20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 2, Platz 13
Claude Debussy – La Mer / Drei sinfonische Skizzen
(Pause)
Sergej Prokofjew – Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100
Die Berliner Philharmoniker und die Elbphilharmonie sind eine Kombination, wie sie exquisiter nicht sein könnte, erst recht unter der gewohnt sensiblen Stabführung Nézet-Séguins. Schon nach den ersten Takten herrscht klangliche Gewissheit darüber, dass dieser Abend etwas ganz Besonderes werden wird. Und tatsächlich ist es eine beispiellose Freude, einen der wohl ausgelutschtesten modernen Klassiker, Debussys Ozeanreigen, in solch vollendeter Aufführung zu jungfräulicher Frische zurückgeführt zu wissen. Nézet-Séguins Mikromodulationen in Klang und Fluß, dazu das in wirklich jeder Beziehung makellose Orchester, lassen die Partitur in einer Transparenz schillern und aufblühen, wie man sie live sonst nur schwerlich erleben kann.
Dabei zeigt sich gerade bei den üblichen „Problemstellen“ die Meisterschaft der Berliner Musiker – butterweiche Hörner, abgestuft bis zum samtigen Hauch, das Gleiche gilt für die Trompeten, welche, ob frei aufspielend oder gedämpft, zum Edelsten gehören, was man akustisch wahrnehmen kann. Und wenn man dann realisiert, dass mit Herrn Pahud und Herrn Mayer gerade zwei der wohl Besten ihres Faches gemeinsam das betörende Flöten- und Oboensolo des dritten Satzes intonieren, könnte das innere Grinsen kaum breiter ausfallen. Beim Dirigat fällt wieder einmal auf, dass Herr Nézet-Séguin den Saal auch bezogen auf die Dynamik absolut im Griff hat. Die Steigerungen sind allesamt wuchtig, dabei allerdings in der Dosierung der Lautstärke minutiös gestaffelt, so dass er sich das volle Volumen tatsächlich bis zum Schluss des Stücks aufsparen kann – mit untrüglicher Wirkung.
Selbige erzielen die Gäste nicht minder mit Prokofjews Fünfter. Ehrfürchtiges Geraune zwischen den Sätzen, in wahre Jubelstürme nach dem Finale kulminierend, zeugen davon, dass man sich in Hamburg auch mit diesem weit weniger gelernten Mammutwerk der überlegenen Qualität der Philharmoniker bewusst ist. Für mich persönlich gehört die Fünfte sicher zu meinen Lieblingssinfonien. Gerade die Sätze eins bis drei, allen voran das herzzerreißende Adagio mit seinen sehrend-schneidenden Streichern (und wie sie heute schnitten!), haben es mir angetan. Mit dem Finale hatte ich meine Probleme, als ich die Sinfonie kennenlernte, mittlerweile habe ich realisiert, wie gut es sich in die formal doch sehr konservative Gesamtstruktur des Werkes einfügt, welches eben keine „Finalsinfonie“ in der Nachfolge Mahlers darstellt, wie es Prokofjews Kollege Schostakowitsch mitunter ebenfalls handhabt. Der Schwerpunkt liegt hier eindeutig auf dem monumentalen Kopfsatz, der mir mit seinem schubhaft einsetzenden, stetig wiederkehrenden Eingangsthema wie eine einzige, majestätische Introduktion gigantischen Ausmaßes vorkommt. Das Finale fungiert da eher als traditioneller Kehraus, wobei es auch hier die ein oder andere bizarre Überraschung gibt, etwa wenn der Komponist kurz vor dem eigentlichen Fortissimo-Schluss mitten in der Kulminationsphase das Geschehen abrupt für wenige Takte auf kammermusikalisches Maß stutzt, um den finalen Ausbruch um so vehementer im Tutti explodieren zu lassen.
Es wäre müßig, angesichts der Perfektion des Vortrags Einzelleistungen gesondert hervorzuheben – Herr Nézet-Séguin tat gut daran, beim Applaus die Orchesterstimmen jeweils als Gruppe aufstehen zu lassen – das Kollektiv ist der Star. Es war mir eine kaum steigerungsfähige Freude, diese herrliche Musik von einem solch unwiderstehlichem Ensemble in Empfang nehmen zu dürfen. Nehmen Sie sich an Ihren Münchner Kollegen ein Beispiel und kommen Sie recht bald und häufig wieder nach Hamburg – die Elbphilharmonie braucht Orchester wie dieses.