Fazit: Die Zukunft des Klavierspiels ist gesichert.